Deutschsprachige Band Frei.Wild:"Für die Rechten müssten wir eigentlich Verräter sein"
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Frei.Wild aus Südtirol zählen zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Bands: In den Albumcharts belegen sie Platz zwei, ihre Konzerte sind oft ausverkauft. Trotzdem kämpft die Band mit einem Imageproblem: Ein NPD-Funktionär macht Werbung für ihr Album, in ihren Texten singen sie von Stolz und Heimatliebe. Die Nähe zu den Rechten wirkt nicht immer unfreiwillig. Ein Konzertbesuch.
Antonie Rietzschel
"Wenn Goebbels das Internet gehabt hätte, hätte Deutschland den Krieg gewonnen." Die Wangen von Sandra Eichner färben sich zartrosa, sie lacht gequält. Den dürfe man nicht so ernst nehmen, sagt sie mit Seitenblick auf den Mann neben ihr, der ihr gerade scherzhaft diesen Spruch zugeraunt hat. Sie stellt ihn als Beleuchter der Band Frei.Wild vor.
Eichner macht seit vier Jahren die Pressearbeit für Frei.Wild, die an diesem Samstagabend in München spielen. Kein leichter Job, vor allem nicht in den vergangen Wochen. In den Medien fielen in Verbindung mit der Band immer wieder die Worte "rechtsextrem" und "Neonazis". Beim Konzert in Dortmund war sogar der Verfassungsschutz da. Witze über Goebbels kann die Münchnerin da gerade gar nicht gebrauchen.
Frei.Wild belegen in den deutschen Albumcharts derzeit Platz zwei. Die Konzerte in Deutschland Österreich und der Schweiz sind größtenteils ausverkauft, manchmal spielen sie vor 12.000 Fans. Immer wieder distanziert sich die Band öffentlich von rechtsextremem Gedankengut, dennoch bezeichnete sie der Journalist Thomas Kuban Ende Oktober, kurz vor der Deutschlandtour, in einer Jauch-Sendung als "neues Phänomen des Rechtsrocks". Die Band nannte ihn daraufhin einen Moralapostel und Gutmenschen - und erklärte, Kuban sei gar kein Journalist.
Ursprünglich stammen Frei.Wild, die ihre Lieder auf Deutsch singen, aus Brixen in Süd-Tirol. Dass Sänger Philipp Burger in seiner Jugend rechtsextrem war und in der Skinhead-Band Kaiserjäger spielte, ist schon lange bekannt. Auch, dass er sich in der Partei Die Freiheitlichen, einer Art Südtiroler Schwesterpartei der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), engagiert hat.
Die Münchner Konzerthalle Zenith mit Platz für ungefähr 6000 Fans ist ausverkauft. Bereits Stunden vor dem Konzert stehen die Fans draußen Schlange und grölen die Lieder der Band - Textstellen von "Wir reiten in den Untergang" vermischen sich mit "Feinde deiner Feinde" zu einem Gesangsbrei. Eine Gruppe schwenkt die Südtiroler Fahne. Auf den ersten Blick sind es vor allem Jungs im Teenageralter, die sich zwischen den Gittern drängen. Der durchschnittliche Frei.Wild-Fan ist laut Sandra Eichner zwischen 16 und 19 Jahren alt, der weibliche Anteil sei mit 35 Prozent höher als bei anderen Rockbands - eine Entwicklung der vergangenen Jahre. "Frei.Wild ist immer mehr zum Mainstream geworden", sagt die Pressesprecherin.
"Da kann ich dir ja gleich sagen, wie das hier ausgeht"
Es ist das zweite Mal, dass Frei.Wild in München auftreten. Ihr Konzert 2010 im Backstage sorgte für eine Kontroverse und war sogar Thema im Stadtrat. Lydia Dietrich, Grünen-Fraktionschefin im Münchner Rathaus, kritisierte damals vor allem den Auftrittstermin der Band - am selben Tag waren Neonazis durch die Stadt gezogen.
In diesem Jahr bleibt es bei einem Hinweis auf der Internetseite des Antifaschistischen Dokumentations-und Informationsarchiv Aida. Dietrich hat erst vor ein paar Tagen von dem Auftritt erfahren. "Ich würde mir von den Veranstaltern mehr Sensibilität erhoffen", sagt sie. Sie räumt aber auch ein, dass sich einiges in den vergangenen Jahren getan hat. Das findet auch Marcus Buschmüller von der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus: "In München haben wir eine recht gute Situation - es gibt selten große Konzerte mit wirklich rechten Bands, nur in kleineren Clubs gibt es hin und wieder Veranstaltungen, die sich in der Grauzone bewegen." Dass die Betreiber des Zeniths Frei.Wild auftreten lassen, sei womöglich damit zu erklären, dass das Geschäft vorgehe.
Während vor der Tür noch die Fans warten, sitzen Frei.Wild entspannt in einem schummrig beleuchteten Raum. Es gibt Bier. Als das Gespräch um die Berichterstattung kreist, erhebt der Sänger seine tiefe, raue Stimme: "Da kann ich dir ja gleich sagen, wie das hier ausgeht", sagt er trotzig und wird belehrend: Ein Journalist sei der Wahrheitsfindung verpflichtet und sollte nicht versuchen einer Band "auf Biegen und Brechen den Garaus zu machen". Die anderen Bandmitglieder sind jetzt still, lassen ihren Sänger reden.
