Kundgebung #ausgehetzt:Bündnis plant Demo gegen CSU-Spitze

München ist bunt - Demonstration

Immer wieder gehen Münchner auf die Straße, ob gegen Pegida (links), für die Rechte von Homosexuellen (Mitte) oder gegen das Polizeiaufgabengesetz.

(Foto: Stephan Rumpf, Florian Peljak (2))
  • Unter dem Motto "#ausgehetzt - Gemeinsam gegen die Politik der Angst" werden am 22. Juli voraussichtlich mindestens 5000 Menschen gegen den Populismus in der CSU demonstrieren.
  • Veranstaltet wird die Demo von der Initiative "Gemeinsam für Menschenrechte & Demokratie", flankiert von zahlreichen Gruppen aus Politik, Gesellschaft und Kirche.

Von Philipp Crone, Thomas Schmidt und Kassian Stroh

Eigentlich schlüge hier das Herz des Herzlands der Münchner CSU, hier in Trudering, hier in der Kirche. St. Franz Xaver am Samstag vor einer Woche: 42 Firmlingen hat der Abt soeben die Hand aufgelegt, es folgen die Fürbitten. Für die Flüchtlinge. Und: "Für alle, die ihnen auf dem Mittelmeer zu Hilfe kommen und sie aus der Seenot retten."

Und dann: "Für die Regierenden unserer Länder, die in Europa nach gemeinsamen Lösungen für sehr wichtige Fragen suchen." Ein Gebet für jene auf dem Schiff Lifeline im Mittelmeer, die Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) festsetzen lassen will. Fürbitten? Eher sind es Gegenbitten, auch gegen die CSU. Kaum verhohlene Kritik an der Christlich-Sozialen Union. Und das in einer Kirche, so weit ist es gekommen. Der Protest hat die Kanzel erreicht. Aber dort endet er nicht.

Unzufriedenheit breitet sich aus, auch Wut. Manchmal Angst. Im Mai entlud sich der angestaute Ärger in einem gewaltigen, kreativen und friedlichen Protest, als mehr als 30 000 Menschen in München gegen das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) demonstrierten. Vergeblich - die Staatsregierung marginalisierte den Protest und peitschte die Novelle durch den Landtag. CSU-Stadtrat Michael Kuffer spottete, nur 0,3 Prozent der Wahlberechtigten würden demonstrieren, alle anderen stünden geschlossen hinter der CSU.

Nun steht bald die nächste Großdemo in der Stadt an, am 22. Juli: "#ausgehetzt - Gemeinsam gegen die Politik der Angst" hat sie der Veranstalter getauft. 5000 Teilnehmer sind offiziell angemeldet. Gut möglich, dass es mehr werden.

Die Organisatoren der Demo, die Initiative "Gemeinsam für Menschenrechte & Demokratie", arbeiten nach eigenen Angaben bereits seit Februar daran, ein Bündnis "gegen die verantwortungslose Politik der Spaltung" zu schnüren. Horst Seehofer, Markus Söder und Alexander Dobrindt stünden "für eine Troika, die aus reinen machtpolitischen Bestrebungen eine absurde bis kafkaeske Politik auf dem Rücken der Menschen betreibt", wütet Projektkoordinator Thomas Lechner.

"Wer Figuren wie Orbán oder Salvini als ernsthafte Partner ansieht und die Meinung der eigenen Bevölkerung ignoriert, zerstört alle demokratischen Errungenschaften der letzten 60 Jahre." Kafkaeske Politik? Seehofer als anti-demokratischer Käfer? Lechner teilt mächtig aus.

Tatsächlich ist es ihm gelungen, eine bemerkenswert lange und diverse Liste von Organisationen und Parteien zusammenzustellen, die am 22. Juli gemeinsam gegen die CSU demonstrieren wollen. Die SPD ist dabei, die Grünen und die Linke, Attac und der Flüchtlingsrat, mehrere Helferkreise, kirchliche Gruppen, Gewerkschaften, die Kammerspiele und auch der antifaschistische Motorradklub "Kuhle Wampe". Kuttenträger marschieren mit Kommunisten, Feministinnen und Schwule stehen Seite an Seite mit Kirchenleuten, alle geeint im Protest gegen die Staatsregierung.

Auch die Münchner Lichterkette gehört zu den Teilnehmern auf Lechners langer Liste. "Wir finden, dass Zivilcourage und Bürgermut in der jetzigen politischen Situation notwendiger sind denn je", sagt Harriet Austen, die Geschäftsführerin des Vereins. Es sind Worte mit Gewicht, man könnte sagen: historischem Gewicht. Denn es ist nun gut 25 Jahre her, dass die Bilder der Münchner Lichterkette vom 6. Dezember 1992 um die Welt gingen, die Geburtsstunde des Vereins.

