Deutschland als neue Heimat für Flüchtlinge:Gekommen, um zu bleiben

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13 Jahre war Abdul Ibrahim auf der Flucht, nun soll München seine neue Heimat werden. Der Eritreer ist einer von 300 Flüchtlingen, die Deutschland in diesem Jahr aufgenommen hat, damit sie hier ein neues Leben beginnen können.

Beate Wild

Ibrahim aus Eritrea: Vor wenigen Wochen ist er als Flüchtling nach München gekommen.

Ibrahim aus Eritrea: Vor wenigen Wochen ist er als Flüchtling nach München gekommen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Als im Februar 2011 der Krieg kommt, muss Abdul Ibrahim flüchten. Schon wieder flüchten. Ibrahims Hautfarbe ist dunkel, daher ist der Eritreer im libyschen Bürgerkrieg in Gefahr. Schwarze sind dort nicht sicher, die Rebellen halten sie für Söldner des Diktators Muammar al-Gaddafi. Ibrahim schafft es ins Zeltlager Shousha, ein Flüchtlingscamp in Tunesiens Wüste. Dieser Ort stellt auf seiner langen Flucht den Tiefpunkt dar.

In dem Camp sind die Zustände katastrophal. Mehr als 4000 Flüchtlinge sind dort, 30 verschiedene Volksgruppen leben zusammen. Es gibt Gewalt und viele Probleme, zum Beispiel bei der Essensverteilung, bei der das Brot nicht ausgegeben, sondern von einem Lastwagen in die Menge geworfen wird, gerade so, als würden Tiere gefüttert. Im Mai 2011 brennt das Zelt einer Flüchtlingsgruppe ab, sechs Menschen sterben. Ibrahim fürchtet um sein Leben.

Seit wenigen Wochen ist dieser Albtraum für Ibrahim zu Ende. Am 3. September ist der 33-Jährige mit dem sogenannten Resettlement-Programm der Vereinten Nationen (UN) nach München gekommen. Im Dezember 2011 beschlossen die Innenminister von Bund und Ländern den Einstieg in ein kontinuierliches Flüchtlingsaufnahme-Programm. Pro Jahr sollen nun 300 Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden. Ibrahim ist einer der ersten 21 Flüchtlinge, die im September und Oktober in München angekommen sind, ihrer neuen Heimat.

Bei einem Treffen im Büro des Münchner Flüchtlingsrates in der Goethestraße sitzt der Eritreer etwas zusammengesunken auf einem Sofa. Er trägt einen Kapuzenpulli und ein warmes Halstuch. Mit großen Augen blickt er schüchtern um sich. Ab und zu lächelt er zaghaft. Wenn er sich unterhalten möchte, ist er auf seinen Bruder angewiesen. Der lebt bereits seit einigen Jahren in München und spricht inzwischen sehr gut Deutsch. In ein paar Wochen macht er die Abschlussprüfung zum Altenpfleger, dann will er eine Stelle finden. Er hat das geschafft, was Ibrahim noch vor sich hat: sich in der neuen Heimat zu integrieren, die Sprache zu lernen, eine Arbeit zu suchen.

Und so übersetzt der Bruder Ibrahims Lebensgeschichte: Seit 1999 ist er auf der Flucht. Er ist in Äthiopien aufgewachsen, wo seine Familie im Exil lebte. Als er mit 20 Jahren nach Eritrea abgeschoben werden und dort Kriegsdienst leisten soll, flieht Ibrahim in den Sudan. Eritrea gilt als eines der repressivsten Länder der Erde. Vor dem Terrorregime flüchten die Menschen in Scharen. Alleine im Jahr 2009 stellten laut Pro Asyl 43 000 eritreische Staatsangehörige weltweit Anträge auf Asyl. 5000 von ihnen erreichten Europa. Nach Zimbabwe und Myanmar steht Eritrea an dritter Stelle der Länder, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen.

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