Demonstration:Zirkusleute verstehen die Aufregung um den Tierschutz nicht

Antilope Makumba

André Kaiser wirbt mit exotischen Tieren, Tierschützer protestieren.

(Foto: Catherina Hess)

Tierschützer und manche Politiker kritisieren vehement die Haltung von Tieren in Zirkussen. Trotz weiterer Sorgen denken deren Betreiber aber nicht ans Aufgeben.

Von Günther Knoll

"Oh schön, schau, ein Zirkus." Den Fahrgästen im Linienbus vom Pasinger Bahnhof nach Fürstenried bietet sich auf freiem Feld an der Blumenauer Straße ein nicht alltägliches Bild. Sie sieht idyllisch aus, die kleine Zeltstadt in Weiß-Rot. Tiere grasen auf der Weide, bei näherem Hinsehen erkennt man Kamele, Dromedare, Büffel, Antilopen, Ziegen natürlich und Ponys. Aussteigen will deshalb jedoch keiner an der nächsten Haltestelle, obwohl der Zirkus Kaiser ringsum fleißig plakatiert hat. Die erste Vorstellung am Donnerstagnachmittag muss ausfallen - zu wenig Besucher.

Während sich früher Zirkusgastspiele als Attraktion in den örtlichen Zeitungen fanden, ist es heute eine Nachricht aus dem Polizeibericht, die dem Zirkus Kaiser Schlagzeilen verschaffte: Ein Strauß aus seiner Tierschar wurde auf der Straße überfahren. Für Direktor André Kaiser ist klar, wer schuld ist: Radikale Tierschützer hätten den Transporter aufgebrochen und den Vogel befreit.

Seit einigen Wochen schon werde seinem kleinen Wanderzirkus massiv zugesetzt. Die Tierrechtsorganisation Peta weist jede Schuld an dem Vorfall von sich. Diese Vorwürfe seien "haltlos und absurd", heißt es in einer Pressemitteilung. Aus dem Zirkus seien wiederholt Tiere ausgebrochen, das zeige nur das fahrlässige Handeln des Betreibers, dem müsse deshalb die Genehmigung für die Zurschaustellung der Tiere entzogen werden.

"Wir gehen gut mit unseren Tieren um", wehrt sich Artur Kaiser, Bruder von André, der in dem Familienbetrieb "Aufbaumeister, Tierpfleger, Artist und Mechaniker in einem" ist, wie er selbst sagt. Er selbst sei 26 Jahre alt, der tote Strauß sei 30 gewesen, "ich bin praktisch mit ihm aufgewachsen". Sein Zirkus sei berühmt für die exotischen Tiernummern, aber man führe keine Extrem-Dressuren vor, "die Tiere laufen halt einmal durch die Manege".

Früher seien die Anwohner hilfsbereiter gewesen

Und was die Haltung angehe, da werde man sowieso ständig kontrolliert - ohne Beanstandung. Alle 65 Tiere hätten genügend Futter und ausreichend Auslauf. Davon könne sich jeder überzeugen. Ein paar Spaziergänger tun das an diesem Nachmittag, eine Passantin bedauert, dass sie an dem Tag mit dem Strauß-Unfall nicht wie sonst abends mit ihrem Hund unterwegs gewesen sei, "vielleicht hätte ich ihn gesehen und Alarm geschlagen".

Hilfsbereite Anwohner, das sei früher einmal die Regel gewesen, sagt Artur Kaiser. Sein Vater habe ihm erzählt, dass man keine Arbeiter gebraucht habe beim Aufbau an einem neuen Standort, "da kam immer die Dorfjugend". Heutzutage muss das die Familie selbst erledigen. Und über die artistischen Kunststücke, die sie danach aufführt, staunen nur wenige Besucher in so einem Zirkuszelt wie dem der Kaisers, das eigentlich locker Platz hat für 500.

Doch bei der Konkurrenz durch all die vielen anderen Attraktionen in einer Großstadt sei es kaum zu füllen, weiß Artur Kaiser. Dazu die Tierschutzkampagnen, und dann noch der Kampf um die Standplätze, die immer weniger würden. "So ein Zirkus hat es heute nicht leicht", sagt Artur Kaiser. Aufgeben aber wolle man nicht, "das ist unser Leben". Bis zum 1. Mai gibt es täglich eine Vorstellung um 16 Uhr, am Sonntag zusätzlich um 11 Uhr.

