Süddeutsche Zeitung

Explosion der Sanierungskosten:Die Wiedereröffnung des Deutschen Museums steht auf der Kippe

  • Die Sanierung des Deutschen Museums ist eines der größten Bauprojekte in München.
  • 450 Millionen Euro sollte sie kosten, aus diversen Gründen werden es nun wohl mindestens 600 Millionen Euro.
  • Der Freistaat Bayern verhandelt mit der Bundesregierung über die Finanzierung. Das Museum ist jedoch rechtlich eigenständig und die Sanierung deshalb keine staatliche Aufgabe.

Von Martina Scherf

Das Jahrhundertprojekt Sanierung des Deutschen Museums steht auf der Kippe. Wenn Bund und Land nicht erheblich mehr Geld investieren, dann wird aus der Geburtstagsfeier eines der größten Technikmuseen der Welt wohl eher eine Trauerveranstaltung werden. 2025 wird das denkmalgeschützte Ensemble auf der Museumsinsel 100 Jahre alt. Doch es könnte auch als Planungsdesaster in die Geschichte eingehen. Denn die Finanzierung ist aus dem Ruder gelaufen. Und entgegen aller öffentlicher Beteuerungen ist auch der Wiedereröffnungstermin gefährdet.

Noch vor wenigen Tagen machte sich Bayerns neuer Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) selbst ein Bild von der "Baustelle der Superlative". Generaldirektor Wolfgang Heckl und Dieter Lang, der den Umbau des Museums verantwortet, führten Sibler durchs Museum, das in Teilen einem Rohbau gleicht. Während vorne der Besucherbetrieb weiter läuft, sind im hinteren Bereich bis zu 400 Arbeiter gleichzeitig tätig. Auf etwa 35 000 Quadratmetern blieb kaum ein Stein auf dem anderen.

Bei der Besichtigung mit dabei war Finanzminister Albert Füracker (CSU) - und der dürfte wohl nicht nur der Erfolgsstory gelauscht, sondern vor allem die Millionen gesehen haben, die sich im Kostenplan auftürmen. Um ein Drittel, nämlich um 150 Millionen Euro, teurer als geplant wird nach derzeitiger Schätzung die Sanierung, wie am Mittwoch bekannt wurde. Sie dürfte statt der eingeplanten 450 Millionen Euro etwa 600 Millionen kosten. Und das ist wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange, vermuten Insider.

Aus dem dritten Quartalsbericht, den die externen Controller dem Wissenschaftsminister im Oktober 2018 vorlegten, geht die Dramatik der Entwicklung hervor. So bewilligte das Ministerium bereits Ende 2017, dass Geld, das eigentlich für den zweiten Bauabschnitt vorgesehen war, bereits jetzt verplant wird. So ging es im Jahr 2018 weiter, damit das Museum überhaupt "handlungsfähig" war. Mittlerweile seien zudem alle Risikopuffer aufgebraucht. Die Planung für Abschnitt zwei müsse jetzt überarbeitet werden, heißt es in dem Bericht, der der SZ vorliegt. Eine genaue Kalkulation sei deshalb zurzeit nicht möglich. Aber eine Budgetüberschreitung sei "unausweichlich". Und: "Es besteht dringender Handlungsbedarf."

Drei Szenarien hat die Museumsleitung demnach formuliert. Entweder man bleibt beim ursprünglichen Plan, und der Staat gibt die notwendigen zusätzlichen Mittel frei. Oder man baut, bis das Geld ausgeht, und nimmt in Kauf, dass das Museum am Ende halbfertig dasteht. Oder aber man begnügt sich damit, im Abschnitt zwei nur die dringend notwendigen technischen Maßnahmen zu realisieren. Die Varianten zwei und drei würden aber bedeuten: Die Hälfte des Museums dürfte nicht mehr betreten werden, solange der Brandschutz nicht auf dem neuesten Stand ist. Und das ist bei einem Gebäude dieses Alters und Ausmaßes eine teure Maßnahme.

Der Ball liegt jetzt beim Wissenschaftsminister oder womöglich beim Ministerpräsidenten - sie müssen entscheiden, wie viel das Projekt dem Freistaat wert ist. Markus Söder hatte durchgesetzt, dass das Deutsche Museum während seiner heiklen Sanierungsphase auch noch eine Dependance in seiner Heimatstadt Nürnberg stemmen muss.

