Etwas Unverwüstliches umweht die Geschichte vom Brandner Kaspar, der dem Boandlkramer, dem Tod, mit Kirschgeist und Kartentricks noch 18 zusätzliche Jahre Lebenszeit abtrotzt. Seit ihn Franz von Kobell 1871 zum "ewig' Leben" erweckte, führt er dieses auf bayerischen Bühnen in Dauerschleife, man denke nur an die Inszenierung des Münchner Volkstheaters. Ein ähnlich langes Leben blüht in jüngerer Zeit nur noch dem Eberhofer-Franz, dem in einem knappen Dutzend Romanen nebst zehn Verfilmungen ebenfalls ein Leben in Dauerschleife bevorzustehen scheint.
Eine unschlagbare Kreuzung aus alter und moderner Volksmär ergibt sich nun, wenn Eisi Gulp, der ewig bekiffte Vater des besagten Eberhofer-Franz, die Rolle des Boandlkramer übernimmt, wie jetzt in Wolfgang Maria Bauers Fortschreibung des Klassikers. "Der Brandner Kaspar 2 - er kehrt zurück" sorgte schon bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel für ausverkaufte Vorstellungen und wurde auch beim Spielzeitauftakt in der Komödie im Bayerischen Hof begeistert empfangen.

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Hauptverantwortlich ist dafür sicherlich Eisi Gulp, der geradezu idealtypisch mit seiner in die Gegenwart katapultierten Rolle verschmilzt. Spürbar zugute kommt dem 67-Jährigen, dass er früher Modern Dance praktizierte, sich auch heute noch elegant zu verrenken vermag, wenn er etwa hinsichtlich seiner sexuellen Identität erklärt, dass die zugleich männlich wie weiblich ergo irgendwie divers ist.
Vom Ansinnen des Brandner (mit rustikalem Charme verkörpert von Autor und Regisseur Wolfgang Maria Bauer) lässt er sich nur unter Zuhilfenahme von viel Kirschgeist überzeugen: Der langweilt sich nach sieben Jahren im Himmel nämlich immens, und weil der Flori, der Mann seiner geliebten Enkelin Marei, aufgrund finanzieller Engpässe plant, einer reichen Industriellenwitwe (herrlich geldgierig und hundenärrisch: Nicola Norgauer) den Garaus zu machen, sieht er dringenden Handlungsbedarf da unten auf der Erde.
Bauer steckt zwar selbst in der Lederhose, doch den Bayern, zumindest zwanzig Prozent von ihnen, liest er die Leviten: Sie fänden wegen ihrer politischen Ansichten vor dem jüngsten Gericht wohl keine Gnade - was das Publikum mit spontanem Applaus quittiert. Nun, wer damit gemeint ist, sei hiermit klar, fährt der Brandner fort: Diejenigen, die eben nicht applaudiert hätten.
Ironische Seitenhiebe hagelt es auch in puncto Kirche, wenn etwa der übergriffige Pfarrer bekennt, über mehrere "weibliche Umleitungen" seinen Weg zum Herrgott gefunden zu haben. Und ein Slapstick-gestählter Heiliger Geist (Paul Kaiser) mit sehr irdischen Begierden die attraktive Witwe an der gestrengen "Portnerin" (Christiane Rücker) vorbei in Richtung Paradies lotst. Zwar ist dem Ganzen ein gewisser Hang zur Albernheit nicht abzusprechen - das tut aber dem Vergnügen an diesem gut gespielten Stück modernen Volkstheaters keinen Abbruch.
Der Brandner Kaspar 2, bis 15. Oktober, Komödie im Bayerischen Hof