Süddeutsche Zeitung

Architektur und Kunst:Das sind Münchens neue Denkmäler

In der Stadt stehen 6800 Gebäude, Gärten und Kunstwerke unter Schutz. Nun sind mehr als ein Dutzend Objekte hinzugekommen - darunter auch vermeintlich kuriose.

Von Andrea Schlaier

Es geht nicht nur um den schönen Schein und die schmucke Postkarten-Fassade: Denkmäler sind Zeichen der Kultur ihrer Zeit, die mitunter herzhaft an ihnen genagt hat. Zuweilen sind nurmehr Bruchteile übrig oder sie werden erst bei Arbeiten zufällig entdeckt und als archäologisches Erbe freigelegt. Andere Zeugen einer Epoche sind dagegen so jung, dass sich manche wundern, dass diese schon denkmalreif sind und für Fachleute als mehr gelten, denn als flüchtige Mode.

In München sind etwa 6800 Gebäude, Brunnen, Brücken, Gartenanlagen, Friedhöfe, Standbilder oder Wegkreuze in die Denkmalliste eingetragen. 2022 kamen 15 neue hinzu, ein durchschnittlich hoher Wert. In der Mehrzahl trägt die Landeshauptstadt die Kandidaten, die für die Nachwelt mit Umsicht bewahrt und geschützt werden sollen, selbst der zuständigen Behörde an: dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.

2022 hat es etwa das Europäische Patentamt auf die Denkmalliste des Freistaats geschafft. Der mächtige schwarze Block am Isarufer ist in den 1970er-Jahren vom Büro Gerkan, Marg und Partner errichtet worden. Es gab damals reichlich Gegenwind, weil dafür 24 Häuser an der Isar abgerissen werden mussten - darunter einige Jugendstil-Gebäude. Aber auch vermeintlich Kurioses steht nun unter Schutz. Eine kleine Auswahl der jüngsten Denkmäler:

Städtisches Stadion an der Dantestraße

Wie alles, was geliebt wird, hört auch dieser Bau in der Bevölkerung auf eine Abkürzung: Das "Dante" ist das viertgrößte Stadion in der Stadt; wo einstmals 32 000 Sportfans Platz fanden, rücken heute nur noch 12 000 zusammen. Als "Bezirksstadion am Dantebad" wurde es nach Plänen von Fritz Beblo und Karl Meitinger errichtet und am 2. Juni 1928 eröffnet. Die Denkmalpfleger heben besonders den Zugang hervor. Straßenseitig ist hier bis heute zu lesen: "Der Münchner Jugend". Eine Besonderheit des Bauwerks ist die trapezförmige, überdachte Tribüne "mit mehrläufiger Treppe und großen Bogenöffnungen", unter der sich eine Turnhalle und Waschräume befinden.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Stadion beim Westfriedhof für Aufmärsche der Hitlerjugend genutzt. Der Vereinschronik zufolge trugen in der Saison 1943/44 neben dem FC Bayern auch der TSV 1860 München und der FC Wacker ihre Gauligaspiele hier aus. Nach dem Sturz des NS-Regimes entdeckte die US-Armee das Stadion für sich und nutzte es von 1945 bis 1953 für American Football und Baseball. Heute ist das Städtische Stadion an der Dantestraße in Gern die Heimat der beiden Münchner American-Football-Mannschaften "Cowboys" und "Rangers". Gelegentlich finden hier auch Leichtathletikveranstaltungen, Jugendfußball-Turniere und Sportfeste von Schulen statt.

Berliner Bär an der Autobahn

Großer Auftrieb im Juni 1962 auf dem Mittelstreifen der Autobahn A9: Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, Münchens Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und der bayerische Innenminister Alfons Goppel enthüllen auf Höhe der heutigen Anschlussstelle Fröttmaning einen Berliner Bär in Bronze. Das Wappentier der heutigen Bundeshauptstadt stammt von der Bildhauerin und Grafikerin Reneé Sintenis und ruht auf einem hohen Steinsockel. "München Berlin" steht dort in Großbuchstaben zu lesen und verweist auf die Idee, die damals landauf, landab als Zeichen an die Autobahnen gestellt wurde: Die "Berliner Meilensteine" sollten Werbung machen für die politische und finanzielle Unterstützung der von der DDR umschlossenen Stadt. An vielen Standorten wurde außerdem die Entfernung nach Berlin angegeben.

Der Münchner Bär ist dabei ein besonders schönes und freundliches Modell. Im Gegensatz zu vielen anderen ist er nicht allein als Graffito in Stein gehauen, sondern erhebt sich als Skulptur über den Verkehr; ein aufrecht schreitendes Tier, das den Eindruck macht, gleich selbst loslaufen zu wollen Richtung Spree. Die bei den Berliner Filmfesten verliehenen Bärenplastiken stammen übrigens ebenfalls aus den Händen von Reneé Sintenis. In zahlreichen Städten wurden die "Berliner Meilensteine" nach dem Fall der Mauer abgebaut, zerstört oder an nicht verzeichneten Stellen gelagert. Für sie bestand in der Regel kein Denkmalschutz. Für den Münchner Bären seit 2022 schon.