Die Diskussion um die Begriffe "Heimat" und "Patriotismus" in ihren Liedern kann die Band nicht verstehen: "Wir kommen aus Südtirol, da bedeutet das etwas Positives - weit weg von irgendwelchen stumpfen Parolen." Dass sie in Deutschland damit anecken würden, hätten sie nicht gedacht, sagt Burger. Er sei davon überzeugt, dass die deutschen Fans genau unterscheiden können, dass es sich in ihren Liedern bei "Heimat" um Südtirol handelt.
Sie würden sich auch immer gegen rechts positionieren. Tatsächlich distanzieren sich Frei.Wild in ihren Songtexten und Stellungnahmen von neonazistischem Gedankengut. Gemeinsam mit den Fans haben sie die Aktion "Flagge zeigen gegen Extremismus" gestartet und die Türsteher angewiesen, Konzertbesucher, die rechte Symboliken tragen, nach Hause zu schicken. Auch in München gibt es eine lange Liste mit Abzeichen, die tabu sein sollen. Auf der Liste stehen zwar Begriffe wie "Schwarze Sonne" - allerdings fehlt eine Beschreibung der Symbole. Die Bilanz der Security-Leute in München: Keiner wird weggeschickt.
"Für die Rechten müssten wir eigentlich eine Verräter-Band sein", sagt Burger. Die Realität sieht anders aus: Auf seiner eigenen Internet-Präsenz bewirbt der NPD-Funktionär Patrick Schröders das neue Album von Frei.Wild "Feinde deiner Feinde". "Die sind zu 80 Prozent bei uns", sagt er. Darauf angesprochen, sagt Burger: "Da schäme ich mich, dass die unseren Namen in den Mund nehmen." Als Band könne man jedoch nur wenig gegen diese Art der Instrumentalisierung tun.
Als Frei.Wild schließlich auf die Bühne gehen, ist das Publikum bereits abgekämpft von der Vorband Gonzo. Frontmann ist der Ex-Gitarrist der Böhsen Onkelz, Matt Roehr. Doch als nach den ersten ruhigen Zeilen von "Wir reiten in den Untergang" die Gitarren losbrechen, sammeln die Fans alle ihre Kräfte. Bierbecher werden in die Höhe gereckt, halbnackte Jungs schubsen sich hin und her. Aber was viel wichtiger ist: Alle grölen mit. Philipp Burger ist oft weniger Sänger als Stichwortgeber für das Publikum. Darin liegt unter anderem auch der Erfolg der Band: Die Melodien sind beliebig, setzen sich aber fest, die Texte sind so einfach, dass man sie wie beim Aprés-Ski auch noch nach ein paar Bier mitsingen kann: "So so so so, so fing alles an."
Meist geht es um dasselbe: Zusammenhalt, Stolz, Aufmüpfigkeit, Liebe - Themen eines jeden Jugendlichen. Die Texte werden mal laut herausgebrüllt, mal Feuerzeuge schwenkend gesungen - und lassen durchaus Interpretationsspielraum offen. So singen die Südtiroler: "Das ist das Land der Vollidioten, die denken, Heimatliebe ist gleich Staatsverrat."
Zuvor haben sie noch an die Fans appelliert, Flagge gegen Extremismus zu zeigen und "Nazis raus" gerufen. Als Burger "Südtirol" anstimmt, ist seine Stimme fast nicht mehr zu hören, so laut tönt es: "Ja unser Heimatland, es ist so wunderschön, das kann man ja an unseren Bergen sehn, sie ragen stolz zum Himmel hinauf, schon unsre Ahnen waren mächtig stolz darauf."
Uniform in Frei.Wild-Kollektion
Die Fans finden nichts bei diesen Zeilen. Unter ihnen ist Martin aus Regensburg, er sagt: "Nationalismus darf man nicht mit Rechtsradikalismus gleichsetzen." Er sei auch stolz auf die Heimat. "Wenn Frei.Wild eine Neonaziband wäre, dann müssten hier alle mit Glatze, weißen Schnürsenkeln und Hitlergruß rumlaufen", sagt der 22-Jährige. Was natürlich keiner tut - aber dieses Bild von Rechtsextremen ist mittlerweile ohnehin überholt.
Besonders die jüngeren Fans sind uniform in die Frei.Wild-Kollektion gehüllt: Auf der Brust oder dem Rücken prangen die provokanten Sprüche der Band: "Halt die Schnauze" oder "Öffne ihnen die Augen". Manche tragen auch Shirts von den Böhsen Onkelz, Frei.Wild werden immer wieder als deren Erben bezeichnet.
Vereinzelt sieht man allerdings auch Pullover mit "München"-Aufschrift in Fraktur oder Runenaufdrucke. An silbernen Kettchen baumelt das Eiserne Kreuz oder der Thors-Hammer, Symbole, die gelegentlich in Neonazikreisen gebraucht werden. Vereinzelte Fans tragen aber auch T-Shirts mit der Aufschrift "Gegen Nazis", einer von ihnen scheint nicht so glücklich darüber zu sein: "Die Journalisten sind daran schuld, dass wir diese scheiß T-Shirts tragen müssen", sagt er.
Der 17-Jährige Robinson ist einer der wenigen Fans, der einen Pullover ohne Aufdruck trägt. Er hat es noch nicht geschafft, sich einen zukaufen. Der Realschüler erzählt, dass er bis vor einigen Jahren Neonazi war. "Ich habe damals Landser gehört", sagt er. Doch genau wie der Sänger von Frei.Wild habe er sich davon losgesagt: "Sie haben den Übergang bereitet und mir geholfen die Scheiße zu verarbeiten, die ich damals gebaut habe", sagt er. Er sei trotzdem noch stolz auf die Heimat. Robinson meint damit nicht Südtirol. Er meint Deutschland.