Deutsch-israelische Beziehungen:Diplomatin für gute Nachrichten

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Sandra Simovich hofft, dass möglichst viele Deutsche nach Israel reisen, "denn wenn sie zurückkommen, denken sie anders über unser Land, dann haben sie seinen Charme kennengelernt". (Foto: Alessandra Schellnegger)

Sandra Simovich leitet das israelische Generalkonsulat in München. Proteste ist sie gewohnt, sie will ihr Land als weltoffen und modern zeigen

Von Martina Scherf

Sandra Simovich hätte sich friedlichere Zeiten gewünscht für ihren Start in Deutschland. Ein brennender Davidstern in Berlin, Hassparolen gegen Israel in mehreren Städten Europas - die Proteste der vergangenen Tage richteten sich gegen die Entscheidung der USA, ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Doch wenn es um Politik im Nahen Osten geht, vermischen sich Proteste häufig mit einem aus vielen Ecken geschürten Ressentiment gegen Juden. "Ich bin sehr für das Recht auf freie Meinungsäußerung", sagt die israelische Generalkonsulin in München ernst, "aber wenn Flaggen brennen oder sogar zum Mord an Juden aufgerufen wird, dann fällt das meines Erachtens nicht mehr unter Demonstrationsfreiheit." Sandra Simovich, 43, hat vor vier Monaten ihr Büro am Karolinenplatz bezogen. Auf das Fensterbrett hat sie einen Berliner Bären gestellt und das Wort "Freedom" in bunten Lettern. Sie trägt gerne schwarze Hosenanzüge, rote Fingernägel und hat eine freundliche, offenherzige Art. Doch als Diplomatin ist sie zäh, zielstrebig, belastbar. Sonst hätte sie nicht die Karriere hingelegt, die bis heute ihren Lebenslauf ziert. Mit 25 Jahren wurde sie in den diplomatischen Dienst aufgenommen und war ein Jahr später schon stellvertretende Botschafterin in ihrem Geburtsland Rumänien.

Seither ist sie harte Auseinandersetzungen gewohnt. Auch während ihrer Zeit als politische Beraterin an der Botschaft in Berlin, 2014, gab es nach einer israelischen Militäroffensive im Gazastreifen hasserfüllte Demonstrationen. "Natürlich ist nicht jede Israelkritik gleich antisemitisch", räumt sie ein, insbesondere unter Freunden müsse rationale Kritik möglich sein. "Aber man muss sehr hellhörig sein." Denn Antisemitismus gebe es nicht nur bei der extremen Rechten, sondern auch bei der extremen Linken - "und sogar, nicht selten und oft unwissentlich, beim Zentrum." Und mit den neuen Einwanderern hätten auch antijüdische Einstellungen in Deutschland zugenommen.

Vor ihrer Berliner Zeit hat Simovich vier Jahre lang Israel in Menschenrechtsfragen bei den Vereinten Nationen vertreten und musste sich dort gegen die geballte arabische Mehrheit wehren. "Da braucht man eine hohe Frustrationstoleranz", sagt sie und lächelt dabei souverän. Beirren ließ sie sich nicht. Die Mutter zweier Kinder und Juristin ist mit Herz und Seele Diplomatin.

Viel Zeit, München kennenzulernen, hatte sie bisher nicht. Denn als Generalkonsulin ist sie für fünf Bundesländer zuständig - Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland -, das bedeutet: Antrittsbesuche bei fünf Ministerpräsidenten, Vertretern von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, den jüdischen Gemeinden, Austausch mit Bürgermeistern und Landräten. Dass in Deutschland jedes Bundesland ein starkes Eigenleben führt, hat sie schnell gelernt, "aber selbst zwischen Bayern und Franken gibt es ja riesige Unterschiede", sagt sie und lacht. Auch Markus Söder hat sie schon kennengelernt, als vor Kurzem eine direkte Fluglinie Nürnberg-Tel-Aviv eröffnet wurde. Er hat ihr die Bedeutung Nürnbergs für die Entwicklung Bayerns erklärt. Und wenn es um Wirtschaftsbeziehungen geht, wollen die Franken natürlich vorne mit dabei sein.

