Wohnen:Delegation aus China informiert sich in München über Mieterschutz

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Bei Haus + Grund war man überrascht über die 21-köpfige Delegation aus Politik und Wirtschaft. (Foto: Catherina Hess)

Und das ausgerechnet beim Verein der Immobilienbesitzer. Erstaunen herrscht dabei auf beiden Seiten.

Von Anna Hoben, München

Als die Chinesen ihren Besuch ankündigten, wusste Rudolf Stürzer erst einmal nicht, was er davon halten sollte. "Uns war nicht klar, was die Chinesen von uns wollen." Er grübelte. Ob die Besucher ihre Investitionen auf dem deutschen Immobilienmarkt ausweiten wollten? Ob sie schauen wollten, was es in München noch zu kaufen gibt? Weit gefehlt. "Es hat sich herausgestellt, dass es um etwas ganz anderes geht."

Die Chinesen kamen als 21-köpfige Delegation aus Politik und Wirtschaft, darunter die Wohnungsbauministerin aus Peking, zuständig für Wohnraum von 1,3 Milliarden Chinesen - und sie kamen mit Wissensdurst. Sie wollten das deutsche Mietrecht kennenlernen und speziell etwas über Mieterschutz erfahren - ausgerechnet in der Stadt mit den höchsten Mieten in Deutschland. Damit hatte Stürzer nun wirklich nicht gerechnet. Dazu muss man wissen, dass er der Vorsitzende des Münchner Haus- und Grundbesitzervereins ist. Er vertritt also die andere Seite: Immobilieneigentümer.

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Beim Besuch in der Zentrale in der Sonnenstraße war das Erstaunen mal auf der deutschen, mal auf der chinesischen Seite. Die chinesische Delegation, erfuhr Stürzer, hatte für drei Wochen einen Bus gemietet und befand sich auf einer Rundreise durch Deutschland. In Berlin waren sie beim dortigen Mieterverein zu Gast gewesen, in München nun eben bei Haus und Grund. Mieter, so lernte Stürzer weiter, machen im bevölkerungsreichsten Land der Welt nur zehn Prozent aus; 90 Prozent wohnen im Eigentum. "Das hätte ich ganz anders eingeschätzt."

Bevor junge Leute in China heiraten, kaufen sie erst einmal eine Wohnung. Die ganze Familie zahlt mit: neben den Brautleuten die Eltern der Braut und die des Bräutigams. Nur wer sich den Kauf wirklich nicht leisten kann, wohnt zur Miete. Mietverträge, so berichteten die Besucher, würden in der Regel befristet abgeschlossen, meist nur für ein Jahr; danach müsse der Mieter entweder einen neuen Vertrag unterschreiben, oftmals mit einer deutlich höheren Miete - oder ausziehen. So geht er wohl, der kapitalistische Kommunismus auf Chinesisch.

Die Chinesen seien aus dem Staunen gar nicht herausgekommen

Diese Entwicklungen hätten in den Ballungsgebieten zu einer Mietpreisexplosion, zu einer gewissen Unruhe und zu sozialen Spannungen geführt, berichtete die Wohnungsbauministerin. Deshalb werde in der Politik nun über Mieterschutz nachgedacht. Bisher gibt es den überhaupt nicht. Mieter hätten keine Lobby und seien dem freien Markt überlassen, der zunehmend an Schärfe gewinne. Immobilienpreise in den Metropolen klettern höher und höher. Das ist dann wohl der Punkt, an dem man in München wieder wissend nickend kann.

Anderthalb Stunden lang klärten Stürzer und eine Kollegin die Gäste aus ihrer Sicht über Mieterschutz in Deutschland auf. Die Chinesen seien aus dem Staunen gar nicht herausgekommen. Dass ein Vermieter seinem Mieter nur mit bestimmten handfesten Gründen kündigen kann, "das konnten die nicht fassen". Die Ministerin sei jedenfalls beeindruckt gewesen davon, wie gut Mieter hierzulande geschützt seien. Sie sei nun überzeugt, dass auch in China etwas getan werden müsse - wenn auch "nicht so extrem wie in Deutschland".

Ob Stürzer ihr auch von Luxusmodernisierungen und Entmietungen erzählt hat; von Mieten, die sich durch eine Modernisierung fast verdreifachen; von alteingesessenen Münchnern, die sich die Stadt nicht mehr leisten können - das wissen wir nicht. Er war von dem Besuch allerdings ebenfalls nachhaltig beeindruckt, wenn auch anders als die Gäste. Die Besucher hätten sehr gezielte Fragen gestellt und alles fleißig mitgeschrieben. Ganz anders als er das kenne. "Wenn wir ein Mitgliederseminar haben, schaut die Hälfte zum Fenster raus."

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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