Denkmal:Operation Luftraum

"Helmut Dietl und Helmut Fischer zusammengeschweißt, wie im richtigen Leben" - die Initiative, die dem Regisseur eine Statue errichten will, hat eine neue Idee für die Realisierung und will nicht länger auf die Stadt warten

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Vom ersten Stock des Café Münchner Freiheit hat man einen guten Blick auf die Bronze-Statue von Helmut Fischer, jenem Schauspieler, der den Monaco Franze so genial verkörperte. Die drei Männer am Tisch schauen hinunter auf die Skulptur, die den Passanten seit 1997 diesen unvergleichlich lakonischen Monaco-Franze-Blick hinterherwirft. Sie sind alle drei ziemlich sauer, oder, wie der Monaco-Erfinder Helmut Dietl es wohl gesagt haben würde: sauber angefressen. "Es braucht endlich jemanden, der einen Arsch in der Hos'n hat, und endlich sagt: Macht's es", sagt Werner Lederer-Piloty.

Der Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann besteht darauf, dass der Satz genau so zitiert wird. Denn er und die beiden anderen, die Eigentümer des Traditionscafés, Karl senior und Karl junior Eisenrieder, machen deutlich, dass sie es leid sind, auf so jemanden zu warten. Seit gut anderthalb Jahren sind die drei Männer Hauptakteure bei dem Projekt, dem 2015 verstorbenen Autor und Regisseur Helmut Dietl direkt neben der Monaco-Skulptur eine Statue zu errichten. Und nun ist der Geduldsfaden gerissen, wie das Trio durchblicken lässt. "Wir werden jetzt einfach ohne Genehmigung loslegen", kündigt Karl Eisenrieder senior an und fügt hinzu: "Dann soll die Stadt halt entscheiden, dass die Statue wieder weg muss." Und sollte sie die Statue wieder weghaben wollen, prophezeit Lederer-Piloty, "wird sich eine Menschenkette bilden, die das zu verhindern weiß".

Es ist ein neuer Akt im Gezerre um das Dietl-Denkmal, wie ihn sich der für seinen hintergründigen Humor gerühmte Regisseur wohl selbst nicht besser hätte ausdenken können: Ohne behördliche Erlaubnis soll nun der Auftrag für das Dietl-Denkmal an den Bildhauer Nikolai Tregor ergehen, Schöpfer der Monaco-Statue. Das nötige Spendengeld für die geschätzt 85 000 Euro teure Plastik ist laut Lederer-Piloty längst beisammen. "Wir wollen nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten", sagt Karl Eisenrieder junior. "Ich bin jetzt 80 Jahre alt und will die Einweihung der Statue noch erleben", fügt sein Vater hinzu.

Denkmal: Eine Fußspitze wird am linken Fuß des Monaco Franze, die andere am Tischbein, die linke Hand an der Tischplatte angebracht - so stellt sich Bildhauer Nikolai Tregor eine Lösung im Denkmalstreit vor, die den öffentlichen Raum verschont.

Eine Fußspitze wird am linken Fuß des Monaco Franze, die andere am Tischbein, die linke Hand an der Tischplatte angebracht - so stellt sich Bildhauer Nikolai Tregor eine Lösung im Denkmalstreit vor, die den öffentlichen Raum verschont.

(Foto: Nikolai Tregor/oh)

Im Mai 2018 scheint es noch, als könnte alles ganz einfach gehen. Der Kulturausschuss des Stadtrates berät über ein mögliches Dietl-Monument und entscheidet: Eine Realisierung als städtisches Projekt wird abgelehnt. Ausdrücklich begrüßt wird in dem Beschluss aber "das erinnerungspolitische Engagement", und es wird "auf die Möglichkeit der Projektförderung für Initiativen aus dem Bezirk verwiesen". Diesen Passus, so sagte es der SPD-Politiker Lederer-Piloty schon öfter und nun auch wieder beim Gespräch im Café, "interpretieren wir als Genehmigung".

Auch das städtische Direktorium, die Koordinationsstelle für die Bezirksausschüsse, tut das zunächst. Die Behörde richtet ein Spendenkonto ein, auf dem 70 000 Euro eingehen - stoppt im Februar 2019 dann aber überraschend das Projekt, zahlt die Spenden wieder zurück; es heißt, der ausgewählte Künstler Tregor habe Schulden, womöglich flösse das Geld an Gläubiger. Dazu führt das Direktorium kurioserweise den erwähnten Stadtratsbeschluss als Ablehnungsgrund an. "Es ist eine Frage der Sichtweise des Gedenkens im öffentlichen Raum", heißt es.

Offenbar war der Behörde plötzlich aufgefallen, dass das Denkmal gar nicht auf Privatgrund stehen wird. Auch die Monaco-Statue, der die Dietl-Bronze beigestellt werden soll, befindet sich auf der Freischankfläche des Café Münchner Freiheit, auf städtischem Grund also. Und für Kunstwerke im öffentlichen Raum wird gewöhnlich ein Wettbewerb abgehalten, werden Fachgremien und der Stadtrat befasst. Andererseits: Ex-OB Christian Ude hatte damals einfach verfügt, das Monaco-Kunstwerk aufzustellen, ohne den Stadtrat zu fragen, worüber sich seinerzeit indes niemand beschwerte. "Warum auch?", sagt Karl Eisenrieder junior, "jeder hat sich gefreut."

Nikolai Tregor, 2018

Er wartet auf den Auftrag: Bildhauer Nikolai Tregor.

(Foto: Stephan Rumpf)

Mindestens 17 Stadträte würden sich auch über ein Dietl-Monument freuen. So viele haben im Juli einen gemeinsamen Antrag von SPD- und CSU-Rathausfraktion an den Oberbürgermeister unterzeichnet, "städtischen Grund" für die Statue zur Verfügung zu stellen. Doch OB Dieter Reiter hat nach Lederer-Pilotys Worten bisher lediglich die Verwaltung angewiesen, die Sache zu prüfen. Seitdem kam nichts mehr, auch auf wiederholte Nachfrage nicht, berichten die Eisenrieders und der BA-Vorsitzende. Dafür gebe es Nachfragen von den Spendern, die ihr Geld nun auf das Konto der Projekt-Organisation, des Vereins Domagk Kunstunterstützung, überwiesen haben. Eine Sprecherin des Kulturreferats teilt auf Anfrage mit: Derzeit könne man zu der Sache keine Aussage treffen - denn der Stadtrat werde sich bis Jahresende nochmals mit der Angelegenheit befassen.

Die Initiatoren sind ohnehin der Auffassung, dass sie gar keine Genehmigung brauchen. Lederer-Piloty erklärt das so: Die Dietl-Statue werde eine "Ergänzung zur vorhandenen Monaco-Franze-Skulptur". Da Tregor das Urheberrecht halte, sei auch kein Wettbewerb nötig, zumal für "die Ergänzung" kein Fundament am Boden vorgesehen sei. Qua Tregors Entwurf soll die Dietl-Figur auf einem Stuhl sitzen; eine Fußspitze wird am linken Fuß des Monaco, die andere am Tischbein, die linke Hand an der Tischplatte angeschweißt, wobei der Tisch Teil des Kunstwerks sei. "Helmut Dietl und Helmut Fischer zusammengeschweißt, wie zu Lebzeiten", kommentiert Karl Eisenrieder junior. Lederer-Piloty ergänzt: "Wir nehmen lediglich etwas Luftraum in Anspruch, den die Familie Eisenrieder von der Stadt gepachtet hat."

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