Der TU-Campus in Garching:Studieren in Garchosibirsk

Hochmodern und menschenleer: Auf dem Campus in Garching studieren inzwischen mehr als 10.000 Studenten. Wir haben uns umgeschaut.

H. Schwarzenbeck

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TU-Campus, Garching

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Hochmodern und menschenleer: Auf dem Campus in Garching studieren inzwischen mehr als 10.000 Studenten. Wir haben uns mal umgeschaut.

"Garchosibirsk" - der Spitzname, den die TU-Studenten ihrem Campus in Garching gegeben haben, lässt nichts Gutes ahnen. Und tatsächlich: Wenn man die U-Bahn-Station "Forschungszentrum Garching" verlässt, sieht man nur riesige Flachbauten, weite Betonflächen, ausgestorbene Straßen und Baustellen. Doch wo sind die Studenten? Wir haben uns auf die Suche gemacht und den Campus Garching erkundet.

Foto: Ulla Baumgart Text: H. Schwarzenbeck

Campus Garching

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Im Wintersemester 2009/2010 studieren auf dem Campus in Garching 10.084 Studenten. Auf dem großen Areal sind nicht nur die TU, sondern auch Institute der LMU, vier Max-Planck-Institute, die Europäische Südsternwarte (ESO), das General Electric Research Center und das Gründungszentrum Gate angesiedelt.

SZ-Grafik: Laura Kapitany; Foto: Inga Rahmsdorf (Bearbeitung SZ); Quelle: Bauamt, eigene Recherche.

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Eröffnet wurde das Forschungszentrum Garching im Jahre 1957 mit der Inbetriebnahme des Atom-Eis. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Nutzungsfläche des Zentrums beinahe verdoppelt. Heute besuchen rund 16.000 Wissenschaftler und Studenten den Campus. Der Campus in Garching bleibt damit stärkster Standort der Technischen Universität München.

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Der neue, 46 Meter hohe Meteoturm des meteorologischen Instituts der TU steht am Eingang zum Forschungsgelände und soll die technische Kompetenz des Campus symbolisieren. Er erhebt Wetterdaten wie Temperatur, Windrichtung und Windgeschwindigkeit.

Foto: Ulla Baumgart

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Dass Technik und Wissenschaft in Garching zu Hause sind, ist unübersehbar. Doch gibt es auch Studenten? Das LMU-Gebäude der Fakultät Physik mit Beachvolleyball- und Fussballfeldern ist völlig verwaist...

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...und auch auf dem Areal des Chemie-Gebäudes ist keine Menschenseele zu sehen. Beide Komplexe sind Flachbauten aus den siebziger Jahren - und wirken abweisend und veraltet. Der Chemie-Gebäude wird derzeit von Grund auf saniert.

Nach längerer Suche finden sich doch noch drei Chemie-Studentinnen, die Auskunft über ihren Studienort geben. Sie sagen: "Hier ist es hässlich, aber dafür warm. Außerdem geht es bei uns gemütlicher zu als bei den Maschinenbauern oder den Mathematikern. Es ist alles kleiner und familiärer."

Der Campus Garching habt aber noch ein anderes, hochmodernes Gesicht...

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Wie ein Koloss aus Glas, Stahl und Stein steht das Gebäude der Fakultäten für Mathematik und Informatik auf einer weiten Betonfläche. Die Fahnen der TU hängen müde an ihren Masten. Und wieder: kein Student. Nicht umsonst wird der Komplex auch "Alcatraz" genannt: Diesen Spitznamen trägt das Gebäude nicht nur wegen seines abweisenden Äußeres. Alcatraz- das war auch das Motto einer Party, inspiriert von den unzähligen Türen in seinem Innern, die auf vielen Stockwerken wie Zellen auf langen, zum Innenhof offenen Gängen aneinander gereiht sind.

