Demonstration in München:Hassparolen bei der Friedensdemo

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Für Gaza, gegen Israel: 1100 Menschen demonstrierten vor zwei Wochen in München. (Foto: dpa)

Palästinenser protestieren am Samstag auch in München erneut gegen den Krieg in Gaza. Mögliche judenfeindliche Tiraden bereiten der Israelitischen Kultusgemeinde Sorgen.

Von Simon Schramm, Susi Wimmer und Jakob Wetzel

Sie wollen "gegen das Töten in Palästina" protestieren und rufen für diesen Samstag von 14 Uhr an zur Kundgebung am Orleansplatz auf: die Mitglieder der 1995 gegründeten Palästinensischen Gemeinde in München. Sie erwarten in Haidhausen mindestens 2500 Anhänger. "Die PGM ist unabhängig und verfolgt keine parteipolitischen oder religiösen Interessen", heißt es im Internetauftritt des Vereins. Doch bei einer Demonstration am vergangenen Sonntag, der sich nach Polizeiangaben etwa 5000 Menschen angeschlossen haben, waren auch judenfeindliche und islamistische Parolen zu sehen und zu hören.

Der jüdischen Gemeinde Münchens bereitet das große Sorgen; sie hat daher für Dienstag, 29. Juli, um 18.30 Uhr eine eigene Kundgebung am Platz der Opfer des Nationalsozialismus angemeldet: Sie steht unter dem Motto "Wehret den Anfängen!"

Charlotte Knobloch will nicht missverstanden werden: Kritik an der Politik Israels sei völlig legitim, sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde. Aber Parolen wie "Kindermörder Israel" oder "Tod den Juden", wie sie während der Demonstration am Sonntag zu hören waren, hätten damit nichts zu tun. "Dieser blanke, kalte Hass darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben", sagt sie.

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Die Gemeinde ist nicht nur entsetzt über den Hass, der ihr entgegenschlägt. Sie ist auch enttäuscht von den Reaktionen der anderen. Vereinzelt habe sie Solidarität erfahren, sagt Knobloch - "aber der erhoffte Rückhalt aus der breiten Mitte der Bevölkerung bleibt leider bislang aus." Judenfeindliche Ressentiments würden vielfach wieder salonfähig.

"Für die Freiheit Palästinas demonstrieren"

Die Demonstration "gegen das Töten in Palästina" soll nach einer Kundgebung am Orleansplatz über die Rosenheimer Straße zum Wiener Platz und über die Wörthstraße zurück führen - mitten durch die gleichzeitig stattfindenden Haidhauser Hofflohmärkte. Angemeldet hat sie Fuad Hamdan von der Palästinensischen Gemeinde. "Wir wollen uns von Antisemitismus abgrenzen, das werde ich zu Beginn in einer Rede sagen. Wir demonstrieren nicht gegen Juden, sondern gegen die Politik Israels", sagt er.

Hamdan ist Mitglied der Jüdisch-Palästinensischen Dialog-Gruppe München. Antisemitische Demonstranten will er wegschicken: "Ich habe einmal eine Demo am Marienplatz organisiert, bei der Mitglieder der NDP auftraten. Da habe ich sie auch entfernen lassen." Hamdan will auch keine "Allahu akbar"-Rufe: "Die Leute sollen für die Freiheit Palästinas demonstrieren."

Die Kundgebung am Sonntag am Sendlinger Tor war rasch angewachsen, viele Demonstranten schwenkten die palästinensische Flagge, aber auch türkische, irakische und deutsche Fahnen waren zu sehen. Neben Transparenten mit Aussagen wie "Free Gaza" und "human rights for palestine" trugen Demonstranten Plakate mit Aufschriften wie "Allah soll Israel bestrafen" oder "Zionists are real Terrorists".

Selbst Vergleiche mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust kamen vor: "Die Opfer von gestern sind die Täter von heute", war zu lesen, "Stop doing what Hitler did to you" oder "Holocaust in Palestine und die Welt schaut zu". Ein Transparent zeigte eine Sanduhr, in der die israelische Flagge auf den Kopf von Adolf Hitler fließt.

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Etliche Polizeikräfte begleiteten den Demonstrationszug. Ein Mitglied einer israelischen Gruppe, der sich in "provozierender Weise" näherte, habe einen Platzverweis erhalten, teilt die Polizei mit. Staatsschutzbeamte hatten sich ebenfalls unter die Demonstranten gemischt. "Sie dokumentierten alle Äußerungen und bewerteten diese dann auch", sagt Polizeisprecher Wolfgang Wenger.

Auch am Samstag würden die Staatsschützer dabei sein und gegebenenfalls einschreiten: "Wir sind da sehr wachsam." An jenem Sonntag allerdings habe man bislang keine strafrechtlich relevanten Dinge ausmachen können.

In einem Youtube-Video vom vergangenen Sonntag hingegen ist eine große Anzahl an Demonstranten zu sehen, die vor dem Sendlinger Tor stehen und Hetzbotschaften eines Demoteilnehmers nachrufen, der am Mikrofon spricht: "Zionisten sind Faschisten", "Netanyahu ist Mörder und Faschist", "Nicht nach Wien, nicht nach Prag, Netanyahu nach Den Haag".

Dunya Sabreen war bei der Demonstration dabei. Sie klingt verzweifelt: "Ich werde als 'Kafir' , Ungläubige bezeichnet." Die 23-Jährige Münchnerin, Tochter einer deutschen Mutter und eines ägyptischen Vaters, hatte am Sonntag die pro-palästinensische Demonstration mitorganisiert zu Beginn gefordert, Politik und Religion zu trennen. "Das ist uns nicht gelungen", sagt Sabreen. Während der Demonstration brüllte eine große Menge immer wieder den Gebetsruf "Allahu akbar" ("Gott ist groß").

Im Laufe der Demo heizte sich laut Sabreen die Stimmung auf. "Ich habe gemerkt, dass die Leute wie in anderen Städten viel Wut in sich haben." Sabreen beteuerte auf Facebook, dass sie sich von der Vermischung von Politik und Religion und von antisemitischen Aussagen distanziere. "Ich habe online seitdem viele Stimmen gehört, die Unmut über mich geäußert haben", sagt Sabreen. In den Kommentaren erhält sie auch Zuspruch - doch wegen der aggressiven Stimmung am vergangenen Wochenende wird sie an der Demonstration am Samstag nicht teilnehmen.

Schmähungen in sozialen Netzwerken

Mit Schmähungen in den sozialen Netzwerken umzugehen, das hat die Israelitische Kultusgemeinde längst lernen müssen. Anfeindungen und Beschimpfungen dort oder auch am Telefon seien nichts Neues, sagt ein Sprecher. Mehrmals in der Woche würden aggressive Anrufer von der jüdischen Weltverschwörung schwadronieren. "Ihr seid alle eins", bekomme er zu hören, sagt er. "Anlassbezogen" nähmen diese Angriffe immer wieder zu, so wie jetzt.

Mit der Kundgebung am Dienstag will die Israelitische Kultusgemeinde ein Zeichen setzen: "Wir versuchen zu sensibilisieren und zu warnen", sagt Charlotte Knobloch. "Wir werden jedenfalls angesichts dieses offenen Hasses gegen uns nicht schweigen."

Antisemitismus und Islamismus bedrohten nicht nur Juden, sondern könnten sich auch gegen andere Minderheiten richten und stellten so die liberale Gesellschaft in Frage. "Ich hoffe, dass die Münchnerinnen und Münchner an unserer Seite demonstrieren, dass Judenfeindlichkeit in unserer Stadt keinen Platz hat."

© SZ vom 26.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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