In diesen Tagen feiern die Juden Chanukka, das Lichterfest, da gibt es religiöse Zeremonien, und im kommenden Jahr zelebriert Israel das 70. Jubiläum seiner Staatsgründung, dafür gibt es viel vorzubereiten. "It's good to be busy", sagt sie, und bleibt lieber beim Englischen, obwohl sie auch gut Deutsch spricht. Sie liebt es, unterwegs zu sein, sagt sie. Geboren ist sie in Rumänien, die Familie emigrierte nach Israel, als sie ein Kind war. Als Studentin reiste sie dann mit Rucksack durch den Nahen Osten und durch Mittelamerika, bevor sie in den Diplomatischen Dienst ging.

Dass Israel seit Beginn diesen Jahres seine Siedlungspolitik in Palästinensergebieten wieder vorantreibt und damit eine Zweistaatenlösung in weite Ferne rückt, macht es für sie nicht leichter, die offizielle Regierungslinie zu erklären. Sie hält sich mit offiziellen Stellungnahmen zurück. Doch ihre Aufgabe und ihr Anliegen sind es ja auch viel mehr, Israel als modernen, weltoffenen Staat zu zeigen, mit einer jungen, technologiebegeisterten Generation. Sie spricht deshalb lieber von den vielen Städtepartnerschaften, dem Schüler- und Jugendaustausch und den deutschen Start-ups mit israelischer Unterstützung, die in jüngster Zeit gefördert werden. Dass Bayern vor Kurzem eine Repräsentanz in Tel Aviv eröffnet hat, wird diese Beziehungen noch vertiefen.

Simovich wünscht sich, dass möglichst viele Deutsche nach Israel reisen, "denn wenn sie zurückkommen, denken sie anders über unser Land, dann haben sie seinen Charme kennengelernt". Sie sollen die schönen Seiten des Landes sehen, das in den Nachrichten oft nur mit Militär und Terror in Verbindung gebracht wird. Und sie sollen nicht nur die historischen Orte und die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchen, sondern auch das moderne, lebendige Israel kennenlernen. Demnächst werden Studenten der Münchner Filmhochschule einen Dokumentarfilm über Israel drehen, der im kommenden Jahr auf dem Dokfest gezeigt wird.

Dem Aufruf ihrer Regierung zu folgen, auch "digitale Diplomatie" zu betreiben, fällt Simovich nicht schwer. "Ich verbringe viel Zeit mit dem Smartphone", sagt sie. Und so sendet sie Facebook-Kommentare, twittert und meldet positive Nachrichten, die es selten in die großen Medien schaffen. "Wer weiß zum Beispiel, dass Israel Tausende syrische Flüchtlinge in seinen Krankenhäusern behandelt, obwohl Syrien zu unseren Erzfeinden gehört?" Es gebe viele Bereiche, in denen Juden und Araber friedlich zusammen arbeiteten.

Als sie in der Münchner Innenstadt vor kurzem ihren Sohn zum Haare schneiden brachte, kam sie mit dem Friseur ins Gespräch "und er erzählte mir, dass er selbst aus Syrien geflohen ist, in einem israelischen Krankenhaus behandelt wurde und jetzt begegnen wir uns in München beim Haare schneiden, was für ein Zufall".

Vor wenigen Tagen gab es gleich noch so eine Begegnung. Ihre Kinder wollten einen Nikolaus sehen, und als der Mann mit Bart und rotem Mantel zu sprechen begann, da kam Simovich der Tonfall irgendwie bekannt vor. "Sind Sie aus Ägypten?" fragte sie ihn, "Nein", sagt er, "näher: aus Palästina". Der Mann sei ein netter Nachbar.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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