Die Anwohner und der Lärm:Mal leiser und mal lauter

Obwohl die Lärmgrenzen eingehalten werden, wehren sich Anwohner gegen Freiluft-Veranstaltungen.

B. Neff, C. Warta

Lauter als die Stadt erlaubt wird es in den seltensten Fällen, wenn sich die Münchner zur Musik, zum Kino oder zum Feiern im Freien treffen. Die Sportanlagenlärmschutzverordnung gibt als Höchstwert für nächtlichen Veranstaltungslärm in Mischgebieten (Wohnen und Gewerbe) 45 Dezibel vor und erlaubt für "seltene Ereignisse" an Standorten, die nicht öfter als 18 Mal pro Jahr genutzt werden, eine Steigerung auf 55 Dezibel. Kommt es zu Beschwerden, wird gemessen, und zwar einen halben Meter vor dem geöffneten Fenster, so Lärmschutz-Experte Helmut Jahn vom Referat für Umwelt und Gesundheit.

Die Anwohner und der Lärm: Gehört der Vergangenheit an: Kino unter freiem Himmel im Ungererbad.

Gehört der Vergangenheit an: Kino unter freiem Himmel im Ungererbad.

(Foto: Foto: Schellnegger)

Zu 450 Veranstaltungen im Freien geben die städtischen Lärm-Wächter pro Jahr Stellungnahmen ab, etwa 150 Mal im Jahr rücken die Lärm-Messer aus - meist aus eigener Initiative, in kaum zwei Dutzend Fällen aufgrund von Beschwerden. Die gibt es relativ selten. Lediglich im vorigen Jahr, als die Rockband Genesis im Olympiastadion zu stark aufdrehte, hagelte es empörte Anrufe - und zwar zurecht, wie der von der Stadt bei solchen Ereignissen eingesetzte Sachverständige danach bestätigte. Er nahm, als seine Messgeräte zu stark ausschlugen, prompt Kontakt mit den Mischpult-Leuten auf. Die regelten die Lautstärke runter, um die von der Stadt vorgegebene Lärmgrenze einzuhalten.

Auch beim Schwabinger Open-Air-Kino im Ungererbad, das am heutigen Samstag wohl infolge von Anwohner-Beschwerden Schluss macht, waren die Lärmwerte Jahn zufolge keineswegs überschritten: "Die Anlage wurde mit Limiter abgenommen", also mit einem Lautstärken-Begrenzer. Reinhard Straßer, Organisator von "Kino am Pool", hatte zudem die Zahl der Lautsprecher verringert und die Veranstaltungstage reduziert.

Und da der Kino-Lärm der Genehmigung wohl tatsächlich entsprach, konzentriert sich Alfred Braun, Anwalt der drei Anwohner, auf den zivilrechtlichen Klageweg. "Das Kino stellt eine wesentliche, nicht zumutbare Beeinträchtigung dar", argumentiert der Anwalt und droht auf dem privatrechtlichen Weg des Nachbarschaftsrechts Klage gegen die Stadtwerke München GmbH als Grundeigner an. Ob er so die öffentlich-rechtliche Genehmigung für das Kinovergnügen aushebeln könnte, wird sich wohl nicht mehr klären lassen, denn Veranstalter Straßer will den Stadtwerken, mit denen er acht Jahre lang zusammengearbeitet hat, einen Gerichtsstreit ersparen.

Genehmigt war auch eine andere Veranstaltung, die aufgrund von Protesten des Bezirksausschusses nun erst einmal vertagt wurde - eine zweistündige Kunstaktion der "Urbanauten" am Gärtnerplatz, bei der allenfalls danach mit Lärm zu rechnen gewesen wäre. Bei der Aktion "Stille Disko" wäre die Musik nämlich über 300 Funkkopfhörer unhörbar für andere an die Zuschauer übermittelt worden, wie Organisator Benjamin David sagt. Der betreibt im Viertel seit Jahren auch schon den Kulturstrand an der Corneliusbrücke, den die CSU immer wieder als Belastung für die Anwohner anprangert.

Mit dem Happening wollen die Urbanauten sich mit der zunehmenden Normierung des öffentlichen Raumes und der Überregulierung öffentlichen Lebens auseinandersetzen. Da die Aktion zwar von diversen städtischen Dienststellen genehmigt ist, der örtliche Bezirksausschuss aber damit nicht befasst wurde, musste das Happening jetzt um eine Woche auf nächsten Donnerstag verschoben werden - falls dann die örtliche Politik und das Wetter mitspielen.

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