Die christlichen Kirchen in Deutschland verlieren immer mehr Mitglieder. Vor allem wegen der vielen Missbrauchsskandale. Die Kirchenaustritte haben Folgen für die Glaubensgemeinschaften - von geringeren Einnahmen bei der Kirchensteuer bis hin zu verwaisten Kirchenräumen. So hat die evangelische Kirche seit 1990 736 Kirchen aufgegeben, bei den Katholiken waren es allein seit der Jahrtausendwende 500 Kirchenräume.
Der DG Kunstraum, eine traditionsreiche Galerie mit christlichem Hintergrund, widmet sich mit der Ausstellung "Kirche Raum Gegenwart" der Transformation von Kirchenräumen. Es geht um veränderte Nutzungen aller Art: für kulturelle Zwecke, Kindertagesstätten, Jugendzentren und Senioreneinrichtungen, für Wohnen, Sport, Cafés und Gewerberäume. Im Zentrum der Ausstellung stehen vier Projekte in Süddeutschland, die Künstlerinnen oder Architekten zusammen mit einer Bezugsperson vor Ort für vier Kirchengemeinden entwickelt haben.
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Die vielleicht ungewöhnlichste: Die evangelische Lätarekirche in München-Neuperlach. Sie wird zwar bereits vielfach genutzt - vom Winterkino über Konzerte bis zum Mittagstisch für Bedürftige. Doch die Pädagogin Jutta Görlich und der Architekt Peter Haimerl, bekannt für seine ungewöhnlichen Projektlösungen, mussten feststellen, dass das Angebot zu wenig bekannt ist. Nun soll eine große LED-Installation im Stil einer Las-Vegas-Leuchtreklame an einem Turm die Nachbarschaft aus den großen Wohnblocks auf die Kirche aufmerksam machen. Das ist frech, ungewöhnlich und extrem niedrigschwellig.
Das trifft auch auf die Pläne für die Wengenkirche St. Michael in Ulm zu: Das Künstlerduo "Empfangshalle" will ein Laufband im Kirchenraum aufstellen, über dessen Screen man beim Gehen oder Laufen eine digitale Pilgerreise machen kann. So wird etwas für das Seelenheil getan, aber auch für den Körper. Und die dabei erzeugte elektrische Energie ermöglicht zudem ein karitatives Angebot für Bedürftige.
Anderen ging es vor allem darum, den Kirchenraum durch Einbauten flexibler nutzen zu können. Zu den vier Projekten werden Renderings, Texte und Modelle gezeigt. Außerdem werden 14 bereits vorgenommene Transformationen von Kirchenräumen im süddeutschen Raum in der Ausstellung vorgestellt.
Kirche Raum Gegenwart, DG Kunstraum , Finkenstr. 4, bis 16. März
Eine fast sakrale Anmutung hat die audio-visuelle Installation "Reliquien" des libanesischen Künstlers, Musikers und Komponisten Zad Moultaka in der Galerie Tanit. Fasziniert von Höhlenmalereien, ihren Zeichen und Figuren, die Hinweise auf die Lebensweisen der Menschen vor Tausenden von Jahren geben, hat er eine symphonische Dichtung sowie imaginäre Instrumente und Noten entworfen. Die Notationen hängen als großformatige schwarz-weiße Drucke an den Wänden rund um den zentralen Raum, in dem sieben Säulen aufgestellt sind. Darauf Plexiglaskästen, in denen Skulpturen aus Gips mit saitenartigen Fäden, Metallknöpfen und Streben wie Wirbelstücken ruhen, die an Vor-Formen von Instrumenten erinnern und zugleich an Relikte von Urzeit-Tieren.
Jedes Objekt ist von innen heraus beleuchtet, jedes "Instrument" hat seinen eigenen Klang, der aus einer Box dringt. Die Töne erklingen abwechselnd für etwa zehn Sekunden und bilden ein musikalisches Fragment. Mitunter werden zwei oder mehr Fragmente zeitgleich ausgelöst. Erklingen alle sieben Fragmente zusammen, erfüllt eine harmonische Musik den Raum und enthüllt eine Art "rekonstruierte" archäologische Partitur.
Mit dem Seh- und Klangerlebnis will Zad Moultaka an das Gefühl erinnern, das er als Besucher der Chauvet Höhle in Südfrankreich erlebte. Zugleich will er auf Flöten verweisen, von denen die älteste, bis heute bekannte in der Höhle Hohle Fels im baden-württembergischen Alp-Donau-Kreis gefunden wurde. In jedem Fall ist es ein faszinierendes audio-visuelles Raumerlebnis, das der Venedig-Biennale-Teilnehmer in der Galerie Tanit inszeniert hat.
Zad Moultaka: Reliquien, Galerie Tanit , Reisingerstr. 6 Rgb, bis 8. März
Visuell eher laut geht es hingegen in der Galerie Nagel Draxler zu. Die schreiend-bunten Ölgemälde und Mixed Media Arbeiten auf Leinwand und Papier von Franz Ackermann führen "Southbound", so der Titel der Ausstellung, also in den Süden. Genauer jedoch nach Osten, nach Hong Kong. Ackermann, der in München vor allem durch die Gestaltung des U-Bahnhofs Georg-Brauchle-Ring von 2003 bekannt geworden ist, wurde 1963 in Neumarkt-St. Veit geboren. Seit 2001 ist er Professor für Malerei an der Kunstakademie Karlsruhe und lebt dort sowie in Berlin. In den Neunzigerjahren lebte Ackermann jedoch in Hong Kong und entwickelte dort die Serie der "Mental Maps".
Annähernd realistische Architekturansichten, oft basierend auf Fotografien, übermalt Ackermann mit biomorpher Ornamentik. Kartografische Momente und geometrische Konstruktionen mischen sich mit abstrakten, grellen und gebrochenen Farbflächen. Die ursprünglich kleinen Zeichnungen haben sich hier zu größeren Gemälden und großformatigen Installationen ausgewachsen, deren Pop-Ästhetik erfrischend und erheiternd ist.
Franz Ackermann: Southbound, Galerie Nagel Draxler , Türkenstr. 43, verlängert bis 25. März