Deutsche Bahn:Neue ICE-Trasse: Von München nach Berlin fast wie im Flug

Vorstellung des neuen Fahrplans 2018

Die Fahrt von München nach Berlin dauert künftig nur noch vier Stunden.

(Foto: dpa)
  • Von Sonntag an braucht der ICE-Sprinter auf der neuen Trasse nur noch knapp vier Stunden von München nach Berlin.
  • Die DB erhofft sich davon deutlich mehr Fahrgäste, viele Hauptstadt-Pendler freuen sich auf die schnelle Verbindung.
  • Die Lufthansa sieht dem Start der Schnellstrecke gelassen entgegen, startet aber trotzdem neue Konzepte für Geschäftsreisende.

Von Marco Völklein

Die Abnahmefahrten sind beendet, die Lokführer geschult, und an diesem Freitag soll in Berlin die große Eröffnungssause mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bahnchef Richard Lutz steigen. Von Sonntag an nimmt die Deutsche Bahn (DB) dann den Regelbetrieb auf der 107 Kilometer langen Neubaustrecke zwischen Ebensfeld bei Bamberg und Erfurt auf. Die Züge sollen dort mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde entlang rasen.

Für die Bahn beginnt damit eine neue Ära. So stellt es zumindest Verkehrsvorstand Berthold Huber dar. Er schwärmt von der "größten Angebotsverbesserung in der Geschichte" der Bahn, welche die Inbetriebnahme der neuen Strecke ermögliche.

Sprinter-Züge verbinden von Sonntag an dreimal täglich München mit Berlin in etwas weniger als vier Stunden; sie halten unterwegs nur noch in Nürnberg, Erfurt und Halle. Die regulären ICEs, die auch in Bamberg, teilweise in Coburg sowie in Leipzig stoppen, werden etwa viereinhalb Stunden benötigen. Momentan ist der Zug noch gut sechs Stunden von der Isar an die Spree unterwegs. Diesen Zeitgewinn lässt sich die Bahn auch bezahlen, der Normalpreis für die Strecke steigt um gut 13 Prozent auf 150 Euro.

Doch auch wer von München nach Magdeburg, Eisenach oder Dresden will, werde von der neuen Strecke sowie von kurzen Umsteigezeiten profitieren, sagt Huber. Das Ziel sei, dem Auto und dem Flugzeug Nutzer abzujagen: Auf der Verbindung München-Berlin will Huber die Kundenzahlen der DB von jetzt 1,8 Millionen pro Jahr auf 3,6 Millionen verdoppeln.

Das neue Angebot ist eine Kampfansage vor allem an die Lufthansa, die nach der Insolvenz des Konkurrenten Air Berlin und dem Rückzug des Billigfliegers Transavia zumindest vorübergehend als Alleinanbieter auf der Strecke München-Berlin übrig geblieben ist. Mit einer Reisezeit von unter vier Stunden zwischen den beiden Städten könne es der Zug locker mit dem Flugzeug aufnehmen, sagt Huber.

Die Bahn hat eine Chance gegen die Flieger

Rechne man die langen Anfahrtswege zum Airport sowie die Wartezeiten etwa an der Sicherheitskontrolle zur Flugzeit hinzu, habe die Bahn durchaus eine Chance, Reisende vom Flieger wegzulocken, glaubt der Bahnvorstand. Außerdem könnten Geschäftsreisende die Zeit im Zug besser nutzen. Auch die Gegner einer dritten Startbahn am Airport nutzen die Gunst der Stunde: Am Sonntag wollen sie mit einer Aktion am Hauptbahnhof auf das neue Angebot hinweisen - und damit zeigen, dass es aus ihrer Sicht den Ausbau nicht braucht, wenngleich Flughafen-Chef Michael Kerkloh das freilich anders sieht.

Die Nachfrage habe sich jedenfalls in den vergangenen Wochen "erfreulich" entwickelt, heißt es bei der Bahn. Gebucht werden kann die Strecke seit Mitte Oktober, konkrete Zahlen nennen Huber und seine Leute indes nicht. Die Buchungen würden sich "ausgewogen verteilen" auf die schnellen Sprinter-Züge, die dreimal täglich in beide Richtungen verkehren, und auf die stündlich fahrenden, regulären ICEs. Sollte sich die Nachfrage gut entwickeln, will Huber von Dezember 2018 an weitere Sprinter-Züge einsetzen.

