Denkmalgeschütztes Haus zerstört:Illegaler Abriss in Giesing: Dem Bauherrn droht hohes Bußgeld

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  • Nach dem illegalen Abriss eines unter Denkmalschutz stehenden Hauses in Giesing fordern immer mehr Menschen drakonische Strafen für die Verantwortlichen.
  • Der Bauherr hatte gesagt, die Arbeiter hätten gar keinen Abrissauftrag - doch wenig später kehrten sie an die Baustelle zurück.
  • Die Polizei hat inzwischen Anzeige gegen den Geschäftsführer der Baufirma erstattet.

Von Alfred Dürr und Hubert Grundner, München

Der hastige Abriss des unter Denkmalschutz stehenden Handwerkerhäuschens in Giesing kann die Verantwortlichen teuer zu stehen kommen. Das städtische Planungsreferat kündigte an, alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten ausschöpfen zu wollen. Unter anderem droht ein Bußgeld in sechsstelliger Höhe. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sprach am Montag von einem Skandal und will "mit aller Härte gegen die Verantwortlichen vorgehen".

Am vergangenen Donnerstagnachmittag war der Bagger an der Oberen Grasstraße 1 aufgefahren. Anwohner alarmierten die Polizei. Die städtische Bauaufsicht, die Lokalbaukommission, sei unverzüglich gekommen und habe einen Baustopp sowie die Absicherung der Baustelle verfügt, teilt die Stadt mit. Darüber sei auch der Bauherr informiert worden. Dieser habe am Telefon erklärt, dass die Arbeiter keinen Abrissauftrag gehabt hätten und er die Tätigkeiten kritisch verfolgen würde.

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Die Zerstörung eines denkmalgeschützten Hauses ist ein besonders schäbiger Akt - aber nur einer von vielen in München. Empörung alleine reicht nicht, um gegen so etwas vorzugehen.

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Dennoch seien schon am darauffolgenden Tag die Abrissarbeiten "erneut und in großer Eile" erfolgt, so die Stadt - "bevor die wiederum zur Oberen Grasstraße gerufenen Behörden eingreifen konnten". Ein für den Stadtteil identitätsstiftendes und als Teil der ehemaligen Feldmüllersiedlung unter Denkmalschutz gestelltes Gebäude aus dem Jahr 1840 sei unwiederbringlich zerstört worden.

Die Polizei hat inzwischen Anzeige gegen den Geschäftsführer der Baufirma erstattet. Generalkonservator Mathias Pfeil, Leiter des Landesamts für Denkmalpflege, nennt das "dreiste Vorgehen" in Giesing erschreckend und beklagt "einen immensen Verlust für das bauliche Erbe Münchens". Pfeil sagt: "Ich halte diesen Präzedenzfall, gerade in München angesichts des hohen Baudrucks, für außerordentlich gefährlich."

Nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz haben Eigentümer eines Baudenkmals ihren Besitz "instandzuhalten, instandzusetzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, soweit ihnen das zuzumuten ist". Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, muss mit einer Geldbuße von bis zu 250 000 Euro rechnen.

"Dagegen muss mit den schmerzhaftesten Mitteln vorgegangen werden"

In der Nachbarschaft mag sich die erste große Welle der Wut über den Abriss des Handwerkerhauses gelegt haben. Dafür werden jetzt in Giesing die Stimmen lauter, die nach drakonischen Strafen für die Verantwortlichen rufen. Nur um Reibach zu machen, sei da "mutmaßlich eine kriminelle Sache gelaufen", sagt Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne), die Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Obergiesing-Fasangarten. "Dagegen muss mit den schmerzhaftesten Mitteln vorgegangen werden." Die Stadt müsse ein deutliches Signal senden, damit sich so etwas nicht wiederhole.

Vor allem dürfe ein solcher Verstoß gegen Recht und Gesetz am Ende nicht auch noch mit höherem Baurecht belohnt werden, sagt Dullinger-Oßwald. Viele Nachbarn wie Matthias Rajmann hegen von Anfang an einen Verdacht: Durch den Abriss sollten Fakten geschaffen werden, um in Anlehnung an den Paragrafen 34 des Baugesetzbuches ("Einfügungsgebot") anstelle der ursprünglich vorgesehenen Renovierung des kleinen Baudenkmals eine Bebauung bis auf die Traufhöhe der Nachbargebäude zu erreichen.

Auch der Ortsverband Giesing-Harlaching der Grünen zeigt sich empört. Er verlangt, dass die Lokalbaukommission zur nächsten Sitzung des Bezirksausschusses erscheint. "Wir werden die Lokalbaukommission auffordern, drastische Konsequenzen aus diesem kriminellen Vorgehen zu ziehen", kündigt Joachim Lorenz an, BA-Fraktionsvorsitzender der Grünen und langjähriger Umweltreferent der Stadt.

Ähnlich harsche Kritik übt der SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Alexander Reissl. Der Denkmalschutz sei dazu da, den Charakter der Stadt und ihrer Viertel zu bewahren. Dass ihn jemand missachte, sei nicht hinnehmbar. "Außerdem muss geklärt werden, was auf dem Grundstück geschieht und wie ein derart rücksichtsloses und rechtswidriges Vorgehen künftig verhindert werden kann", sagt Reissl.

Die Stadtratsfraktion von Grünen/Rosa Liste erkundigt sich in einer Anfrage nach den Ursachen und den Konsequenzen dieses "kriminellen Vorgehens". Zugleich fordert Fraktionschefin Gülseren Demirel ein konsequenteres Vorgehen gegen Spekulantentum auf dem Immobilienmarkt: "Unter Umständen brauchen wir auch schärfere Gesetze gegen derartig bedenkenlose Zerstörung von historisch gewachsener Bausubstanz", so Demirel. "Für einen Fall wie die Obere Grasstraße könnte auch Enteignung eine gerechte Strafe sein."

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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