Demonstration vor NSN-Zentrale:"Siemens muss handeln"

Die Jobs von mehr als 3000 Beschäftigten sind in Gefahr: Vor der Konzernzentrale am Wittelsbacherplatz haben 2500 Siemens-Mitarbeiter gegen die Standortschließung protestiert. Sie schimpfen auf die Manager und fordern, die Arbeitsplätze zu retten.

Michael Tibudd

Die Proteste der Beschäftigten von Nokia Siemens Networks gegen die geplante Schließung des Standorts München haben am Dienstag einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. 2500 Mitarbeiter versammelten sich auf dem Wittelsbacherplatz vor der Siemenszentrale: Sie forderten den Mutterkonzern auf, die drohende Schließung der ehemaligen Netwerksparte zu verhindern und die Arbeitsplätze zu retten.

Demonstration vor NSN-Zentrale: Protest mit Trillerpfeifen und Vuvuzelas: Demonstranten vor der Siemens-Zentrale am Wittelsbacher Platz.

Protest mit Trillerpfeifen und Vuvuzelas: Demonstranten vor der Siemens-Zentrale am Wittelsbacher Platz.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bei Familie Boll in Aubing hatten sie diesen Termin schon ein paar Wochen lang im Blick. "Es war immer klar: Wenn es zum Protest auf den Wittelsbacherplatz geht, dann gehen wir da zusammen hin", sagt Norbert Boll. Er selbst ist Projektmanager bei Nokia Siemens Networks (NSN), und als solcher finanziert er den Lebensunterhalt für seine Frau Maria und die beiden Kinder Lukas, 16, und Franziska, 20. Es steht also einiges auf dem Spiel für die Bolls, seit das Management vor vier Wochen verkündet hat, den Standort schließen zu wollen.

Die Jobs von 3600 Beschäftigten sind in Gefahr, 2000 sollen schlicht wegfallen, 1600 Mitarbeiter sollen an einen anderen Standort in Deutschland umziehen. Das Beispiel der Familie Boll zeigt, dass sich hinter diesen Zahlen und Plänen viele Schicksale verbergen. Man sieht das an diesem Dienstagmittag am Wittelsbacherplatz beim Protest gegen Siemens.

Dem Konzern, der 50 Prozent am Gemeinschafsunternehmen mit Nokia hält, unterstellen viele hier, dass er sich aus der Verantwortung stehle. 2500 Menschen blasen lautstark in Trillerpfeifen oder Vuvuzelas, eine ganze Reihe von Rednern schimpft auf die Manager - so wie bei den bisherigen Protesten vor der NSN-Zentrale im Münchner Osten, wo es den Februar über täglich Aktionen gegen die Standortschließung gab.

"Wir fordern Siemens auf zu handeln", sagt Betriebsratschef Georg Nassauer. "Als ersten Schritt empfehlen wir: Erlösen Sie uns von diesem unsäglichen NSN-Management." Nassauer drückt auch das Gefühl von Ungerechtigkeit aus, das viele Mitarbeiter empfinden. "Ohne die Kommunikationstechnik wäre Siemens nie das geworden, was es heute ist." Viele erinnern sich gut an die Zeiten, in denen die Gewinne dieser Konzernsparte kränkelnde Teile des Konzerns stützten.

Genau das wünschen sich viele heute auch - allerdings betrachtet Siemens das Netzwerkgeschäft ganz offiziell als "nicht fortgeführte Aktivität"; eine aktive Rolle lehnt Siemens ab mit dem Hinweis, die "unternehmerische Führung" von NSN liege bei Nokia. "Nokia ist doch völlig überfordert mit seinen eigenen Problemen", sagt Jürgen Kerner vom IG-Metall-Bundesvorstand. "Wir brauchen die unternehmerische Führerschaft von Siemens."

Die Anwesenheit des Mannes aus der Frankfurter Zentrale soll zeigen, wie entschlossen die Gewerkschaft ist, sich mit Siemens anzulegen. Ziel ist weiterhin der Erhalt des Münchner NSN-Standorts.

Unterdessen hat Siemens ein Zugeständnis angekündigt: NSN-Mitarbeiter sollen Zugang zum internen Stellenmarkt des Konzerns erhalten, von der ersten Märzhälfte an sollen sie dafür Zugriff auf das Siemens-Intranet bekommen; wessen Qualifikation auf eine Stelle passe, dem werde ein Vorstellungsgespräch garantiert, heißt es bei Siemens.

Diese Öffnung des internen Stellenmarktes hatten auch OB Christian Ude und Wirtschaftsreferent Dieter Reiter zuvor in einem Brief an Siemens-Chef Peter Löscher gefordert. Michael Leppek von der IG Metall nennt die Maßnahme dagegen "Augenwischerei" und verweist auf Beispiele in der Vergangenheit, in denen nur wenige Opfer von Standortschließungen bei Siemens unterkamen.

Gewerkschaft und Betriebsrat wollen nun erst einmal hinter den Kulissen mit dem Konzern verhandeln. Sollte Siemens nicht reagieren, "werden wir aber wieder und wieder kommen", sagt Michael Leppek.

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