Die Auserwählten:Der Weg zum Wiesnwirt

Wer kein eigenes Zelt zur Hand hat, muss sich an eine Brauerei halten

Von Franz Kotteder

Manchmal zielen Sprichwörter ganz schön weit an der Wirklichkeit vorbei. "Wer nichts wird, wird Wirt", zum Beispiel. Ganz gewiss trifft das nicht auf die Spezies des Wiesnwirts zu. Denn wer es geschafft hat, ein Bierzelt auf dem Oktoberfest zu übernehmen, der hat es in den Münchner Gastronomie-Olymp geschafft. Kein Wunder, dass viele scharf darauf sind, einen der Zeltplätze zu bekommen.

Es gibt vom Grundsatz her zwei verschiedene Wege, an ein Bierzelt auf dem Oktoberfest zu gelangen. Entweder man stellt ein eigenes dort auf oder man wird von einer Brauerei als Wirt für ein bereits vorhandenes Zelt eingesetzt. Die 14 großen Festhallen auf der Theresienwiese setzen sich aus sieben Brauereizelten und sieben Zelten, die den Wirten gehören, zusammen. Auch die Großen müssen sich alle Jahre wieder bewerben, in der Praxis gelten sie aber als so gut wie gesetzt. Bei den Brauereizelten - Augustiner, Pschorr-Bräurosl, Hacker, Hofbräu, Löwenbräu, Ochsenbraterei und Winzerer Fähndl - bewirbt sich die jeweilige Brauerei und benennt selbst den Wirt. Der (oder die) kommt in der Regel dann für die nächsten Jahrzehnte zum Zug, und oft bleibt so ein Wiesnzelt gleich in der Familie, weil die Kinder des Wirts es übernehmen - sie sind ja auch schon eingearbeitet.

Die anderen sieben großen Zelte schenken zwar auch Bier von den großen Münchner Brauereien aus, gehören ihnen aber nicht, sondern den Festwirten. Deshalb fliegt hier bei Unregelmäßigkeiten - wie bei Sepp Krätz und seinem Hippodrom - nicht nur der Wirt, sondern gleich das ganze Zelt von der Wiesn. Das älteste von ihnen (und das älteste Wiesnzelt überhaupt) ist die Festhalle Schottenhamel, die 2017 stolze 150 Jahre auf dem Oktoberfest feiern kann. Die Wirte Christian und Michael Schottenhamel müssen sich selber um sämtliche Auflagen und TÜV-Prüfungen kümmern und jedes Jahr umfangreiche Unterlagen einreichen, um die Kriterien zu erfüllen, ebenso wie ihre Kollegen vom Armbrustschützenzelt, der Fischer-Vroni, dem Schützen-Festzelt, dem Weinzelt, von Käfers Wiesn-Schänke und dem Marstall. So eine Bewerbungsmappe umfasst schnell einmal mehrere Hundert Seiten. Eine genaue Kenntnis der Kriterien des Punktekatalogs sowie das fast streberhafte Bemühen, hier Punkte zu sammeln, zahlen sich aus. Auf diese Weise konnte sich Siegfried Able vom Marstall seinen Traum erfüllen, Wiesnwirt und Nachfolger von Sepp Krätz und seinem Hippodrom zu werden.

Alles machbar also. Vorausgesetzt, man hat dann noch so um die zehn Millionen Euro übrig, die ein mittelgroßes Zelt in etwa kostet. Aber in ein paar Jahren ist das Geld leicht wieder drin.

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