Deutsches Theater:Die Schönheitsfehler einer alten Dame

Abgesehen von den üblichen Abnutzungserscheinungen sieht die Technische Theaterleitung keinen Grund für eine Generalsanierung - im Gegensatz zum Baureferat.

Rebecca Müller

Konrad Hoffmann versteht die Welt nicht mehr. Seit über zwanzig Jahren hegt und pflegt der stellvertretende Technische Leiter des Deutschen Theaters das Haus von oben bis unten. Jede Ecke, jede Schraube kennt er, "wie ein eigenes Kind".

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Abgenutzt oder sanierungsbedürftig? Klicken Sie auf das Foto, um sich in der Bildergalerie die beanstandeten Mängel anzusehen.

Abgesehen von den üblichen altersbedingten Mangelerscheinungen und Abnutzungen durch rund 350.000 Zuschauer pro Jahr zeigt sich die Technische Theaterleitung weitgehend zufrieden. "Eins ist für uns klar: Eine Generalsanierung ist nicht erforderlich", wird Hoffmann nicht müde zu betonen.

Ist das Rathaus noch zu retten?

Diese Maßnahme jedoch empfiehlt das Baureferat. Die Theater-Betriebs GmbH kann das nicht nachvollziehen. "Viele der beanstandeten bautechnischen Probleme weisen auch zahlreiche andere alte Münchener Gebäude auf - doch niemand stellt es zur Debatte, ob beispielsweise das Rathaus noch zu retten ist", so der Pressesprecher Carsten Gerhard.

Seit 1896 tun die Theater-Grundmauern schon ihren Dienst. Die Risse im Putz, auf die die Behörden aufmerksam geworden sind, waren der Technischen Leitung schon seit der großen Sanierung vor zwanzig Jahren bekannt und "für niemanden eine Überraschung".

Seit zwei Monaten werden sie nun genauer unter die Lupe genommen: Feine Glasplättchen, die mit Gips direkt auf den kritischen Stellen angebracht wurden, sollen Aufschluss darüber geben, ob sich das Mauerwerk bewegt. Springt das Glas, muss die Stelle weiter untersucht werden.

"Da regt sich nichts"

"Ich kenne die Wände, da regt sich nichts", kann Hoffmann nur immer wieder sagen. Bei einem Rundgang vom Schnürboden-Keller, über die neue Hubanlage für Bühnenpodeste, bis hinauf zur Lüftungsanlage auf dem Dach zeigt er mit unterdrückter Verzweiflung auf jeden Riss, jedes Loch, um gleich danach zu erklären, was es damit auf sich hat und wie ungefährlich diese Stellen seit Jahren offenbar sind.

Selbst der einzige wirkliche Mauerriss, der sich in der 108-jährigen Brandmauer zum Zuschauerraum befindet, beunruhigt ihn nicht. Immerhin bestehe dieser seit nunmehr 50 Jahren als Folge eines Bombenschadens und habe die Mauer in ihrer Standhaftigkeit bis heute nicht beeinträchtigt.

Der Theater-Betrieb beruft sich auf die baurechtlichen Bestandsschutz-Kriterien aus den siebziger Jahren, die das Gebäude nach der damaligen Sanierung erfüllt.

Ein bisschen angebohrt

Geht es nach der Lokalbaukommission, die den Bauzustand in regelmäßigem Abstand prüft, würden derzeit sicherheitstechnische Sofortmaßnahmen wie höhere Absturzsicherungen an den Treppen oder der Einbau einer weiteren Sprinkleranlage in Höhe von drei Millionen Euro ausreichen. Das Baureferat der Stadt jedoch fordert eine Generalsanierung, die mehr als 100 Millionen Euro mehr kosten würde.

Ein Kompromiss scheint derzeit nicht möglich: Die Stadt sieht in den Sanierungsplänen, für die diese als Vermieterin aufkommen müsste, ein Fass ohne Boden. "Sie scheint geradezu nach Mängeln zu suchen, um den Betrieb ganz zu schließen", so die Befürchtung des Theaterpersonals.

Man könnte den Eindruck erhalten, dass das Gebäude von Seiten der Vermieterin allmählich dem Verfall preisgegeben werden soll. So wurde die Verkleidung eines Stahlträgers beispielsweise, nachdem man ihn testweise angebohrt hatte, nicht mehr verputzt. "Da frisst jetzt allmählich der Rost", so Hoffmann.

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