Saison-Präsentation am Deutschen Theater München:Dunkle Wolken über dem Palast des Lächelns

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Jetzt hilft nur noch beten – und ein zugkräftiges Programm mit „Blockbuster“-Musicals wie „Sister Act“. (Foto: Marc Senior)

Auch das größte Theater der Stadt München soll sparen. Das Musical-Haus will sich mit Blockbuster-Gastspielen wie „Sister Act“, „Grease“, „Elisabeth“ oder „Cats“ retten.

Von Michael Zirnstein

Ausnahmsweise ist den Menschen im Deutschen Theater einmal nicht zum Feiern zumute. Auch über dem „Palast des Lächelns“ ziehen dunkle Wolken auf – die Androhung der Stadt, an der Kultur zu sparen. Eigentlich steckte das größte städtische Theater derlei in der Regel gut weg: durch hohe Auslastung und verkraftbare Kosten (kein eigenes Ensemble), am geringen öffentlichen Zuschuss von unter zwei Millionen Euro war ohnehin kaum etwas wegzusparen.

„Wir wollen nicht jammern“, sagte Intendant Thomas Linsmayer bei der Präsentation der kommenden Saison, „aber wenn die Stadt München so weiter plant, wie es 2025 derzeit aussieht, wird es gefährlich für viele kulturelle Einrichtungen. Für unsere auch.“

Für solch eine Presse-Runde ein bisher einmalige Ereignis: Der Direktor des Hauses hatte seine kaufmännische Leiterin mit aufs Podium gebeten. Michela Gess lieferte zwar keine buchhalterischen Zahlen – momentan sei alles, wie in eine „Glaskugel“ zu schauen. Sie erläuterte aber die Gemengelage: Corona habe die Rücklagen angegriffen, man kämpfe im laufenden Jahr mit einer Teuerungsrate von 20 Prozent bei den Ausgaben, auch die privatwirtschaftlichen Produktionspartner würden ihre Kostensteigerungen ans Theater weitergeben. „Wir bräuchten eigentlich eine Zuschusserhöhung“, sagt Gess, die derzeit zu verhandelnden Einsparungen hingegen würden das Deutsche Theater „mit voller Härte“ treffen.

Ein unliebsames Mittel dagegen: „moderate Preisanpassungen in einzelnen Kategorien“, nicht allerdings bei den sozialeren Tickets. Das wohl effektivere Mittel: „Wir halten mit einem tollen Programm mit hoher Auslastung dagegen“, verkündete Linsmayer. Rechtzeitig nach der Pandemie-Flaute bieten die Musical-Produktionsfirmen jede Menge „Blockbuster“, die jeweils für zwei oder ein paar mehr Wochen in schneller Abfolge viel Publikum anlocken sollen.

Publikumsgarant: Das Musical „Elisabeth“ kommt ans Deutsche Theater zurück. (Foto: Katharina Schiffl/SHOW FACTORY Entertainment/Ka)
Der Renner vom Londoner West End, „The Choir of Men“, muss in Deutschland erst das Publikum erobern. (Foto: The Other Richard)

Mit der Neuproduktion vom Nonnen-Krimi „Sister Act“ (an dem Whoopi Goldberg selbst beratend tätig war) geht es am 9. Oktober los. Es kommen Dauerbrenner wie „Grease“ über Weihnachten (11. Dezember bis 5. Januar), „Elisabeth“ (7. Januar bis 2. Februar), die „Rocky Horror Show“ (25. März bis 13. April), „Die Schöne und das Biest“ (13. bis 25. Mai), der große „Männer singen im Pub Pop-Schlager“-Erfolg vom Londoner Westend „The Choir of Men“ (19.-23. März), und bisher nicht mal im Vorverkauf: „Cats“ (11. bis 22. Juni). Dass das Konzept aufgeht, sieht man am Abba-Klassiker „Mama Mia!“ (6. bis 24. November), für den gibt’s nur noch Restkarten.

Mireille Mathieu gastiert auf ihrer Abschiedstournee einmal wieder im Deutschen Theater. (Foto: SAMSON THOMAS/GAMMA)

Solche Blockbuster-Musicals funktionieren wie Popstars – man sieht die alten Helden immer wieder gerne (in dem Zusammenhang: Das Deutsche Theater hat auch Mireille Mathieu, 3. November, und Umberto Tozzi, 20. Januar, auf ihren Abschiedstourneen zu Gast). Das kann einem künstlerisch ambitionierten Intendanten allein aber nicht ausreichen. Und so versucht man es mit einem Testballon aus dem hierzulande noch unterbesetzten Genre „Commercial Play“, also aufwendig gemachtem Show-Theater (wie „Harry Potter“ in Hamburg).

Für Menschen, die singende Darsteller eher abschrecken, gibt es eine moderne Fassung von „Mord im Orientexpress“ (22. April bis 4. Mai). Und man setzt weiter eigene Akzente, gerade im Tanz: Die Kamea Dance Kompanie, die wichtigste Tanztruppe Israels aus Münchens Partnerstadt Be’er Sheva, bringt ihre Stücke zu sehr deutschen Stoffen „Carmina Burana“ (29. und 30. Oktober) und „Matthäus Passion 2727“ (1. und 2. November) mit Unterstützung des Kulturreferates und des bayerischen Kunstministeriums ins Deutsche Theater. Und man setzt die erfolgreich gestartete Partnerschaft mit Enrique Gasa Valga und seiner Limonada Dance Company aus Innsbruck fort. Eigens für München entwickelt haben sie Stücke zum kubanischen Tropicana-Star Bebo Valdes (mit dessen Enkel Cucurucho am Klavier, 11. bis 13. Februar) und zu Romy Schneider (28. Mai bis 8. Juni) – Ausgang dafür war ein Foto der Schauspielerin als Gast im Deutschen Theater.

Solche Glanzlichter sollen hier weiterstrahlen, auch im kleinen Silbersaal. In dem wird es wieder Klassiksalons geben, Revuen, eine Weltmusikreihe und Kabarett. Selbst wenn die Lach- und Schießgesellschaft aus ihrer zwischenzeitlichen Notunterkunft hier von 11. November an wieder ins Stammhaus umgezogen sein wird, werden Ensemblemitglieder kommende Saison noch zwölf Kabarettabende an der Schwanthalerstraße geben. Das versprach deren neuer künstlerischer Leiter André Hartmann, der am 22. Oktober mit dem Solo „Der Neue“ den Anfang macht.

Und da, wo viele den Rotstift anlegen würden, legt Thomas Linsmayer zu: in der Ball-Saison, die ihm sehr am Herzen liegt. Dafür hat er zusammen mit einem großen Organisationskomitee wieder eine Gala erfunden: den „Roses & Love Ball“, für ihn ein „überfälliger queerer Ball für München“ (14. Februar). Da wird wieder wild und groß gefeiert.

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