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Fakultät für Mathematik und Informatik, TU-Campus in Garching

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Doch die Atmosphäre im Inneren des Gebäudes ist alles andere als bedrückend. Hell, offen und sehr großzügig ist es hir, nicht wie eine dunkle Burg der Wissenschaft. Der geräumige Gang, der den Bau in seiner ganzen Länge durchzieht, ist vollständig mit Fenstern überdacht. Farbige, geometrische Dekor-Elemente und Pflanzen, dazu luftig konstruierte Treppenaufgänge und Brücken lockern die sonst schlicht in weiß gehaltene Innengestaltung angenehm auf. Und endlich sind sie da...

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... die Studenten! Sie sitzen an langen Holztischen, essen, unterhalten sich, lesen oder tippen in ihre Laptops. Über ihnen krümmen sich zwei riesige schwarze Röhren. Erst auf den zweiten Blick offenbaren die befremdlichen Eisen-Schläuche ihren Zweck: Durch sie kann man auf direktem Wege vom zweiten Stock ins Erdgeschoss rutschen. So erhoffte es sich zumindest der Architekt...

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In Wirklichkeit halten sich die Informatik- und Mathematikstudenten nämlich lieber an ihren Laptops fest. In großen Gruppen sitzen sie sich gegenüber. Ihnen gefällt das Gebäude. Einer von ihnen meint: "Hier ist es besser als in der Innenstadt. Im Vergleich zu den modernen Gebäuden der TU ist die LMU einfach zu abgewrackt." Wohnen wollen sie hier trotzdem nicht: "Hier in der Gegend ist tote Hose."

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In der Tat kommen die meisten Studenten und Lehrkräfte nur für die Veranstaltungen auf den Campus, der Großteil wohnt nach wie vor in München. Zwar hat sich das Angebot an Wohnheimsplätzen in Garching in den letzten sechs Jahren auf fast 500 Plätze verdreifacht, allerdings ziehen die Studenten nur sehr zögerlich in das ländliche Garching, das bislang ein wirkliches Studentenleben vermissen lässt.

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Neben dem Mathematik- und Informatikkomplex ist das Gebäude der Fakultät Maschinenwesen das größte und modernste auf dem Campus. Schon von der U-Bahn aus führen den Besucher überdimensionale, rot-weiß-gestreifte Rahmen in das Gebäude...

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... und lenken den Blick auch im Inneren des Baus geschickt den schier endlos wirkenden Mittelgang entlang. Die Ausmaße des Komplexes, in dem nur eine einzige Fakultät untergebracht ist, sind immens. Wie bei den Mathematikern und Informatikern auch, sind die Stockwerke zum zentralen Gang hin offen und durch zahlreiche Brücken- und Treppenkonstruktionen miteinander verbunden. Überall herrscht reges Treiben: Die Fachschaft Maschinenbau wirbt an einem Stand für die nächste Party, Seminargruppen kommen vorbei und Studenten stehen an den kleinen Cafeterien Schlange.

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In kurzen Abständen weitet sich der Gang zu Höfen, die von Studenten vielfach zum Lernen, Essen oder als Treffpunkt genutzt werden. Platz gibt es hier im Überfluss...

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Anderswo müssen sich Studenten in dunkle, mufflige Kellerkabuffs der Fachschaften drängen, um sich zwischen den Vorlesungen die Zeit zu vertreiben. Den Maschinenbauern steht gleich ein ganzes Untergeschoss mit Billardtisch, Couchecke und Kickertisch zur Verfügung. Auf die Frage, ob sie nach ihren Veranstaltungen ihre Freizeit auf dem Campus verbringen, meinen sie jedoch: "Nein, sonst kann man hier eigentlich nicht viel machen. Wenn ich mit meinen Freunden etwas unternehmen will, fahre ich nach Hause."

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Die Versuche der TU, das vermisste Studentenflair auf den Campus zu bringen, sind bislang kaum mit Erfolg gesegnet: Auch die kürzlich eröffnete Campus-Cneipe C2 und ihr kleiner Biergarten haben bei den Studenten nicht wirklich Anklang gefunden.

