Die Ärzte in München:"Wir lieben die BHs frisch"

Selbstbewusst, selbstironisch, selbstreferentiell: In der Münchner Olympiahalle zeigen die Ärzte, wieso es sich auch nach 30 Jahren noch lohnt, auf ihre Konzerte zu gehen. Ob das noch Punkrock ist? Egal.

Beate Wild

Als der BH auf die Bühne fliegt, ist Farin Urlaub kurz verlegen. Er fängt ihn locker mit einer Hand und hält ihn hoch. Dann stellt sich heraus, dass es ein Modell in Übergröße ist. Und das macht den blonden Ärzte-Frontmann mit der sonst so großen Klappe kurz ratlos.

Auftakt der 'Das Ende ist noch nicht vorbei'-Tour der 'Aerzte'

Farin Urlaub beim Auftakt der Ärzte-Tour "Das Ende ist noch nicht vorbei" in Bremen.

(Foto: dapd)

Doch dann sagt er den Spruch des Abends: "Wir lieben die BHs eher frisch von den Brüsten gepflückt." Und dann zu seinem Kompagnon gewandt: "Das Schönste ist, Bela, dass ich jetzt schon weiß, was morgen in der Presse steht." Ja, lieber Farin, diesen Gefallen tun wir dir gerne.

Am Mittwochabend spielten die Ärzte wieder einmal in der ausverkauften Münchner Olympiahalle und es war wieder einmal großartig. Gerade erst ist das neue Album "auch" erschienen, das zwölfte in ihrer 30-jährigen Karriere, zum ersten Mal seit fünf Jahren traten sie wieder in München auf.

Das Motto der Tour lautet "Das Ende ist noch nicht vorbei" - was bei einigen Fans Atemnöte und Panikattacken auslöst, da sie befürchten, die Band könnte sich bald trennen. Auszuschließen ist das nicht, denn die Band hatte sich schon einmal aufgelöst. 1988, "aus Scheiß", wie Farin sagt. Doch 1993 kam es zur ärztlichen Wiedervereinigung der Gründungsmitglieder Farin und Bela, ergänzt durch das chilenische Multitalent Rodrigo González.

Ist das noch Punkrock?

Angefangen hatte alles vor 30 Jahren in einem Keller in Berlin-Kreuzberg. Deshalb lautet ein Titel ihres aktuellen Albums nicht ganz zu Unrecht: "Ist das noch Punkrock?" In dem Song geht es um den gelebten Widerspruch: Ist das noch Punkrock, wenn man verliebt ist, wenn man bei Ikea eine Küche kauft, wenn das Lieblingslied in den Charts ist?

Die Ärzte, die sich selbstbewusst "die besten Band der Welt" nennen, stellen sich in Frage? Im Grunde ist dieses Verhalten typisch für die 80er-Jahre-Punks aus Berlin. Selbstreferentielles Hinterfragen des eigenen Status war schon immer ihre Masche. Genau das macht sie aus und hebt sie vom großen Rest ab.

Beim Konzert in der Olympiahalle haben die Ärzte ihr Publikum von Anfang an fest im Griff. Ärzte-Konzerte sind mehr als ein bloßes Herunterspielen von Songs, sie sind phänomenales Entertainment. Die drei verstehen es, ihr Publikum grandios zu unterhalten. Mit Anekdoten, Animationen und viel Humor. Beim Münchner Konzert gehen die Witze oft auf Kosten der FC-Bayern-Fans. Bevor es los geht mit einer La-Ola-Welle der Fans, sagt etwa Farin als Aufmunterung: "Ihr seid besser als euer Verein!" Nach der gelungenen Publikums-Performance ergänzt Bela: "Ihr wart ja schneller als Arjen Robben." Das bringt den Jungs auf der Bühne ein paar Pfiffe ein, trotzdem muss irgendwie jeder lachen.

Diabolischer Clark Gable

Die Ärzte dürfen solche Witze machen, denn sie sparen auch nicht mit Selbstironie. "Hast du nichts Besseres zu tun, als die Ärzte zu hören?", singt Bela B. in einem der neuen Lieder. Sie nehmen sich gern selbst auf die Schippe - genau dafür werden sie vom Publikum so geliebt.

Auftakt der 'Das Ende ist noch nicht vorbei'-Tour der 'Aerzte'

Bela B., eine Art diabolischer Clark Gable.

(Foto: dapd)

Gesagt werden muss außerdem, dass die beiden Gründungsmitglieder Farin und Bela auch nach 30 Jahren immer noch ganz fantastisch aussehen und noch ganz schön sexy sind für ihr Alter. Farin ist 48 und Bela 49 Jahre alt. Vor allem Bela B. sieht mit dem Alter immer besser aus, sein Look erinnert an einen diabolischen Clark Gable.

Eine großartige Idee zum neuen Album waren auch die Video-Clips. Filmstudenten drehten zu jedem Track kleine Filmchen. Und so gibt es nun für jeden Song sogar zwei unterschiedliche Videos, die bereits vor einigen Wochen in ausgewählten Galerien, unter anderem auch in der Münchner Reichenbachstraße, gezeigt wurden.

30 Jahre gibt es sie nun schon, die Punkrocker aus Berlin. Sie hätten sich anfangs wohl nie träumen lassen, dass einige ihrer Songs einmal zu Volksliedern werden, wie etwa "Westerland", "Schrei nach Liebe" oder "Zu spät". Doch trotz der familienfreundlichen Atmosphäre, die die Ärzte gerne auf ihren Konzerten verbreiten, hüpft immer noch ein wild gewordener Moshpit vor der Bühne herum und die Texte treffen wie immer mitten ins Herz.

Ist das noch Punkrock? Ja, mehr Punkrock denn je.

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