Demonstration gegen Atomkraft:Priol hetzt gegen Brüderle

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Wen "von diesen Nasen" solle man denn heute entführen? Bei der Anti-Atomkraft-Demonstration in München hat Kabarettist Urban Priol eine Rede gehalten - die mehr als fragwürdig ist.

Hans Holzhaider

Siegfried Buback, Jürgen Ponto, Hanns Martin Schleyer, Ernst Zimmermann, Karl-Heinz Beckurts, Gerold von Braunmühl, Alfred Herrhausen, Karsten Rohwedder - das ist die blutige Spur, die von Terroristen der Rote-Armee-Fraktion (RAF) durch Deutschland gelegt wurde. Niemand, der die Zeit bewusst miterlebt hat, wird je das Drama der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer vergessen.

Kabarettist Urban Priol griff bei seiner Rede auf dem Odeonsplatz daneben. (Foto: dapd)

Das Bild des toten Arbeitgeberpräsidenten, der am 19. Oktober 1977 zusammengekrümmt im Kofferraum eines Autos im französischen Mülhausen gefunden wurde, ist bleibendes Zeugnis einer erbärmlichen, menschenverachtenden Ideologie.

Der Kabarettist Urban Priol war damals 16 Jahre alt, vielleicht zu jung, um die Dimension dieser Verbrechen zu erfassen. Jetzt ist er fast 50, und er ist ein politisch höchst bewusster Mann, der sehr genau weiß, wie man mit Sprache umgeht und was man mit ihr anrichten kann.

Am Samstag auf dem Münchner Odeonsplatz mokierte sich Urban Priol vor etwa 30.000 Zuhörern über Wolfgang Bosbach, den Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestags, der vor einem "Rückfall in die Terrorspirale der siebziger Jahre" gewarnt habe.

Er höre schon das Stammtischgegrummel, sagte Priol: "Die hätten heute wieder gut zu tun in Deutschland." Aber wen "von diesen Nasen" solle man denn heute entführen? Einer wie der Brüderle "der textet die doch so zu, dass die den Kofferraum aufsperren und sagen: Bitte geh!"

Zur Ehrenrettung des Publikums muss man sagen, dass niemand lachte, und dass etliche Pfiffe zu hören waren. Die angemessene Reaktion wäre gewesen, Priol in derselben Sekunde das Mikrofon aus der Hand zu nehmen.

Michael Lerchenberg trat vor einem Jahr als Nockherberg-Redner zurück - wegen eines KZ-Vergleichs, der sich in Relation zu Priols RAF-Entgleisung eher harmlos ausnimmt.

© SZ vom 28.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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