Da könne er das Stammhaus wohl kaum im Stich lassen, heißt es in München. "Das Wissenschaftsministerium hat ein sehr großes Interesse, das Deutsche Museum bei seinen Sanierungsmaßnahmen zu unterstützen", lässt Minister Sibler mitteilen. "Das hervorragend evaluierte Museum genießt als Forschungsmuseum weit über den Freistaat hinaus große Sichtbarkeit und weist die höchsten Besucherzahlen auf." Er verhandle mit dem Bund über die weitere Finanzierung. Allerdings betont der Minister, das Museum sei rechtlich eigenständig, die Sanierung sei keine staatliche Baumaßnahme, die Verantwortung dafür liege beim Museum.

Gründe für die Kostenexplosion gibt es viele. Alle Bauherren wissen, dass die Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes Risiken beinhaltet, wie der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper (CSU) sagt, der selbst Architekt ist. Doch diese Baustelle ist in ihrer Komplexität einzigartig. Denn seit dem Zweiten Weltkrieg sind die denkmalgeschützten Gebäude kaum je ertüchtigt worden. Mit Überraschungen jeder Art war also zu rechnen. Dennoch ging Dieter Lang von der Museumsleitung lange davon aus, dass die eingeplanten Puffer reichen würden.

Doch dann traten eben doch kleinere oder größere Katastrophen auf: Asbest in den Wänden, maroder Stahl im Beton - obwohl man zuvor mehr als 1000 Probebohrungen gemacht hatte. Immer wieder bereiten den Planern auch Änderungen im Baurecht Ärger: "Allein die Änderung einer DIN-Norm kann uns ein paar Millionen kosten", sagte Lang bei einem Baustellenrundgang im vorigen Jahr. Und jedes Mal hängt ein Bataillon von Handwerkern von einer solchen Entscheidung ab. Überhaupt Handwerker zu finden, sei schwer geworden wie nie, sagt Lang. "Auf unsere Ausschreibungen meldet sich manchmal überhaupt keiner mehr." Oder es kämen exorbitant teure Angebote. Insgesamt seien die Baukosten seit Beginn der Sanierung explodiert.

Einige Probleme waren wohl auch hausgemacht, wie fehlende Koordination und immer wieder neue Zuständigkeiten. Inzwischen beklagen Subunternehmer, dass es zu Unstimmigkeiten bei der Bezahlung gekommen sei; manche sprechen von Chaos auf der Baustelle. Zweimal wurden bereits die externen Projektsteuerer gewechselt. Intern wurden Dutzende neuer Stellen geschaffen, die an Schnittstellen zwischen Bauleitung, Umzugsplanern, Sammlungsmanagern und Kuratoren arbeiten - das bringt beim Personal viel Unruhe und Reibungsverluste mit sich.

Trotzdem sprach Museumschef Heckl stets davon, man werde mit den 450 Millionen Euro auskommen, um zumindest das Ausstellungsgebäude zu erneuern. Seine ursprüngliche Vision, die ganze Museumsinsel zu sanieren, hatte er da schon längst aufgegeben. Immer wieder erzählte er aber die Erfolgsstory vom Baufortschritt, von den tollen, neuen Ausstellungen, die man derzeit konzipiere, von gestiegenen Besucherzahlen trotz Sanierung. Vor der Landtagswahl im vergangenen Herbst wollte er wohl nicht mit der Wahrheit herausrücken. Die jetzt veröffentlichten Fakten kommentierte er so: "Leider sind auch wir dem freien Spiel der Märkte ausgesetzt." Er hoffe, dass es bald feste Zusagen für die zusätzlich benötigten Mittel von Land und Bund gebe.

Der erste Sanierungsabschnitt sollte eigentlich 2019 fertig sein, das Datum wurde bereits um ein Jahr verschoben. Am Ende des zweiten Abschnitts sollte 2025 eine grandiose Eröffnungsfeier stattfinden. Dieser Traum ist wohl zerplatzt. Stattdessen kommen aus dem Museum immer wieder werbewirksame Ideen, um die Öffentlichkeit bei Laune zu halten. Zuletzt war dies eine transparente Kunststofffassade aus dem 3-D-Drucker. Die soll allerdings durch Spender finanziert werden, heißt es.

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Quelle:
SZ vom 08.02.2019/sim
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