Süddeutsche Zeitung

Weihnachtsgeschäft:Der Einzelhandel sehnt sich nach Schnee

  • Der Einzelhandel leidet unter dem milden Temperaturen. Bislang haben sich etwa 100 000 Münchner weniger auf den Christkindlmärkten vergnügt als im Vorjahr.
  • Im Schnitt machen die Händler etwa ein Fünftel ihres Jahresumsatzes mit dem Weihnachtsgeschäft, manche Branchen sogar deutlich mehr.
  • Trotzdem rechnet der Einzelhandel noch mit einem kleinen Plus im Vergleich zum Vorjahr von zwei Prozent.

Von Thomas Schmidt

Ein paar Flocken können viel Geld bringen. Es sei erstaunlich, sagt Wolfgang Fischer, "nur einen Tag Schnee, und die Nachfrage im Einzelhandel springt sofort an". Bislang aber sind Flocken in München Mangelware, kaum zu bekommen, bestenfalls als Importprodukt. Und so liegen Wintermäntel, Schneeschuhe, Skier und Puschelmützen in den Regalen der Geschäfte. Textil, Sport und Schuhe - diese Branchen leiden besonders unter dem ausbleibenden Schnee, sagt Fischer. Der Chef von Citypartner, einem Verband von Münchner Innenstadthändlern, ist trotzdem nicht so schlecht gelaunt, wie man vielleicht meinen könnte.

Dem restlichen Handel geht es nämlich nicht schlecht, man könnte sogar sagen: gut. Das dritte Adventswochenende lief aus Händlersicht wie geschmiert, "wenn nur jeder Tag so gut wäre", schwärmt Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern. Fischer und Ohlmann hoffen beide auf einen Endspurt im Weihnachtsgeschäft, das in den ersten Dezemberwochen eher zögerlich gestartet sei.

Dass Heiligabend auf einen Donnerstag fällt, könnte dem Handel helfen

Dass der 24. recht spät in der Weihnachtswoche liegt - Heiligabend fällt auf einen Donnerstag - könne den Händlern helfen. Zudem habe das Geschäft zwischen den Jahren und Anfang Januar immer stärker angezogen, sagt Fischer. Das liege unter anderem daran, dass immer mehr Gutscheine verschenkt würden, die dann erst nach dem Fest eingelöst werden.

Wenn bald schon wieder alles vorbei ist, das Geschenkpapier im Müll gelandet ist, der Baum auf dem Balkon vertrocknet und die Händler Bilanz ziehen, rechnet Ohlmann im Vergleich zum Vorjahr mit einem plus von zwei Prozent für den Münchner Einzelhandel. Ein kleines Plus, aber immerhin. Der Umsatz im Weihnachtsgeschäft liege in München bei rund zwei Milliarden Euro, bayernweit bei etwa 13,4 Milliarden.

Das Geschäft mit den Gaben ist fast schon überlebenswichtig für manche Läden. Im Schnitt werde etwa ein Fünftel des Jahresumsatzes zur Weihnachtszeit gemacht, manche Branchen lägen aber deutlich darüber: Spielwaren, Uhren, Schmuck, Parfüm - es gibt Geschäfte, die machen die Hälfte ihres Umsatzes in der staden Zeit, erklärt Fischer. "Diese Klassiker laufen jetzt aber ganz gut."

Ein spezieller Renner bleibt dieses Jahr aus

Einen speziellen Renner gebe es dieses Jahr hingegen nicht. Kein neues iPhone, das unbedingt unter den Baum muss, kein neuer Harry-Potter-Band, keine Fußball-WM, für die noch ein Flachbildfernseher angeschafft werden müsste. Stattdessen erfährt man im Warenhaus Manufactum, dass Socken voll im Trend lägen. Kein Scherz: Socken.

Neben den Anziehsachen für die Füße verzeichnet - auch dieses Jahr wieder - der Internethandel ein starkes Wachstum. Die Münchner kaufen für 240 Millionen Euro Geschenke online, sagt Ohlmann. Das seien etwa zwölf Prozent mehr als noch im Vorjahr. Ein großer Teil des Kuchens gehe an die bekannten, internationalen Konzerne wie Amazon, Zalando oder Ebay. Aber auch die Geschäftsleute der Münchner Innenstadt seien längst dabei, ihre Netze auszubreiten. Laut Ohlmann betreiben mehr als 80 Prozent eine eigene Homepage, etwa jeder dritte verkaufe auch über das Internet.

Wegen des starken Frankens kommen mehr Gäste aus der Schweiz

Unterm Strich sind die beiden Einzelhandelsexperten zwar nicht euphorisch über das diesjährige Geschäft, jammern wollen sie aber auch nicht. "Die Stimmung ist hoffnungsvoll", sagt Fischer. "Es kommen viele Gäste aus Italien und Österreich. Bei nicht wenigen von ihnen ist es fast schon ein Ritual, zum Advent nach München zu fahren, um hier einzukaufen." Zudem würden immer mehr Schweizer ihr Geld lieber hier ausgeben als in ihrer Heimat, dem starken Franken sei Dank. "Es geht zwar nicht ab wie eine Rakete", sagt Ohlmann, "wir sind aber zufrieden."

Wirklich glücklich wären die Geschäftsinhaber aber wohl erst, wenn der Winter doch noch käme. "Dieses Wetter ist einzelhandelsfeindlich", sagt Ohlmann. "Da geht man ja fast lieber in den Biergarten als auf den Weihnachtsmarkt." Tatsächlich haben sich laut Halbzeitbilanz der Stadt bislang rund 100 000 Menschen weniger auf dem Münchner Christkindlmarkt vergnügt als noch im Vorjahr. Sinkende Temperaturen bedeuten steigende Kauflust, sagt Ohlmann, "das ist einfach so".

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SZ vom 14.12.2015/lka
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