Süddeutsche Zeitung

Deisenhofen:Das Tor zum Oberland präsentiert sich als Schmuckstück

Lesezeit: 2 min

Behindertengerechter Ausbau, funktionelle Information: Zur Perfektion fehlen nur noch die Toilettenanlagen.

Von Günther Knoll

Es gibt Bahnhöfe, da kommt man sich vor wie auf dem Abstellgleis. Und es gibt echte Schmuckstücke, eines davon ist zweifellos der S-Bahnhof Deisenhofen. Das alte Stationsgebäude aus dem Jahr 1857 strahlt spielzeugartiges Flair aus, frisch angestrichen fügt es sich gekonnt in das Ensemble aus modernisiertem Bahnhof und funktionellem Vorplatz.

Die Bahnstation Deisenhofen, im Zug der Maximiliansbahn im 19. Jahrhundert erbaut, war früher das "Tor zum Oberland". Noch heute ist der Bahnhof ein wichtiger Haltepunkt der BOB, der Bayerischen Oberlandbahn, und erinnert damit an die Vergangenheit ebenso wie die vielen Autos auf der Park-and-Ride-Anlage mit Kennzeichen aus Miesbach und Bad Tölz.

Bei solchen Anlagen sei "nie genug Platz", konstatiert man leicht ironisch dazu im Bauamt der Gemeinde Oberhaching, doch wirkliche Engpässe gibt es für Autofahrer, die in Deisenhofen auf die S-Bahn umsteigen wollen, nicht.

Noch besser haben es die Radler, für ihre Fahrgelegenheiten wurden vier großzügige Pavillons gebaut. Weil dafür das Geld der Bahn nicht reichte, hat die Gemeinde dazu gezahlt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Überhaupt ist den Oberhachingern dieser Bahnhof einiges wert. Das beweist das Umfeld mit einer Buswendeschleife samt direktem Zugang zu den Bahngleisen, mit Kiosk, Restaurants und einem Getränkemarkt.

Das beweist aber auch eine eigene Schautafel, in der im Rahmen eines historischen Ortsspaziergangs auch die Station Deisenhofen ausführlich zu Ehren kommt.

Doch man schwelgt nicht nur in der Vergangenheit: Ein funktionierender Lift ermöglicht auch Behinderten und Frauen mit Kinderwagen den einfachen Zugang zu den Bahnsteigen. Der moderne Informationsservice mit Ansagen und Anzeigen klappt meistens, was aufgrund der mehrgleisigen Anlage auch notwendig ist. Deisenhofen ist nicht nur Haltepunkt der S 2, auch die S20 beziehungsweise S27 verkehrt von dort über die Siemenswerke und den Harras bis Pasing und zum Hauptbahnhof.

Alles ist gut beleuchtet und erstaunlich sauber. Selbst die sonst bahnhofstypischen Schmierereien fehlen, aber das liegt wohl auch daran, dass die gekachelten Wände einfach abzuwaschen sind. Am Vorplatz hilft dem Unkundigen dann ein ausführlicher Ortsplan weiter.

Ein Bahnhof zum Wohlfühlen also, dem zur Perfektion eigentlich nur noch eines fehlt : nämlich Toilettenanlagen. Trotz aufwändigen Ausbaus hat die Bahn deren Notwendigkeit bisher ignoriert. Doch die Gemeinde will auch hier nicht locker lassen. Im renovierten Stationsgebäude sind heute Wohnungen untergebracht, die Bahn, der das Haus gehört, hat aber schon einmal überlegt, dort eine Service-Station einzurichten, und dann hätten auch Toiletten Platz.

Zur Not muss man am Deisenhofener Bahnhof eben wieder ein großes Fest feiern wie im vergangenen September zur Einweihung der ausgebauten S2-Strecke. Kurz zuvor nämlich ließ die Bahn noch rasch alte Ärgernisse beseitigen, wie falsch oder nicht gehende Uhren, wohl um sich nicht vor der Prominenz - angeführt vom bayerischen Wirtschaftsminister - zu blamieren. Vielleicht hätte man damals nur noch mehr Freibier ausschenken müssen, dann hätte man auch für das daraus zwangsläufig folgende Bedürfnis schon etwas getan.

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