Süddeutsche Zeitung

Deutsches Museum:400 Millionen Euro für die Sanierung

Es gilt als eine der bedeutendsten Technik-Sammlungen der Welt - und doch liegt im Deutschen Museum einiges im Argen. Vor allem bei den Gebäuden: Da sie jahrzehntelang nur notdürftig repariert wurden, steht nun eine Generalsanierung an.

Martina Scherf

Jedes noch so schöne Erbe birgt Tücken. Für eine ganze Insel mit einem geschichtsträchtigen Museum darauf gilt das umso mehr. Ein solches Erbe trägt nicht nur den Geist der Tradition und der Ahnengalerie. Es fordert auch große Verantwortung für die Zukunft einer ehrwürdigen Institution, wie sie das Deutsche Museum ist. Einer Institution, in der es an allen Ecken und Enden knirscht. Die zum Museum ihrer selbst geworden ist.

Dass dringend renoviert werden muss, ist seit geraumer Zeit klar. Doch erst jetzt wird das Jahrhundertprojekt angepackt. Bis zum Jahr 2025 - zum 100. Jahrestag der Eröffnung - wird das denkmalgeschützte Ensemble grundlegend saniert werden. Für 400 Millionen Euro. Das klingt viel, doch vermutlich wäre ein Neubau günstiger und effizienter zu bewerkstelligen als die Renovierung dieses Technik-Tempels.

Generaldirektor Wolfgang Heckl ist natürlich nur im übertragenen Sinne Erbe. Er freut sich über das Geld zur Erneuerung, um das er lange gekämpft hat. Die ersten 40 Millionen sammelte er selbst im Freundeskreis des Museums und unter Mäzenaten in der Industrie ein - und gab dadurch wohl erst den Anstoß zur Beteiligung von Bund und Freistaat, die nun jeweils 180 Millionen Euro zur "Zukunftsinitiative Deutsches Museum" beitragen.

Ein Masterplan wurde erstellt, am 24. Juni werden Heckl, Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch die Finanzierungsvereinbarung unterzeichnen. Doch wer nun erwartet, mit diesen Summen könne sich das Museum neu erfinden, verkennt die Dimensionen des Projekts.

Wer derzeit von der Bosch- oder der Zenneckbrücke zur Museumsinsel hinüber wandert, sieht, dass die Bauarbeiten bereits in vollem Gange sind. Noch aus dem Konjunkturpaket II finanziert, wird der südliche Trakt sukzessive saniert: Angefangen im Erdgeschoss, bei der Abteilung Brückenbau, über die Chemie im ersten Stock, zu den darüberliegenden Ausstellungen Drucktechnik, Telekommunikation und Amateurfunk bis hinauf zur Sternwarte sind Bauarbeiter am Werk - Gerüste, Planen und Kisten, wohin man schaut. Der ganze Trakt ist derzeit geschlossen und wird im Laufe des Jahres nach und nach wieder eröffnet. (Über die jeweils aktuellen Schließungen können sich Besucher auf der Internetseite des Museums informieren.)

Die Sichtbetonfassaden des Museums müssen gereinigt, die Kupferdächer erneuert, die Fenster ausgetauscht werden. An der Gestalt des Ensembles darf sich aber nichts ändern, darüber wacht der Denkmalschutz mit Argusaugen. "Wir können nicht mal einen Sonnenkollektor aufs Dach montieren", sagt Heckl - obwohl sich daraus für ein Technikmuseum doch eine hübsche Alltagsanwendung gestalten ließe. Auch im Inneren haben die Auflagen von Denkmalschutz und Gebäudetechnik Priorität. 115 Millionen Euro sind allein für den Brandschutz veranschlagt. 53 Millionen werden Gebäudeausstattung und energetische Sanierung kosten, neun Millionen die Renovierung der Bibliothek.

Zudem braucht das Museum dringend ein neues Depot. Denn nur ein Viertel seiner Schätze ist ausgestellt. Der Rest - etwa 70.000 Exponate, vom Butterfass des Justus von Liebig über Mikroskope, Musikinstrumente bis hin zu Modelleisenbahnen - lagert im hochwassergefährdeten Keller und in angemieteten Räumen zwischen München und Ingolstadt. Daher wünscht sich Heckls Team einen Neubau und wird ihn auch bekommen, in Schleißheim oder Garching, die Verhandlungen laufen. 68 Millionen wird das Projekt kosten, inklusive des logistisch komplexen Umzugs und der Digitalisierung. Denn viele Exponate sind längst nicht elektronisch erfasst, sondern noch in Sütterlin-Handschrift geschrieben.