Lufthansa verzeichnet eine große Nachfrage auf der Strecke

Bei der Lufthansa gibt man sich indes betont entspannt - und das, obwohl München-Berlin zu den renditestarken "Rennstrecken" zählt. Allerdings verzeichne der Konzern schon aufgrund der Pleite von Air Berlin aktuell eine "große Nachfrage", heißt es bei der Fluglinie. Deshalb habe man auch das Angebot ausgedehnt: Zählte die Lufthansa im Winterflugplan 2016/17 nach Angaben einer Unternehmenssprecherin noch 98 Flugbewegungen wöchentlich zwischen Bundes- und bayerischer Landeshauptstadt, so sind es in dieser Saison 119. Auf einigen Flügen setze man zudem größere Jets vom Typ Airbus A 340-600 ein, um die Nachfrage abzudecken, erklärt die Sprecherin. Sonderangebote als Reaktion auf die Bahn plane man daher nicht.

Um dennoch zeitsensible Kunden an sich zu binden, bietet die Fluggesellschaft seit Sommer den "Smart Depart" an - den cleveren Abflug. Dabei können Passagiere, die von München aus nach Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Berlin-Tegel fliegen, im Terminal 2 eine für sie reservierte Sicherheitsschleuse nutzen - und zwar in der Zeit von 6 bis 8.30 Uhr sowie von 16 bis 18.30 Uhr. Zudem schaue man, dass die Abfluggates möglichst nahe bei den Kontrollen liegen; die Einsteigezeit habe man bei diesen Flügen von 30 auf 20 Minuten verkürzt, sagt der Münchner Lufthansa-Chef Wilken Bormann: "Wir haben die einzelnen Reiseschritte so optimiert, dass die Zeitersparnis deutlich spürbar ist."

Die Verbindung Berlin-München ist nach Angaben der Betreibergesellschaft die aufkommenstärkste Inlandsverbindung am Münchner Flughafen. An Spitzentagen seien bis zu 9000 Passagiere unterwegs. Doch auch die Airport-Strategen geben sich entspannt: Der von der DB propagierte Zeitvorteil sei gar nicht so groß.

Wer etwa im Münchner Umland wohne, der müsse ja auch erst mal zum Hauptbahnhof, um den ICE zu erreichen - das sei mitunter ähnlich aufwendig und zeitraubend wie die Fahrt ins Erdinger Moos. Und um die Geschäftsreisenden buhlt der Flughafen, indem er immer wieder neue Lounge-Konzepte kreiert, in die sich Fluggäste zum Arbeiten zurückziehen können.

Zudem würden Umsteiger, die beispielsweise aus Berlin nach München fliegen, um hier in einen Jet nach Stockholm, San Francisco oder Singapur zu wechseln, sicher nicht erst mit dem Zug zum Münchner Hauptbahnhof fahren und anschließend mit S-Bahn oder Zubringerbus raus zum Airport zuckeln. "Die bleiben im System", heißt es bei der Lufthansa. Anders würde es freilich aussehen, wenn der Flughafen einen Anschluss an das Fernnetz der Bahn hätte. Einen solchen fordern zwar Flughafenchef Kerkloh sowie Umweltschützer und Verkehrsverbände seit Jahren schon in seltener Eintracht - umgesetzt wurde dieser Plan aber bislang nicht.

Flixbus plant keine Sonderangebote

Bleibt als weiterer Konkurrent das Münchner Unternehmen Flixbus, das mit seinen Fernbussen seit der Marktliberalisierung im Jahr 2013 der DB im Fernverkehr ordentlich zugesetzt hat. Aber auch dort sieht man nach Auskunft eines Sprechers der Bahn-Konkurrenz gelassen entgegen. Mit zwölf Busverbindungen pro Tag und Richtung zähle die Strecke zu den wichtigen im Unternehmen, man verzeichne eine "hohe Nachfrage" und eine "sehr gute Auslastung" - Zahlen nennt der Sprecher ebenfalls nicht. Sonderangebote soll es auch hier keine geben.

Im Luftverkehr wird aber in naher Zukunft noch ein weiterer Anbieter mitmischen. Easyjet kündigte am Mittwoch an, vom 5. Januar an insgesamt 19 Städte im In- und Ausland regelmäßig von Berlin-Tegel aus anzufliegen. Die höchste Frequenz ist auf der Strecke München-Berlin mit durchschnittlich 14 Flügen pro Tag geplant. Damit ersetzt Easyjet teilweise Verbindungen der insolventen Air Berlin. Die zuständigen Behörden müssen der Abwicklung des Geschäfts aber noch zustimmen.

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