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Vielbesucht dagegen ist - nicht zuletzt aufgrund der unanfechtbaren Monopolstellung - die große Mensa. Täglich stehen hier vier warme Gerichte, Suppen, Nachspeisen und Salate zur Auswahl, die im Akkord auf die Schüsseln in den Plastiktabletts geschaufelt werden. Auch wenn die Mensa zu den älteren Gebäuden auf dem Campus gehört, fühlen sich die Studenten hier sichtlich wohl...

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...und bleiben auch gerne noch für einen Kaffee in der Cafeteria...

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... Auf der Terrasse der Cafeteria scheint mittags die Sonne. Auch im Herbst kann man hier noch eine halbe Stunde ausspannen, bevor es, wie bei diesen beiden Maschinenbauern, wieder an die Diplomarbeit geht.

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Forschungsarbeit auf hohem Niveau - genau die soll besonders mit zwei neuen großen Projekten auf dem Campus Garching gefördert werden. Im Zentrum des Forschungsgeländes, direkt neben der Fakultät Maschinenwesen, entsteht gerade ein neues Exzellenzzentrum für Graduierte.

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Keine Hundert Meter davon entfernt befindet sich ein weiteres Gebäude im Bau: Das Institute for Advanced Study soll Spitzenwissenschaftlern die Möglichkeit geben, ungestört zu forschen und sich interdisziplinär auszutauschen. Bislang nur in Planung ist dagegen die "Neue Mitte", die Restaurants, Cafés, Einkaufsmöglichkeiten und sogar ein Hotel beherbergen soll. Die Stadt Garching erhofft sich vom Ausbau der Infrastruktur einen belebteren, attraktiveren Campus und damit einen Wachstumsschub für die Stadt. Ein weiteres Projekt, das bislang jedoch nur als Grobkonzept existiert, ist der Campus Dome Garching. In diesem weltweit einzigartigen, futuristischen Vorhaben, sollen unter drei riesigen Kuppeln Siedlungen mit Studentenappartements, Eigentumswohnungen und Schwimmbad entstehen, in denen an 365 Tagen im Jahr "mediterranes Mikro-Klima" herrschen soll. Ob und wann dieses phantastisch anmutende Projekt umgesetzt wird, ist bislang noch unklar.

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Und so suchen sich die Studenten - vorerst zumindest - weiter Wohnungen im Stadtzentrum Münchens. Ein Student aus Ohio beurteilt das tägliche Pendeln sogar positiv: "Ich finde es gut, dass ich hier rausfahren muss, weil dann kann ich mein Privat- und mein Unileben trennen. Auf einem amerikanischen Campus ist das anders: Hier kommt es oft vor, dass sich das eigene Zimmer direkt neben dem Vorlesungssaal befindet. Das kann nerven."

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Viel Zeit und Geld verbraucht das Pendeln mit der U-Bahn. Gerade Lehramtsstudenten, die viel zwischen dem Campus in Garching un dem in der Innenstadt wechseln, müssen mit bis zu 45 Minuten Fahrtzeit rechnen. Hinzu kommen die Kosten: Monatlich schlägt eine MVV-Karte mit Studentenrabatt mit 66 Euro zu Buche. Eine Alternative zur U-Bahn gibt es jedoch für die meisten nicht. Zwar besteht die Möglichkeit, im Sommer an der Isar entlang zu radeln, allerdings dauert die Fahrt vom Marienplatz aus 45 Minuten.

Da überrascht es wenig, dass die U 6 meist mit überfüllten Zügen am Forschungszentrum ankommt - und am Ende des Tages den Campus Garching menschenleer zurücklässt. Es wird sich zeigen, ob die neuen Bauprojekte, insbesondere die "Neue Mitte", etwas an der leblosen Atmosphäre ändern können. Bis dahin bleibt den Studenten abends nur die Flucht aus Garchosibirsk.

Foto: H. Schwarzenbeck

Text: H. Schwarzenbeck

(sueddeutsche.de/sonn)

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