Süddeutsche Zeitung

Die Kleinen:Mit ein paar Freunden in der Kneipe

Nur 0,9 Prozent für den OB-Kandidaten der Freien Wähler, immerhin 1,3 für den der Linken - auch unter den Abgeschlagenen gibt es Gewinner und Verlierer

Mit einem Knall zerplatzt der orangefarbene Luftballon. Die Freien Wähler räumen ihre Dekoration im Giesinger Bräustüberl zusammen. Eigentlich wollten sie hier eine Wahlparty mit 120 Gästen veranstalten. Doch dann kam das Coronavirus und die meisten Parteien sagten ihre Wahlpartys ganz ab. Die Freien Wähler nicht. Sie entschlossen sich stattdessen zu einer "Wahlinformationsveranstaltung". Zwanzig Gäste, rein kommt nur, wer sich vorher die Hände desinfiziert. Zu feiern gibt es dann allerdings nicht viel. Hans-Peter Mehling, der OB-Kandidat, kommt gerade einmal auf 0,9 Prozent der Stimmen - er hatte auf mindestens 1,5 gehofft.

Das Feld der OB-Kandidaten spaltet sich an diesem Wahlabend in drei Teile: Vorne weg stürmt Dieter Reiter (SPD), dahinter streiten sich Kristina Frank (CSU) und Katrin Habenschaden (Grüne) um den Einzug in die Stichwahl. Und dann sind da noch zehn Parteien, die zusammen etwa zehn Prozent bekommen, die also mit dem Wahlsieg nichts zu tun haben. Doch auch unter den Abgeschlagenen gibt es Gewinner und Verlierer. Und gerade Letztere hoffen auf ein besseres Ergebnis bei der Stadtratswahl, das noch nicht final feststeht.

Als die ersten Zahlen auf der Leinwand auftauchen, wird es still im alten Stemmerhof. 1,5 Prozent stehen da, die orangefarbene Linie der ÖDP ist kaum zu sehen. Als ihr OB-Kandidat Tobias Ruff etwas Offizielles sagen soll, winkt er erst einmal ab. Die ÖDP hatte sich mehr zugetraut. Wenn es darum geht, Unterschriften für eine umweltfreundlichere Stadt zu sammeln, sind ihre Wahlkämpfer ziemlich erfolgreich - zum Beispiel beim Volksbegehren "Rettet die Bienen". Doch sobald es um Wahlen geht, bleibt die Umweltpartei regelmäßig bei ein paar Prozent stecken. So auch dieses Mal. 1,6 Prozent werden es letztlich sein. Immerhin ein Zehntel mehr als bei der ersten Hochrechnung. Das offizielle Statement lautet dann: Man sei mit dem Ergebnis "hoch zufrieden".

Thomas Lechner, der OB-Kandidat der Linken, hat sich keine Illusionen über seine Chancen gemacht: 1,3 Prozent, das ist etwas besser als Brigitte Wolf vor sechs Jahren. Lechner, der als Parteiloser für die Linken ins Rennen gegangen ist, hat rund 1300 Stimmen mehr eingeheimst. Auch wenn das kein großer Sieg ist, ordentlich gefeiert hätte er schon recht gerne. Aber dann kam das Coronavirus dazwischen. Nun also sitzt er am Wahlabend mit ein paar Freunden in einer Kneipe, "und wir sind ein bisschen unglücklich, dass wir nicht ausgelassen feiern können". Sobald er jedoch an den Wahlkampf zurückdenkt, hellt sich seine Stimmung wieder auf. "Da ist ein tolles Team entstanden, mit vielen jungen Leuten. Ich denke, das ist der Anfang von einer guten Entwicklung."

Als Größte unter den Kleinen darf sich die AfD fühlen. 2,8 Prozent hat ihr Spitzenkandidat Wolfgang Wiehle geschafft - "mit doppelt so viel Stimmen wie FDP und ÖDP", merkt Wiehle am frühen Abend an. Die Rechnung stimmt zwar am Ende des Abends nicht mehr, aber verglichen mit der letzten Kommunalwahl hat die AfD zugelegt.

Die FDP hat mit 1,5 Prozent nur minimal besser abgeschnitten als vor sechs Jahren. "Ich hatte schon mit mehr gerechnet am Anfang des Wahlkampfes", sagte OB-Kandidat Jörg Hoffmann: "Doch dann kam Thüringen." Dort ließ sich FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsident wählen. Das habe die Partei viel Sympathie gekostet und die Marke FDP beschädigt, so Hoffmann.

Und dann sind da noch die Zwerge unter den Kleinen. Zum Beispiel die Bayernpartei, die mit Kandidat Richard Progl auf 0,4 Prozent kam - "aber man macht es ja nicht wegen des Ergebnisses, sondern weil man die Aufmerksamkeit auf die Partei lenken will". Um Aufmerksamkeit geht es generell auch der Satire-Gruppierung Die Partei, die aus dem Stand 0,6 Prozent schaffte.

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SZ vom 16.03.2020 / amm, anl, fjk, schub, sekR, WG
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