Deutsches Museum:Immer weiter

Sabine Rojahn, Vorsitzende des Freundeskreises des Deutschen Museums, vor einer 20 m2-Rennjolle

Die Lieblingsabteilung der Seglerin im Deutschen Museum ist die Schifffahrt. Beim Anblick der eleganten Z-Rennjolle kommt Sabine Rojahn ins Schwärmen.

(Foto: Florian Peljak)

In ihrer Branche, dem Patentrecht, gilt Sabine Rojahn als eine der führenden Anwältinnen weltweit. Als Vorsitzende des Freundeskreises des Deutschen Museums steht sie jetzt vor ihrer größten Herausforderung

Von Martina Scherf

Vor einiger Zeit war sie in der Karibik, mitten im Gewimmel der Antigua Sailing Week, der spektakulären Classic-Regatta. Da hat es sie wieder gepackt. Sie saß auf dieser wunderbaren Mega-Yacht, der Chronos, einem Nachbau eines klassischen Schoners, und fieberte dem Startschuss entgegen. Da zogen die schönsten Schiffe der Welt an ihr vorbei, ihre Mitreisenden zückten die Fotokameras, Sabine Rojahn aber hätte am liebsten sofort die Segel getrimmt und ganz vorne mitgemischt. "Da sagte unser Käpt'n zu mir: ,Sabine, these are professionals'", erzählt sie und lacht. Es ging einmal nicht ums Gewinnen. Sie hat sich dann halt zurückgelehnt und die Kreuzfahrt genossen.

Die kleine, zierliche Juristin und Seglerin kämpft gerne. Auf hoher See wie vor Gericht. Und am liebsten gewinnt sie. In ihrer Branche, dem Patentrecht, gilt Sabine Rojahn als eine der führenden Anwältinnen weltweit. Sachkundig bis ins kleinste Detail, unerbittlich in der Verhandlung, von Kontrahenten gefürchtet. Sie hat Phil Collins beim Urheberrecht vertreten, das Windsurfing-Patent verteidigt und internationale Prozesse für große Pharmakonzerne geführt. Solche Verfahren ziehen sich oft über Jahre hin, es geht um Milliarden, die Arbeitstage der Anwälte dauern dann oft vierzehn Stunden - "aber ich möchte keine einzige Stunde missen", sagt Sabine Rojahn. Jetzt ist sie 66, sie könnte sich zur Ruhe setzen, nur noch segeln, aber "das intellektuelle Fighten macht mir immer noch sehr viel Spaß".

Seit sie sich allerdings überreden ließ, den Vorsitz des Freundeskreises des Deutschen Museums zu übernehmen, versucht sie, in der Kanzlei ein wenig kürzer zu treten. Gerade hat sie dafür eine Vortragsreise nach Japan, ihrem Lieblingsland, abgesagt, es fiel ihr nicht leicht. "Aber wenn ich etwas mache, dann richtig", sagt sie mit Nachdruck. Deshalb fährt sie jetzt die Arbeitszeit etwas runter und das Engagement fürs Museum hoch, "das ist wie bei kommunizierenden Röhren". Sie mag solche Vergleiche. Dass sie Juristin ist, in der Wirtschaftswelt bestens vernetzt, dazu historisch und politisch interessiert und ein "Technikfreak" - diese Kombination kommt ihr bei dem neuen Amt als Museumsfreundin sicher zugute.

Im Freundeskreis des Deutschen Museums sind einflussreiche Menschen vertreten, Vorstände von BMW, Daimler, Audi, Vertreter der Chemie-, Pharma- und Elektroindustrie oder Verleger wie Hubert Burda. Camilo Dornier, Enkel des Flugpioniers Claude Dornier, hat Rojahn gebeten, den Vorsitz zu übernehmen. Man kennt sich. Auch Isolde Wördehoff, die das Gremium in den vergangenen Jahren als begabte Netzwerkerin geleitet hat, ist von ihrer Nachfolgerin angetan. Der Freundeskreis hilft nicht nur beim Ankauf von Objekten, der Finanzierung von Sonderausstellungen und Bildungsprogrammen - Dinge, die das Museum aus dem laufenden Etat nicht stemmen könnte. Er hat auch die 40 Millionen Euro hohe Anschubfinanzierung für die Jahrhundertsanierung geleistet. Erst danach legten Bund und Freistaat noch einmal 360 Millionen drauf. Seit Jahren wird der alte Tanker Deutsches Museum nun modernisiert.

Sabine Rojahn geht jetzt öfter von der Kanzlei am Isartor die paar Minuten rüber ins Museum, manchmal nimmt sie Mandanten mit. Die sind dann immer wieder beeindruckt von den Klassikern, erzählt sie, von den alten Flugzeugen, Schiffen, Dampfmaschinen. Wenn es allerdings in die jüngere Technikgeschichte geht, dann seien manche doch verwundert, wie veraltet manches wirke. Rojahns Aufgabe wird es sein, mehr Geld aufzutreiben, damit das ganze Haus modernisiert wird.

