Deutsche Eiche:Rosa Mythos

Die Deutsche Eiche ist ein legendärer Schwulen-Treff in München. Wirt Dietmar Holzapfel führt durch die Sauna, um die sich viele Mythen ranken.

Beate Wild

Heute gehen hier täglich bis zu 400 schwule Männer ein und aus, früher zählten Freddie Mercury und Rainer Werner Fassbinder zu den Stammgästen. Die beiden Berühmtheiten verkehrten damals noch in der Wirtsstube, die große Gay-Sauna gab es noch nicht. Die Deutsche Eiche ist das Epizentrum der Münchner Schwulenbewegung und auch heute noch der wichtigste Schwulen-Treff der Stadt - auch wenn sich in den vergangenen Jahrzehnten viel verändert hat.

"Dass wir heute hier eine der größten Schwulensaunen der Welt betreiben, hätten wir bei der Übernahme nie gedacht", sagt Dietmar Holzapfel und grinst zufrieden. Der 54-Jährige kaufte 1993 zusammen mit seinem Partner Josef Sattler und seinem Vater Nicki Holzapfel das legendäre Lokal, nachdem es - heruntergekommen und renovierungsbedürftig - geschlossen werden sollte. Sie retteten die berühmte Schwulen-Wirtschaft und eröffneten das sogenannte Badehaus als Treffpunkt für homosexuelle Männer.

Holzapfel ist in München mittlerweile selbst eine bekannte Persönlichkeit. Seit er Wirt der Deutschen Eiche ist, engagiert er sich für die Homosexuellen-Szene der Stadt, ist aktiv bei der Rosa Liste und nimmt mit provokant-politischen Wagen - wie 2006 mit dem für einen Skandal sorgenden "Papa-Mobil" - am Christopher Street Day teil. Holzapfel, ein ehemaliger Lehrer, ist einer, der die Diskussion sucht, der sich mit der Ungerechtigkeit Homosexuellen gegenüber nicht abfinden will.

Er debattiert mit Schulklassen ebenso wie mit dem Penzberger Iman Benjamin Idriz über Homosexualität, auch wenn er ab und zu ein wenig aneckt. Um zur Aufklärung beizutragen, macht er nun im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Protest in München" Führungen durch die Sauna der Deutschen Eiche und erzählt Interessierten die Geschichte der Münchner Schwulenszene.

Im Keller geht es zur Sache

Die Sauna der Deutschen Eiche hat heute einen Ruf weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Im Laufe der Jahre haben Holzapfel und Sattler das Areal ständig erweitert und umliegende Gebäude dazugekauft. Die Saunalandschaft erstreckt sich nun über vier Stockwerke, vier Gebäudeteile und hat eine Fläche von 1500 Quadratmetern.

In den oberen Geschossen gibt es ein riesiges Dampfbad, ein Whirlpool, Duschen und einen Ruhebereich. Das Licht ist gedimmt, bunte LED-Leuchten erhellen die Szenerie. Modern und stylisch sieht es aus. Wie in einer ganz normalen Sauna. Gäbe es da nicht noch den Keller.

Haben sich zwei gefunden, geht es dort zur Sache. Es gibt Darkrooms, die Holzapfel salopp "Cruising-Bereich" nennt. In dem Labyrinth gibt es verschiedene Ecken und Kabinen, in denen sich Paarungswillige vergnügen können. Wer mehr Intimsphäre wünscht, kann sich eine abschließbare Kabine mieten. In einer Ecke befinden sich Löcher in der Wand. "Das sind 'glory holes'", erklärt Holzapfel, und ergänzt: "Für Oralverkehr."

Doch es geht in der Sauna der Deutschen Eiche nicht nur um Sex, das ist dem Chef wichtig. Viele kommen nur zum Saunieren und nutzen das Untergeschoss gar nicht, sagt er. Und es kämen durchaus auch Hetero-Männer, die mit Schwulen kein Problem haben.

Die Deutsche Eiche wurde bereits 1864 erbaut. "Im Krönungsjahr von König Ludwig II., wenn das kein Zeichen ist", lacht Holzapfel. In den 1920er Jahren entwickelte sich das Gasthaus zum Lieblingslokal von Künstlern und Homosexuellen. Vor allem Tänzer des benachbarten Gärtnerplatztheaters verkehrten hier. 1921 bis 1923 soll Adolf Hitler auch oft zu Gast gewesen sein. Die Parteizentrale der Nazis befand sich damals in der Corneliusstraße. "Kein schönes Kapitel", sagt Holzapfel. "Ob er hierher kam, weil er vielleicht auch schwul war, wissen wir nicht."