Den größten Eingriff auf der Insel stellt ein neuer Eingang im einstigen Forum der Technik an der Ludwigsbrücke dar. Doch dieser kommt erst in ein paar Jahren. Dann werden Besucher endlich einen großzügigen Kassenraum vorfinden, ein Servicecenter und einen Globus als bespielbares Inhaltsverzeichnis, auf dem die großen Zukunftsthemen der Menschheit aufscheinen sollen. Kostenpunkt: etwa 40 Millionen Euro.

Für die eigentliche Erneuerung der Ausstellungsflächen bleiben etwa 115 Millionen übrig. Auf 73.000 Quadratmetern erklären die Museumsmacher ihren Besuchern die Welt. Dass einem viele Bereiche enorm verstaubt vorkommen, wird niemand bestreiten, schließlich wurde seit Kriegsende nur notdürftig an einzelnen Stellen repariert. Eine Generalsanierung ist überfällig. Damit sie gelingt, hat Wolfgang Heckl die Mitarbeiter des Hauses, vom Physiker über die Kassenfrau bis zum Werkstattmeister einbezogen. 29 Arbeitsgruppen tüftelten ein ganzes Jahr lang an Ideen, wie "ihr" neues Museum aussehen soll. Die Fäden liefen bei einer Unternehmensberatung zusammen, in der Betriebswirte, Architekten und Psychologen zusammenarbeiten.

Das Ergebnis: Die Ikonen des Museums wie Faradaykäfig, Bergwerk, Schiffsdecks, Flugzeuge oder Dampfmaschinen müssen bleiben, da sind sich alle einig. Sie laufen hausintern unter dem Label "schön alt". Ihretwegen kommt schließlich ein Großteil der jährlich etwa eine Million Besucher. In anderen Abteilungen hingegen wird man ein wenig aussortieren müssen, denn Brandschutz, neue Treppen und Zugänge kosten Platz. Und an vielen Stellen, das gibt auch Heckl zu, klebt das Label "schlecht alt". So endet etwa der Bereich Solarenergie beim 1000-Dächer-Programm in den neunziger Jahren, die Computertechnologie bleibt gar in den Achtzigern stehen.

Am Grundcharakter des Museums will Heckl aber nichts verändern. "Wir wollen kein Disneyland", sagt er entschieden und erklärt auch gleich, warum das Deutsche Museum nie ein Science Center werden wird: "Ein Science Center setzt nur auf Effekte und Experimente. Es muss sich ständig erneuern, um nicht langweilig zu werden." Das Deutsche Museum hingegen versteht sich als Hüter von Kulturgut. Es soll Industriegeschichte dokumentieren und archivieren, Forschung und wissenschaftliche Debatten fördern und - im Sinne seines Gründers Oskar von Miller - Demokratiebewusstsein schärfen. "Wir haben einen Bildungsanspruch, und Bildung ist eben auch Arbeit", sagt Heckl. Mit ein paar Klicks auf einen Touch Screen sei das nicht getan.

Dennoch geben die Ausstellungen zur Nanotechnik oder der Raum "Universe" zur Erklärung des Weltalls eine Ahnung davon, in welche Richtung es künftig gehen soll. Das gläserne Labor, bei dem man Nanowissenschaftler bei ihrer Arbeit am Rastersonden-Mikroskop beobachten kann, kommt bei Schülern und Studenten gut an. Wissenschaft live, das ist dem Physiker Heckl, der auch den Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation an der Technischen Universität München leitet, eine Herzensangelegenheit.

Die vermutlich sichtbarste Veränderung nach dem Umbau wird die neue Aufteilung der Sachgebiete sein. Chemie, Physik und Biologie werden zum Bereich Naturwissenschaften zusammengefasst, Medizintechnik und Pharmazie zum Bereich "Umwelt, Gesundheit, Lebenswelt". Die begehbare Zelle wandert in die Biologie. "Verkehr und Mobilität" und "Material und Produktion" werden künftig jeweils eine Einheit bilden. Ebenso alles, was neue Medien betrifft.

Als erste wird die Chemieabteilung im Herbst ein neues Gesicht kriegen. Im Museum firmiert das als "Preview". Dann bekommen Besucher einen Eindruck, was künftig vielleicht unter "schön neu" rangiert. Auch Laien sollen die Zusammenhänge verstehen. Statt Erläuterungen zur "Redox-Oxidation" werde da die Funktion moderner Sportkleidung an Bergsteigerpuppen vor Alpenpanorama erklärt, sagt Kuratorin Sabine Gerber.

Sie ist maßgeblich an der Logistik des Jahrhundertprojekts beteiligt. In der Preview sollen die Besucher auch nach ihrer Meinung befragt werden. Dann wird sich herausstellen, ob die Wissenschaftler von der Museumsinsel auf dem richtigen Weg sind - auch ohne Science Center. Und ob es auch im 21. Jahrhundert gelingt, "den Dreijährigen und den Ordinarius", wie Oskar von Miller es wollte, gleichermaßen zu faszinieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1106503
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.06.2011/bica
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.