Den Landtag als Ziel (3):Von Karl May zu Karl Marx

Aus der Klosterschule ist Fritz Schmalzbauer abgehauen, jetzt ist er ein Managertyp und kandidiert für die Linken - außer seiner Mutter hat sich noch niemand beschwert.

Anna Fischhaber

Vor nicht allzu langer Zeit war Fritz Schmalzbauer bei einem Treffen mit 300 Milchbauern in einem Ort hinter Rosenheim. Als die Landwirte seinen Namen hörten, war das Gelächter groß. "Hast Du Viecher?", fragte einer. "Leider nein, außerdem kandidiere ich für den Landtag", rief Schmalzbauer der johlenden Menge zu. Noch bevor er sagen konnte, dass es nicht für die CSU da ist, begannen die Bauern zu klatschen. "Ich bin von den Linken", fügte Schmalzbauer hinzu. "Macht ja auch nichts", rief einer und die Milchbauern klatschten weiter.

Den Landtag als Ziel (3): Bayerische Tradition und die Linke - bei Fritz Schmalzbauer in der Schwanthalerstraße längst Alltag.

Bayerische Tradition und die Linke - bei Fritz Schmalzbauer in der Schwanthalerstraße längst Alltag.

(Foto: Foto: Anna Fischhaber)

Einst galt die Linke als Exotentruppe in Bayern, als unwählbar. Diesmal hat die Partei gute Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen und in den bayerischen Landtag einzuziehen. In der Schwanthalerstraße ist diese Verbindung längst Normalität: Direkt neben der "Boarischen Wirtschaft" residiert die Linkspartei. Schmalzbauers Wahlkreis beginnt am traditionsreichen Viktualienmarkt. Und nur weil er ein Linker ist, heißt das noch lange nicht, dass er kein Bairisch spricht.

"Es mag schon sein, dass in Grünwald noch ein paar Bürger vor uns erschrecken", sagt der gebürtige Münchner. "Aber den Rest halte ich für so bodenständig, dass sie uns in die Augen schauen und sagen: Vielleicht wählen wir die, vielleicht nicht."

Beschwert hat sich bislang nur die Mutter

Der studierte Ökonom mit dem braun gebrannten Gesicht und dem schicken Anzug ist Geschäftsführer eines gewerkschaftsnahen Bildungsträgers. Überhaupt passt der vitale 61-Jährige nicht unbedingt in die Vorstellung, die man bislang von einem Linkspolitiker hatte, er erinnert eher an einen eifrigen Manager. Vielleicht liegt es daran, dass er an diesem Morgen schon um sechs Uhr aufgestanden ist, um zwei Stunden über den Chiemsee zu rudern - sein "Ersatzmeer" bei München. Oder daran, dass Schmalzbauer ausgebildeter Nordic Walking-Trainer ist.

Ganz nebenbei ist er aber auch Spitzenkandidat der Linken in Oberbayern. Außer seiner Mutter habe sich in seinem Bekanntenkreis noch niemand darüber beschwert. "Und die ist 102 und Kummer gewöhnt. Außerdem findet meine Mutter es gut, wenn man sich rührt." Und gerührt hat sich Schmalzbauer schon immer. Seine Jugend hat er in einer Klosterschule im bayerischen Oberland verbracht. "Die Enge des Klosters hat dazu geführt, dass ich einen Ausgang gesucht habe - zunächst weniger über Karl Marx als über Karl May. Mit 14 bin ich abgehauen, die Klosterschule hat mich deshalb rausgeschmissen", erinnert er sich.

Später ist Schmalzbauer dem Verein "Das andere Bayern" beigetreten. Weil es damals noch kein Kurt-Eisner-Denkmal in München gab, haben sie sich als Straßenarbeiter verkleidet und an dem Punkt, wo Eisner erschossen wurde, beim Hotel Vier Jahreszeiten, den Boden aufgegraben und dort ein Bild von ihm versenkt - die Polizei habe nur zugeschaut. Als die SPD die Agenda 2010 auf den Weg brachte, übte Schmalzbauer öffentlich Kritik und trat aus der Partei aus, um die WASG mitzugründen, die sich inzwischen mit der PDS zur Linkspartei vereinigt hat.

Ohne Laptop, mit Lederhosen

Für die Linken opfert Schmalzbauer sogar seinen Sommerurlaub. Die nächsten Wochen, hat er sich freigenommen, um genug Zeit für "Klinkenputztechniken" in Wahlkreis 101, der sich von der Altstadt über die Schwanthalerhöhe bis nach Hadern zieht, zu haben. Bislang bleibt der Spitzenkandidat bescheiden: "Ich bin ja kein Franz Maget, der sich schon zum Ministerpräsidenten ausgerufen hat, wie ein Napoleon", sagt Schmalzbauer. "In der Innenstadt wohnen natürlich viele Leute, die an der Sonnenseite sitzen - ich habe nicht die Illusionen, dass uns dort 80 Prozent wählen."

Auf die Außenseiterrolle will er sich aber auch nicht festlegen lassen. "Wenn man sich die bayerische Geschichte anschaut, dann gibt es eine ganze Reihe von Personen, die immer kritisch gegenüber den Herrschenden waren - von Oscar Maria Graf bis zu Karl Valentin. Es gibt ein anderes Bayern als sich Herr Huber das vorstellt." Harz IV zum Beispiel finde man heute in jedem noch so kleinen bayrischen Dorf. Und auch die Formel der CSU, Laptop und Lederhosen, sei mehr als überholt, findet Schmalzbauer, der seine Tracht nur auf der Wiesn anzieht. "Ich kenne jede Menge Leute, die können sich keinen Laptop leisten. Und eine Lederhosen schon gleich gar nicht."

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