Als 1945 Ella und Toni Reichenbach Wirtinnen der Deutschen Eiche wurden, begann der Aufstieg zum rosa Mythos, der in den siebziger und achtziger Jahren seinen Höhepunkt fand. 1974 gesellte sich Rainer Werner Fassbinder, das Enfant terrible der deutschen Filmszene, zu der bunten Gesellschaft. Er verliebte sich unsterblich in den Schankkellner Armin Meier, gemeinsam bezogen sie eine Wohnung direkt gegenüber der "Eiche". Auch in einigen seiner Filme war das Wirtshaus Schauplatz.

Anfang der Achtziger kam dann Freddie Mercury nach München, um im "Musicland", den legendären Studios von Giorgio Moroder, Platten aufzunehmen. Zielsicher steuerte er in die Deutsche Eiche und wurde schnell zum Stammgast. In den Achtzigern begann ein düsteres Kapitel: Es gab die ersten Aids-Fälle in München. Viele Gäste der Deutschen Eiche starben, das Lokal lief immer schlechter.

Schwulensaunen waren unerwünscht

"Als wir die Eiche 1993 kauften, war sie in einem jämmerlichen Zustand", erzählt Holzapfel. Er und sein Partner Sepp renovierten jedoch nicht nur Gasthaus und Hotel, sondern hatten die Idee für das Badehaus. Dabei waren Schwulensaunen in München zu jeder Zeit nicht erwünscht. Peter Gauweiler, damals Kreisverwaltungsreferent, war bemüht, die Homo-Szene der Stadt auszumerzen. Auch sein Nachfolger Hans-Peter Uhl ließ noch eine Woche, bevor Holzapfel und Sattler 1995 ihr Badehaus eröffneten, eine andere Sauna schließen. "Wir wussten nicht, wie lange es gut gehen würde", sagt Holzapfel.

Doch obwohl das Klima heute liberaler ist, verstehen viele nicht, warum diese Sauna so wichtig ist für die Szene. "Wozu eine schwule Sauna, fragen viele", sagt Holzapfel und gibt gleich die Antwort: "Es ist hauptsächlich ein Ort zum Treffen und Kennenlernen, aber auch um Sex zu haben." Für Heteros klinge das komisch und anrüchig, doch als Homosexueller sei man froh einen Treffpunkt mit Niveau besuchen zu können. "Man muss uns schwulen Menschen unseren Lebensraum lassen", sagt er. Die Chance im normalen Alltag jemanden kennenzulernen, sei für Homosexuelle geringer als für Heteros.

Holzapfel ist in der Kleinstadt Ingolstadt aufgewachsen. Dort ist er mit seiner sexuellen Orientierung damals ziemlich alleine dagestanden, oft war er sehr verzweifelt deswegen. Als er nach München zog, besuchte er erstmals eine schwule Sauna, die Türkensauna in der Türkenstraße. "Es war eine große Erleichterung für mich, dass ich dort endlich Gleichgesinnte kennenlernen konnte", sagt Holzapfel.

Auch seinen Lebensgefährten Sepp Sattler lernte er über diese Sauna kennen. Heute sind die beiden seit 34 Jahren ein Paar, seit 2002 leben sie in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie waren nach der Legalisierung der "Schwulen-Ehe" das erste homosexuelle Paar im Landkreis München, das den Bund fürs Leben einging.

Im Jahr 2011 hat sich die Schwulenszene in München stark gewandelt. Man muss sich nicht mehr auf öffentlichen Toiletten oder im Englischen Garten treffen, weil Schwulensaunen erlaubt sind. Mittlerweile hat sich jedoch das Anbandeln zum Großteil ins Internet verlagert. Auf Webseiten wie gayromeo.de treffen sich Homosexelle heute. "Doch auch wenn sie sich im Netz kennenlernen", sagt Holzapfel, "ihr erstes Date haben sie meistens bei uns."

Hotel Deutsche Eiche, Reichenbachstraße 13, 80469 München weitere Führungen: 10. Juni, 8. Juli

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