Debatte um Mindestlohn:Freistaat macht Ausnahme für Wiesnwirte

Oktoberfest-Bier über 10 Euro.

Das Mindestlohngesetz gilt für fast alle - aber die Wiesnwirte stehen gewissermaßen über dem Gesetz. Sie haben bei Bayerns Arbeitsministerin Emilia Müller (CSU) eine Lockerung der Bestimmungen erreicht.

(Foto: dpa)
  • Die Wiesnwirte haben eine Lockerung der Bestimmungen für den Mindestlohn erreicht.
  • Bei einem Treffen mit Bayerns Arbeitsministerin Emilia Müller (CSU) beschlossen sie die Ausnahmeregelung.
  • Den Wiesnwirten bereiteten vor allem die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten und die penibel zu führenden Protokolle über Arbeitszeiten und Pausen Kopfzerbrechen.

Von Franz Kotteder

Das Mindestlohngesetz gilt für fast alle - aber die Wiesnwirte stehen gewissermaßen über dem Gesetz. Sie haben bei Bayerns Arbeitsministerin Emilia Müller (CSU) eine Lockerung der Bestimmungen erreicht. Nicht, was die Höhe des Lohns betrifft, sondern was die Begleitumstände angeht. Am Dienstagnachmittag traf sich Wirtesprecher Toni Roiderer deshalb mit Müller in deren Ministerium an der Winzererstraße. Die Arbeitsministerin ist zuständig für Ausnahmeregeln auf Volksfesten. Und eine solche wollten die Wiesnwirte haben. "Wir waren uns darüber einig, dass wie bisher eine enge Zusammenarbeit der Wiesnwirte mit dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt sinnvoll ist", sagte die Ministerin nach dem Treffen, "diese Abstimmung hat sich in den letzten Jahren bereits sehr gut bewährt." Man wolle wie bisher "einen praxisorientierten und lebensnahen Vollzug der Gesetze". Im Klartext: Es bleibt alles beim Alten.

Zwei Punkte sind es, die den Wiesnwirten Kopfzerbrechen bereiteten: die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten und die penibel zu führenden Protokolle über Arbeitszeiten und Pausen. Kein Problem stellt die Höhe des Mindestlohns an sich dar - gutes Personal ist in der Münchner Gastronomie sowieso nur zu bekommen, wenn mehr gezahlt wird, und auf dem Oktoberfest wird ohnehin sehr viel verdient. Christian Schottenhamel vom Schottenhamel-Festzelt, der in München noch zwei große Biergärten mit Gaststätten betreibt, beschäftigt in seinen beiden Wirtschaften bis zu 180 Arbeitnehmer: "Wir hatten gerade mal einen Spüler, der bisher geringfügig unter dem Mindestlohn lag. Alle anderen waren darüber."

Nur zehn Stunden Arbeit pro Tag sind erlaubt

Das Hauptproblem für die Wiesn aber sind die Arbeitszeiten, die nach dem neuen Gesetz genau dokumentiert werden müssen. So sind nur maximal zehn Stunden pro Tag erlaubt, nach sechs Tagen muss es einen Ausgleichstag geben. Auf Volksfesten, so sagen die Wirte, sei das fast ein Ding der Unmöglichkeit - und werde von den Beschäftigten auch gar nicht gewollt. "Wir haben viele Leute, die sich hier ihr Studium finanzieren oder sich in den 16 Tagen etwas dazuverdienen wollen", sagt Wirtesprecher Roiderer vom Hackerzelt, "die wollen doch auch 16 Tage durcharbeiten, weil sie das Geld brauchen." Das ist aber eigentlich nicht erlaubt, ohne Ausnahmegenehmigung machten sich die Wirte strafbar und müssten das auch noch genauestens dokumentieren. Das betrifft alle, die direkt beim Festzeltbetreiber angestellt sind wie Köche, Spüler und Bedienungen. Letztere arbeiten zwar zum Teil auf eigene Rechnung, weil sie Bierzeichen beim Wirt kaufen müssen, sind aber trotzdem steuer- und arbeitsrechtlich Angestellte der Festzelte.

Mindestlohn

Der deutschlandweite Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gilt seit 1. Januar. Das entsprechende Bundesgesetz schreibt vor, dass die Unternehmen die Arbeitszeiten von allen Beschäftigten mit Monatseinkommen bis zu 2958 Euro mit Anfang, Ende und Pausenzeiten dokumentieren müssen. Erfasst werden so auch die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten. Bisher schon durfte maximal zehn Stunden gearbeitet werden, Überschreitungen dieser Höchstgrenze in gegenseitigem Einvernehmen wurden aber nicht dokumentiert. Durch die neue Aufzeichnungspflicht droht den Unternehmen nun ein Bußgeld, falls die erlaubte Arbeitszeit überschritten wird. fjk

Roiderer, der auch den Gasthof zum Wildpark in Straßlach betreibt, hat mit der Protokollierung der Arbeitszeiten kein Problem: "Wir machen das schon seit zwei Jahren." Bei Christian Schottenhamel sieht das etwas anders aus. "Ich habe gut 100 Mitarbeiter im Löwenbräukeller und 60 in der Menterschwaige", sagt er, "die Aufzeichnungen über die Arbeitszeit muss mittlerweile wochenaktuell sein und jedes kleine Detail penibel erfassen. Das ist ein ungeheurer bürokratischer Aufwand." Schottenhamel musste bereits eine Zusatzkraft allein dafür einstellen. Was die Arbeitszeiten angeht, sieht Schottenhamel für die Wiesn die gleichen Probleme wie Roiderer: "Eine Wiesn-Bedienung kann ja schlecht am Abend die Arbeit einstellen, da würden sich die Gäste schön bedanken."

Bliebe es bei den bisherigen Regelungen, so müssten die Wirte einen komplizierten Schichtbetrieb einführen und mehr Personal einstellen, was letztlich auch den Verdienst der einzelnen Mitarbeiter schmälern würde. Manche vermuten schon, die höheren Kosten wolle man dann bei den Gästen wieder reinholen. Wirtesprecher Toni Roiderer hat jedoch gar kein Verständnis dafür, wenn im Zusammenhang mit dem Mindestlohn über höhere Bierpreise spekuliert wird: "Das ist doch niemandem zu vermitteln! Und überhaupt - ein Wiesnwirt jammert nicht, der kommt mit so etwas einfach zurecht."

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