Musical:Dr. Jekyll, Mr. Hyde und ein anderer Herr

Musical: Reduktion vor schlichtem Bühnenbild: Fabio Diso und Miriam Neumaier in "Jekyll & Hyde".

Reduktion vor schlichtem Bühnenbild: Fabio Diso und Miriam Neumaier in "Jekyll & Hyde".

(Foto: Rolf Ruppenthal)

Bei der Premiere des Erfolgs-Musicals im Deutschen Theater hat noch ein dritter Mann seinen ersten großen Auftritt: Thomas Linsmayer, der neue Intendant. Doch die Show überlässt er dem wahren Star des Abends: Miriam Neumaier.

Von Michelle Rigohrt

Es ist der Abend der Doppelpremiere. Nicht nur ist am Donnerstag das Musical "Jekyll und Hyde" das erste Mal auf der Bühne des Deutschen Theaters zu sehen, sondern es ist auch das erste Mal, das Thomas Linsmayer öffentlich als Interims-Intendant des Hauses auftritt. Bereits vor der Aufführung mischt er sich unter die Besucher im Foyer, begrüßt sie und nimmt sich Zeit für das eine oder andere Gespräch. "Turbulent" seien die vergangenen Tage gewesen, sagt er, er habe große Freude an der Herausforderung. Die Inszenierung verfolgt er dann als Zuschauer im Saal, Reihe sieben, bescheiden am linken Rand. Kurz vor Schluss verschwindet er, um ein paar Minuten später dem Ensemble auf der Bühne zu gratulieren und Blumen zu überreichen.

Linsmayer stellte sich selbst nicht ins Spotlicht, das überließ er dem Ensemble des neuen Stücks. Von der Ursprungsgeschichte, die längst zum Kanon der Weltliteratur gehört, Robert Louis Stevensons "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde", bleibt in der Musicaladaption nicht viel übrig. Wenig bleibt, von der Geschichte des Arztes, der durch ein Experiment das Gute vom Bösen in der menschlichen Seele trennen will, um dadurch seinen Vater zu heilen. Auch der Kontrollverlust, ausgedrückt im Kampf zwischen Jekyll und seinem bösen Alter Ego Edward Hyde - gespielt von Fabio Diso, der als nicht ganz so gruseliges Monster erscheint - ist reduziert auf einen einzigen Song. Vielmehr entwickelt sich die Geschichte, nachdem sich Jekyll die selbst gemischte Droge gespritzt hat, zu einer Dreiecksbeziehung zwischen ihm, seiner Verlobten Lisa (Milica Jovanovic) und der Prostituierten Lucy. Letztere wird gespielt von Miriam Neumaier, die am Deutschen Theater zuletzt als Uschi im "Schuh des Manitu" zu sehen war. Neumaier entwickelt sich an diesem Abend schnell zum Publikumsliebling, was nicht nur an der Frivolität ("Kommt herein, mein Tor ist nicht zu klein") und gleichzeitigen Zerbrechlichkeit ihres Bühnencharakters liegt. Auch mit ihrer schauspielerischen und stimmlichen Leistung überstrahlt sie den Rest des Ensembles.

Das Stück ist die Adaption des englischen Originals von Frank Wildhorn und Leslie Bricusse aus den Neunzigerjahren. Während die Broadway-Version etwa drei Stunden dauert, hat Regisseur Andreas Gergen die Münchner Inszenierung auf knapp zwei Stunden zusammengekürzt, Dialoge gibt es nicht, es reiht sich Song an Song, insgesamt wirkt der Abend dadurch hektisch. Alles ereignet sich vor einfach gehaltenem Bühnenbild. Ein paar Hocker stehen links und rechts. Auf denen schlüpfen die Schauspieler und Schauspielerinnen zwischen den Szenen je nach Rolle entweder in ihre fast ausschließlich schwarzen Anzüge und Mäntel, oder sie ziehen sich dort aus - bis auf die Nylonstrumpfhosen und transparenten Netzoberteile. Ausnahme ist auch hier die Prostituierte Lucy, die schon optisch mit ihrem roten Ledermantel aus der Masse heraussticht.

Für Atmosphäre soll eine raumfüllende LED-Wand sorgen, auf der verschiedene Hintergründe eingespielt werden. Dabei erinnern die Visuals ein wenig an alte Windows-98-Bildschirmschoner mit simplen Dreh- und Wirbeleffekten. Als es zum Liebesduett zwischen Jekyll und Lisa kommt, taucht auf dem Schirm plötzlich wogendes Meer auf, und gelegentlich schwebt ein ins Bild geschnittener Mond durch die Szenerie.

Beim Premierenpublikum kommt die Inszenierung gut an, kaum erscheint auf dem LED-Bildschirm "The End" erhebt sich die Menge geschlossen zu Standing Ovations. Und auch Neu-Intendant Linsmayer ist am Ende des Abends zufrieden, läuft noch einmal gut gelaunt durchs Foyer. "Ich bin sehr glücklich darüber, wie nett mich das Team des Deutschen Theaters hier aufgenommen hat", sagt er. Er freue sich auf die nächsten Produktionen und sei "happy", dass das Theater trotz Omikron weiterhin Musicals auf die Bühne bringen könne.

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