"Es gibt ja gute Ansätze", sagt die Anwältin. Sie hat ihren Besuch inzwischen in die Pharmazieabteilung im ersten Stock geführt, "das hier ist eine sehr schöne Ausstellung, beginnend mit den Heilpflanzen . . .", sie zögert plötzlich und blickt auf ein Beet, das von einer dicken Staubschicht bedeckt ist, "also, da gehört wirklich mal wieder abgestaubt". Im nächsten Raum wird das Prinzip des Aerosols erklärt, wie Luftpartikel in die Lunge gelangen und wie die Medizintechnik ihre Inhalationsgeräte entwickelt hat. Ein Teil der Texterklärung ist allerdings in 1,80 Meter Höhe angebracht, das kann Rojahn gar nicht lesen, und auch der Rest ist nicht wirklich verständlich, "sogar für mich, obwohl ich dazu vor Jahren mal einen Prozess geführt habe", sagt sie und schüttelt den Kopf. "Nicht optimal", lautet ihr trockener Kommentar.

Würde man jetzt Museumsdirektor Wolfgang Heckl fragen, ob man nicht längst einige der veralteten Texttafeln hätte austauschen und die kaputten Druckknopf-Experimente reparieren können und ob nicht ab und zu einer durchgehen und abstauben könne - dann würde er wieder sagen: Dazu fehlt uns leider das Geld. Auch die vorhandenen Millionen werden nicht reichen, um die gesamte Museumsinsel zu sanieren und dazu noch alle Ausstellungen zu modernisieren.

"Wir brauchen mehr Geld", sagt auch Sabine Rojahn. Wenn man sich vor Augen führe, was die Sanierung der Berliner Museumsinsel kostet, die inzwischen bei mehr als einer Milliarde Euro liegt, müsse doch jedem klar sein, dass so ein Juwel wie die Münchner Museumsinsel mit dem größten Technikmuseum der Welt nicht für 445 Millionen Euro zu erneuern sei.

Deshalb will die Juristin nicht nur bei ihren Wirtschaftsfreunden, sondern auch bei Politikern für das Projekt werben. "Nur schöne Bilder mit illustren Gästen machen, das reicht nicht", sagt sie in Anspielung auf das holländische Königspaar, das im Frühjahr da war. "Die Industriegeschichte ist das Fundament unseres Landes. Das zu pflegen, muss uns allen etwas wert sein." Sie will bald einmal beim bayerischen Finanzminister vorsprechen.

Die Technikgeschichte ist auch eng mit ihrer eigenen Familie verknüpft. Sabine Rojahn wuchs in Remscheid auf, ihr Vater besaß ein Traditionsunternehmen, das Stechbeitel und Hobel produzierte. In den Ferien arbeiteten die drei Töchter oft in der Firma. "Wir trugen Blaumann, wurden wie richtige Mitarbeiter behandelt und mussten mit dem Meister unseren Lohn aushandeln", erzählt sie. Rojahn hat das sehr gern gemacht und früh ein Gefühl für Verantwortung bekommen. In den großen Sommerferien ging sie mit dem Vater segeln, in Ost- und Nordsee. Beides hat sie geprägt. Eine bittere Lektion war es dann, als ihr Vater seine Firma, nach 230 Jahren in Familienbesitz, aufgeben musste. "Wir hatten den Zeitpunkt für Modernisierung verpasst. Man darf sich nie auf Erfolgen ausruhen", sagt Rojahn und richtet sich in ihrem Stuhl auf. Sie hat dann in Rekordzeit Jura studiert, promoviert und mit 32 Jahren die Kanzleianteile ihres Mentors, des Münchner Patentanwalts Dieter Reimer, der damals beim Bergsteigen tödlich verunglückte, übernommen. "Das waren unglaublich harte Jahre", sagt sie rückblickend, "ich war jeden Morgen um vier im Büro."

Ihre Energie scheint ungebremst zu sein. Sie hat sich vorgenommen, mit allen im Museum zu reden, mit Kuratoren, Mitarbeitern und Besuchern, sie will sich selbst ein Bild machen, wo es fehlt. Sie kümmert sich um Details wie den Flyer des Freundeskreises, sie geht auf junge Menschen zu, "die bringen frische Ideen ins Haus". Sie würde gerne die Öffnungszeiten verlängern. "Alle anderen Museen haben eine Abendöffnung, dann muss das hier doch auch gehen." Auf Erfolgen ausruhen, das ist kein Zukunftsweg.

Zum Abschalten geht sie segeln. Auf ihrem Folkeboot am Chiemsee ist sie die Kapitänin. Ihr Mann, er war Richter am Oberlandesgericht, segelt mit. So ein Holzboot braucht viel Pflege, "aber ich arbeite gerne mit den Händen", sagt sie. Es ist ein guter Ausgleich für die Kämpfe vor Gericht. Und außerdem findet sie auch an ihrem Boot immer etwas zu verbessern. Als sie eine leichter handhabbare Aufhängung für den Außenbordmotor erfand, hat sogar ihr Bootsbauer gestaunt. Bloß nicht stehen bleiben.

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