Demonstrationen sind die Zirkusleute schon gewöhnt

Für diesen Sonntag, 24. April, hat sich zusätzlicher "Besuch" angekündigt: Das Peta-Zwei-Streetteam München will vor dem Zirkus gegen die Haltung von Tieren in Zirkusbetrieben protestieren, wie es in einer Pressemitteilung heißt. "Die Vorfälle auf Aktivisten von Peta zu schieben, ist der in unseren Augen klägliche Versuch von der eigenen Fahrlässigkeit abzulenken. Das sind keine traurigen Einzelfälle. Bei Zirkus Kaiser befreien sich die Tiere regelmäßig und jedes Jahr an verschiedenen Spielorten", kritisiert Maria Martens, die örtliche Leiterin des Peta-Streetteams.

Demonstrationen vor dem Kassenhäuschen ist man auch bei den beiden anderen Wanderzirkussen gewohnt, die zur Zeit in München gastieren. Diskussionen aber seien da zwecklos, sagt der Chef des Circus Baldoni, Anton Kaiser. Seine Tiere stammten alle seit Generationen aus Zoo- oder Zirkushaltung, "da ist kein einziger Wildfang dabei".

"Zirkusleute arbeiten mit einem Elefanten wie der Bauer mit der Kuh", Zwang gebe es da nicht, das spreche man auch in den Vorstellungen und bei der Tierschau an. Baldoni macht derzeit Station in Oberföhring an der Cosimastraße, bis zum 8. Mai gibt es dort jeweils Freitag bis Sonntag Vorstellungen um 16 Uhr.

Seine Tiere seien "eigentlich Haustiere" sagt Anton Kaiser. Dromedare, Kamele, Lamas? "Ein bisschen Exotik" gehöre dazu. Den Tiger allerdings gibt es bei Baldoni nur in Gummi, er gehört zu dem großen Vergnügungspark aus Hüpfburgen und -figuren, der neben den Zelten gerade aufgeblasen wird.

Ein anderer Job? "Das wäre kein Leben für mich"

Die Luft ist also nicht raus aus dem Wanderzirkus-Betrieb? Mit solch zusätzlichen Attraktionen versuche man über die Runden zu kommen, erklärt Anton Kaiser. "Wir sind nicht verwöhnt." Den Zirkus gegen einen anderen Job tauschen? "Das wäre kein Leben für mich." Baldoni sei ein Wanderzirkus in der siebten Generation, "und wir brauchen uns nicht zu verstecken mit unserem Programm", sagt Kaiser stolz.

Robert Frank, Chef des Zirkus Roberto, sagt, dass man die Tourneen und Spielorte vorher untereinander abspreche, man wolle sich nicht Konkurrenz machen. Frank, den sie wegen seiner Körpergröße und den neun Kindern in der Branche "Fruchtzwerg" nennen, schwärmt viel von den früheren besseren Zirkus-Zeiten bei der Unterhaltung im Westpark, wo seine blauen Zelte und Transporter stehen.

Gleichzeitig nimmt er am Handy Reservierungen für die nächsten Vorstellungen entgegen, die noch bis zum Sonntag auf dem idyllischen Platz zwischen Wasser und Bäumen stattfinden. Er ist Realist: Mit 30 bis 70 Besuchern pro Vorstellung komme man so über die Runden, wenn nichts Außergewöhnliches passiere. Dass seine Plakate mit dem Hinweis "wegen Tierquälerei abgesagt" überklebt würden, das findet er inzwischen schon "normal".

Verstehen kann Frank den Zweck solcher Proteste nicht, immer gehe es gegen den Zirkus, "als ob man die Zirkusleute kaputt machen will". Auch Kommunen verweigerten inzwischen Auftrittsmöglichkeiten oder verlangten unbezahlbare Platzmieten. Warum der Zirkus einen so geringen Stellenwert hat in Deutschland, können alle drei Zirkusleute nicht verstehen. Eigentlich, so sagen sie, müsste er als Kulturgut gefördert werden wie in Frankreich oder Italien. Aber aufhören? "Es gibt kein schöneres Leben", da sind sie sich einig.

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