Zeichen 74 am Eisbach

Die kleine Kunstplattform überm Eisbach ist nicht der übelste Ort in der Stadt, um die Beine baumeln zu lassen. Eher einer der vielfach ausgezeichneten. 2022 ist aus dieser Anlage am Rande des Englischen Gartens noch ein weiteres Element in den Rang eines Denkmals aufgerückt: die flügelartige Plastik "Zeichen 74" des Berliner Bildhauers Bernhard Heiliger (1915-1995). Die Aufhebung von Masse und Volumen sowie das Festhalten von Bewegung in einem statischen Moment gelten als zentrale Aspekte seines Schaffens. Heiliger hat 1956 an der Biennale in Venedig teilgenommen, als Auftragswerk entstand sein "Figurenbaum" für den deutschen Pavillon der Weltausstellung Expo 58 in Brüssel. Sein "Zeichen 74" steht im Tucherpark neben dem ehemaligen EDV-Zentrum der Landeszentralbank - angeschafft auf Vermittlung von Sep Ruf, einem der bedeutendsten Nachkriegsarchitekten.

Unter dessen Federführung ist an der Stelle in den späten 1960er-Jahren das Büroviertel in parkartiger Umgebung entstanden. Die einheitlich geplante Siedlung ist als Ensemble bereits in die Denkmalliste des Freistaates eingetragen. Bauherr war die Bayerische Vereinsbank. Ende 2019 wechselte der Tucherpark den Besitzer. Der neue Eigentümer will auf dem 160 000 Quadratmeter großen Grundstück ein urbanes Quartier schaffen, in dem Arbeit, Wohnen und Freizeit verschmelzen. Das "Zeichen 74" ist Teil des Kunstparks: eine Zone, reich an Exponaten unterschiedlicher Spielart, die in ihrer Gesamtheit die planerische und künstlerische Qualität der Anlage unterstreichen soll.

Verwaltungsgebäude der Bayerischen Rückversicherung

In den vergangenen Jahren rücken Bauwerke der Nachkriegszeit immer stärker in den Fokus der Denkmalpflege: auch Büro- und Verwaltungsgebäude gehören dazu - wie zum Beispiel der Tucherpark. Dort finden sich auch Gebäude des Architekten Uwe Kiessler. Dessen Verwaltungsgebäude, ehemals Sitz der Bayerischen Rückversicherung am Sederanger 4-6, wurden zusammen mit der Skulptur "Zeichen 74" von Bernd Heiliger als Einzeldenkmal anerkannt.

Kiesslers gläserner Gruppenbau, entstanden in den 1970er-Jahren, besteht aus drei zusammenhängenden kreisförmigen Stahlbetonbauten und einem freistehenden Rundbau; der Komplex wurde Ende der 1980er-Jahre aufgestockt. Die Bayerische Vereinsbank, heute Hypovereinsbank, war in den 1960er-Jahren aus der Innenstadt an deren Rand gewandert, um sich zu erweitern. Den Stammsitz hat sie gleichwohl in der City behalten. Die Wahl fiel auf das Gelände der Tivoli-Kunstmühle im Osten des Englischen Gartens. Seinen Namen verdankt der Tucherpark dem damaligen Vorstandssprecher der Bayerischen Vereinsbank, Hans Christoph Freiherr von Tucher (1904-68). Er gilt als Initiator der Siedlung.

Historisches Wohnhaus in Milbertshofen

2022 hat Milbertshofen ein neues Denkmal bekommen. Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens, weil es sich bei dem Wohnhaus mit Laden an der Schleißheimer Straße 314 bereits um ein Investoren-Modell gehandelt hat: sprich der Abriss und ein Neubau an selbiger Stelle standen bevor. Zweitens wimmelt es im Münchner Norden nicht vor denkmalträchtigen Objekten. Letztlich hat eine Anfrage der Abendzeitung das Landesamt für Denkmalpflege erst aufmerksam darauf gemacht, dass es sich bei dem Gebäude um ein erhaltenswertes Gut handeln könnte. 1913 wurde das zweigeschossige Haus mit Mansardendach und Mittelerker von Otto Lohner im Reformstil gebaut. Die Fassade, urteilen die Denkmalpfleger, sei noch umfassend aus der Bauzeit überliefert.

Dies rechtfertigte eine eingehende Prüfung auf Denkmaleigenschaften. Für den Bauherrn, eine Projektgesellschaft, hieß das: Bis ein Ergebnis vorliegt, ist das Baugenehmigungsverfahren ausgesetzt. Geplant hatten die Besitzer Abriss und Neubau des Wohnhauses mit zwölf Wohneinheiten. Daraus wird nun nichts. Der historische Bestand ist mit dem Eintrag in die Denkmalliste geschützt. Und damit ein steinerner Zeitzeuge aus den Tagen, als Milbertshofen mit seinen etwa 4000 Einwohnern von der kleinsten Stadt in Bayern zu einem eingemeindeten Münchner Stadtviertel wurde.

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