Widerstand von der Community bis zur Kanzel

Dem friedlichen Massenprotest waren damals Ausschreitungen und Anschläge auf Flüchtlinge in Hoyerswerda, Mannheim, Rostock und Mölln vorausgegangen. In München aber zündeten Menschen Kerzen statt Asylbewerberunterkünfte an, 400 000 kleine Lichter gegen den Hass. "Damals sind Menschen auf die Straße gegangen, die davor noch nie demonstriert haben", erinnert sich Austen. Und genau das passiert jetzt wieder.

"Bei der No-PAG-Demo waren sehr viele Menschen dabei, die sonst nichts mit Politik zu tun haben", sagt auch Kristofer Herbers, Jugendsekretär der DGB Jugend München, die ebenfalls bei der geplanten Großdemo dabei sein wird. "Gerade die jungen Leute werden wieder politischer, weil es ihnen einfach reicht, weil sie keinen Bock mehr haben auf diese Politik", sagt er. Politische Bündnisse hätten derzeit "mehr Zulauf als jemals zuvor. Ich bekomme das auch von anderen Verbänden mit, die Beitrittszahlen gehen hoch wie sonst was."

Vielen jungen Menschen gehe der Rechtsruck der CSU gegen den Strich, glaubt Herbers. Der Protest gegen das Polizeigesetz sei mehr als ein bloßes "Strohfeuer" gewesen. Auch Harriet Austen von der Lichterkette hofft, dass am 22. Juli erneut Tausende auf die Straße gehen werden. "Die Größe der Demonstrationen zeigt ja, wie groß der Protest in der Bevölkerung ist", sagt sie. "Ich habe immer noch Vertrauen in die Demokratie."

"Wir können nur dann etwas schaffen, wenn wir es gemeinsam versuchen"

Demokratie - selbst auf dem Münchner Filmfest wird in diesen Tagen über sie gesprochen. Hier feiert sich eine Branche, der häufig nachgesagt wird, unter all dem Glitzer und der Schminke finde sich nicht mehr viel. Doch in diesem Jahr sind viele Gespräche ernsthafter als sonst.

"Die Menschen spüren, dass da was nicht richtig läuft", konstatiert Constantin-Chef Martin Moszkowicz. Politik brauche Beständigkeit. "Bis vor einiger Zeit waren wir noch der Fels in der Brandung in Europa, jetzt sind wir die Brandung." Man habe das Gefühl, dass gerade nicht die Politik, sondern die Politiker im Vordergrund stünden. "So eine Demonstration finde ich sehr gut, ein Zeichen lebender Demokratie."

Hoffentlich verpuffe der Protest nicht wirkungslos, sagt DGB-Jugendsekretär Herbers. Das könne dazu führen, dass sich die Menschen frustriert von der Politik abwenden. Als wollte sie diese Befürchtung untermauern, sagt die Schauspielerin Rosalie Thomass am Rande des Filmfests: "Ich hatte nach der Demo gegen das PAG das Gefühl, dass dieses Zeichen von der Landesregierung total weggewischt wurde." Vor vier Jahren sei sie aus Berlin nach München zurückgezogen, "und derzeit fühlt es sich hier durch die politische Lage deutlich weniger lebenswert an. Ich denke mittlerweile wirklich darüber nach, wieder wegzuziehen".

Raus aus Bayern? Oder raus auf die Straße? Kai Kundrath entscheidet sich für Letzteres. Er ist der Geschäftsführer des Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrums "Sub", und auch das Sub hat sich dem "#ausgehetzt"-Bündnis angeschlossen. Weil die bayerische Staatsregierung nichts für homosexuelle Flüchtlinge tue, um sie vor Übergriffen in Sammelunterkünften zu schützen, sagt er. "Und weil Minderheiten immer zusammenstehen sollten."

Minderheiten, gegen die Pegida und die AfD hetzen: Ausländer, Schwule, Andersfühlende, Andersglaubende. Oder eben "Asyltouristen", um Ministerpräsident Markus Söder zu bemühen. Der politische Rechtsruck führe dazu, dass sich auch links wieder mehr Menschen politisieren, glaubt Sub-Chef Kundrath. "Das ist auch notwendig", sagt er. "Wir können nur dann etwas schaffen, wenn wir es gemeinsam versuchen." Von der Community bis zur Kanzel.

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