Süddeutsche Zeitung

Sanierung:So soll die Zukunft des Deutschen Museum aussehen

Ulrich Kernbach, Leiter des Bereichs Ausstellungen und Sammlungen erklärt, was die Besucher erwartet, wenn Ende 2020 der erste Sanierungsabschnitt eröffnet wird.

Interview von Martina Scherf

Obwohl das Deutsche Museum in Teilen eine Baustelle ist und die Hälfte der Ausstellungen geschlossen sind, bleiben die Besucherzahlen konstant. Darüber freut sich Ulrich Kernbach besonders. Der Leiter des Bereichs Ausstellungen und Sammlungen erklärt, was die Besucher erwartet, wenn Ende 2020 der erste Sanierungsabschnitt eröffnet wird.

SZ: Herr Kernbach, der Countdown läuft. Ende nächsten Jahres wollen Sie 19 neue Ausstellungen präsentieren - worauf dürfen sich die Museumsbesucher freuen?

Ulrich Kernbach: Auf sehr viel. Die Sanierung des Deutschen Museums ist ein Jahrhundertprojekt, vergleichbar nur mit der Eröffnung durch Oskar von Miller vor fast 100 Jahren und dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Neben den baulichen Herausforderungen geht es vor allem um die inhaltliche Erneuerung. Da gibt es ganz neue Themen wie Elektronik und Gesundheit, manche Bereiche werden komplett überarbeitet wie Landwirtschaft und Ernährung oder die Musikinstrumentenabteilung, und Bewährtes wie die Kraftmaschinenhalle wird aktualisiert.

Die Ikonen bleiben erhalten?

Natürlich, sie sind unsere Publikumsmagneten. Die Starkstromvorführung oder die "Tante Ju", das Foucaultsche Pendel, die Almhütte vom Tegernsee, unsere wunderschönen Dampfmaschinen und Dioramen - all dies wird auch in Zukunft zu sehen sein.

Auch das Bergwerk und die Modelleisenbahn?

Auf jeden Fall. Es kann sein, dass wir das Bergwerk, anders als geplant, für den zweiten Bauabschnitt doch ausbauen müssen. Es wird aber wiederkommen. Ebenso die Modelleisenbahn, allerdings überarbeitet und mit neuester Technik.

Wenn man heute ein Museum plant, muss man den Spagat schaffen, junges und älteres Publikum anzusprechen, digitale und traditionelle Medien anzubieten. Welches Konzept verfolgen Sie da?

Wir wollen die Vielfalt erhalten. Jede einzelne Abteilung entscheidet selbst, wie viel an neuen Medien sie einsetzt. Unsere Leitlinie heißt: digitale Medien mit Augenmaß. Ausgangspunkt werden immer die Objekte sein, das ist unser größter Schatz. Wir werden auch weiterhin Entwicklungsreihen zeigen, im Fahrzeugbau oder in der Landwirtschaft vom historischen Traktor bis zum Feldroboter. Unsere Demonstrationen und Mitmachstationen werden wir behalten. Die Mitarbeiter im Ausstellungsdienst erleben, dass diese nach wie vor sehr beliebt sind.

Leider waren diese Stationen oft kaputt.

Wir werden sehr auf die Pflege achten. Auch bei den digitalen Medien kann man ja nicht alle paar Jahre alles austauschen, da braucht es nachhaltige Konzepte. Was gezeigt wird, muss auch gewartet werden können. Das ist unser Anspruch. Da sind unsere Werkstätten sehr wichtig, die bringen hervorragende Expertise mit.

Werden die Texttafeln, die in der Vergangenheit oft nur Ingenieure begriffen haben, in Zukunft allgemein verständlich?

Natürlich, das ist unser Anspruch. Wir stecken gerade sehr viel Energie in diesen Prozess und haben für dieses Projekt ein eigenes Textbüro aufgebaut.

Werden Sie die Führungen und Experimente noch ausweiten?

Wir machen da schon sehr viel. Über den Tag verteilt gibt es täglich Dutzende von Führungen oder Vorführungen. Aber ja, wir werden das, wo immer möglich, noch erweitern. Digitale Medien wie die Deutsche-Museums-App werden ausgebaut. Und wir setzen auf unsere hervorragenden Experten im Ausstellungsdienst, sie sind unser Alleinstellungsmerkmal.

Die erfolgreichste Sonderausstellung in der Geschichte des Museums war die zur Energiewende. Sie verfolgte ein völlig neues Konzept, indem sie keine Lösungen präsentierte, sondern die Besucher zu Akteuren machte.

Ja, sie schlüpften in die Rolle von Politikern und bekamen verschiedene Argumente geliefert, um sich eine Meinung zu bilden. Das hat sehr gut funktioniert. Wir wollen das in Zukunft auch auf andere Bereiche anwenden. Auch die Ausstellung "Das Gelbe vom Ei" war eine Preview für die neue Landwirtschaft und Ernährung. Die Welt ist heute so komplex, da können wir keine fertigen Antworten liefern.

Bekommen Sie neue Exponate?

Wir gehen ständig betteln, das war schon Oskar von Millers erfolgreiches Konzept. Und die Firmen sind stolz darauf, wenn ihre Produkte im Deutschen Museum ausgestellt werden.

Ist man da auch inhaltlich gebunden?

Nein. Es ist unser Anspruch, unsere Unabhängigkeit zu wahren.

Bis jetzt schließt das Museum um 17 Uhr. Werden Sie die Öffnungszeiten ausdehnen?

Nein. Aber wir haben ja sieben Tage die Woche und 357 Tage im Jahr geöffnet. Und weil wir mit einem noch größeren Besucheransturm rechnen als bisher, denken wir über Zeittickets nach, die man vorab buchen kann.

Sie selbst sind Chemiker, was ist Ihr Lieblingsobjekt im Museum?

Der Kernspaltungstisch, an dem Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann 1938 zum ersten Mal eine Spaltung von Atomkernen gelungen ist. Er hieß ja lange Zeit Otto-Hahn-Tisch, weil Hahn den Nobelpreis bekommen hat - obwohl Lise Meitner die richtige Interpretation der Ergebnisse formulierte. Sie musste als Jüdin 1938 emigrieren, hat aber aus der Ferne die entscheidenden Ideen beigetragen. "Hähnchen" und "Lieschen" standen in Briefkontakt.

Dass Sie Meitners Rolle würdigen, ist eine späte Anerkennung der Gleichberechtigung. Und die Kernspaltung ist das Beispiel für eine Erfindung, die mit der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki grausame Folgen hatte.

Absolut. Meitner und Hahn sprachen sich ihr Leben lang öffentlich gegen die militärische Nutzung der Atomkraft aus. Der Tisch ist eine Inszenierung aus den Originalutensilien der Wissenschaftler, und er strahlt bis heute eine unglaubliche Faszination aus. Wir haben ihn für die Dauer der Sanierung in unserer Museumsgeschichte neben dem Ehrensaal aufgebaut.

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Quelle:
SZ vom 03.04.2019
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