Debatte über Fahrverbote:Den Diesel-Besitzern stinkt's gewaltig

Gebrauchtwagenhandel im Drive-In Autokino Aschheim, Münchnerstraße 60. Thema: Diesel-Fahrverbot

Problemfall Diesel: Auch in Aschheim will kaum noch einer einen kaufen - und wenn, dann nur noch zu sehr viel niedrigeren Preisen.

(Foto: Florian Peljak)

Wer sein Fahrzeug verkaufen will, tut sich schwer und bekommt deutlich niedrigere Preise. Ein Besuch beim Gebrauchtwagenmarkt in Aschheim, wo die Verkäufer ziemlich frustriert sind.

Reportage von Thomas Jordan

Günther Rosanitsch stinkt es gewaltig. "Das ist doch alles eine Spinnerei", schimpft der 68-Jährige vom Beifahrersitz des Geländewagens seines Freundes Engelbert Stengel herüber. Und Stengel ergänzt: "Die Fahrzeuge der Stadt München sind ja selber überwiegend Diesel, wie soll da ein Verbot funktionieren?" Die beiden Rentner sind an diesem Samstagvormittag nach Aschheim bei München gefahren, um Stengels silbergrauen Hyundai zu verkaufen, und ihre Stimmung ist ein wenig gereizt. Schick sieht der SUV aus, wie er da blitzblank poliert steht, in Reih und Glied zwischen all den anderen Gebrauchtwagen vor der Leinwand des Autokinos Aschheim.

Das Problem dabei: Stengels SUV, Baujahr 2011, ist ein Diesel, er erfüllt die Euro-Norm 5. Damit dürfen die beiden Münchner nach aktueller Gesetzeslage zwar die Umweltzone innerhalb des Mittleren Rings in der Landeshauptstadt befahren. Doch womöglich nicht mehr lange. Wegen der zu hohen Stickstoffoxid-Belastung erwägt die Stadt großflächige Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, Stengel und sein Freund müssten dann draußen bleiben. Es sei denn, sie kriegen ihr Auto vorher noch los.

"Ich hab' mir auch nicht gedacht, dass das so schwierig wird", sagt der 68-jährige Stengel. Im Internet haben sie es bereits probiert, natürlich, aber die Preise, die ihnen dort für den fünf Jahre alten, gut gepflegten Wagen angeboten wurden, waren ein Witz, so sagt er. Von den professionellen Gebrauchtwagenhändlern, die ihnen Angebote schickten, fühlten sie sich über den Tisch gezogen. 7000 Euro boten diese ihnen, sie aber wollen 12 900 Euro haben. Deswegen sind sie heute hier in Aschheim, auf dem bayernweit einzigen Automarkt für Privatanbieter.

Um die 100 Autobesitzer wollen hier jeden Samstag den besten Preis für ihren Wagen heraushandeln, im Schnitt 200 Kaufinteressierten schauen nach einem Schnäppchen. Der graue Teerplatz inmitten von Getreidefeldern bei München ist eine Art Mini-Barometer für die aktuelle Stimmungslage der Gebrauchtwagenbesitzer. An diesem Vormittag pendelt sie zwischen Genervtsein und blanker Frustration.

Erst der Skandal der manipulierten Abgaswerte, jetzt die Debatte über Fahrverbote - die Verunsicherung spiegelt sich inzwischen auf dem Automarkt in ganz Deutschland wider: Um mehr als sechs Prozentpunkte ist der Marktanteil von neuen Diesel-Fahrzeugen im ersten Halbjahr 2017 gegenüber dem selben Zeitraum im Vorjahr gefallen.

"Das ist ein deutlicher Anteil, der uns besorgt, besonders weil die Verunsicherung auch das Geschäft mit den aktuellsten und modernsten Modellen beeinträchtigt, die ja gar nicht von der Münchner Diskussion betroffen sind", sagt Eckehart Rotter vom Verband der deutschen Automobilindustrie. Nur noch knapp 42 Prozent der Neuzulassungen sind Diesel. Auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt stehen die Diesel inzwischen länger beim Händler als Autos mit Benzinmotoren, bestätigt Ulrike Seidenstücker vom Zentralverband Kfz-Gewerbe.

So mancher gewerbliche Gebrauchtwagenhändler hat schon einen Ausweg aus dem Diesel-Dilemma gefunden: Man konzentriert sich jetzt auf Absatzmärkte, in denen Umweltzonen keine Rolle spielen. In Osteuropa seien die alten Euro-3- und -4-Diesel "sehr gefragt", berichtet Harald Reiter vom Münchner Gebrauchtwagenzentrum Hemmerle. "Aus Rumänien waren letztens Kunden da, die haben gleich drei auf einmal gekauft." Über Absatzeinbrüche kann sich Reiter nicht beklagen.

"Das ist ja wie beim Karl Valentin"

Die Osteuropa-Option haben die privaten Autobesitzer vor dem Autokino Aschheim allerdings kaum. Für 22 Euro dürfen sie hier ihr Fahrzeug auf dem großen Platz vor der weißen Leinwand parken. Dazu gibt es ein weißes Schild mit rotem Rand, auf dem sie Baujahr, Preis und weitere Eckdaten des Wagens notieren können. Dass es in Zeiten von Online-Autoportalen überhaupt noch private Automärkte gibt, liegt laut dem Aschheimer Marktleiter Johann Zwickl daran, dass es für den Kunden praktischer und sicherer ist, die Autos direkt vor Ort zu begutachten: "Der Käufer sieht sofort, ob das Auto Mängel hat." Aber wer hätte vor Kurzem noch gedacht, dass dazu nicht nur Dellen in der Tür zählen, sondern schlicht die Tatsache, dass das Auto einen Dieselmotor hat?

Gebrauchtwagenhandel im Drive-In Autokino Aschheim, Münchnerstraße 60. Thema: Diesel-Fahrverbot

Diesel sind kaum noch etwas wert, diese leidvolle Erfahrung hat auch Engelbert Stengel gemacht.

(Foto: Florian Peljak)

Der Ärger unter deren Besitzern hat an diesem Vormittag noch einen zweiten Adressaten neben der Politik: die großen Autohersteller. So wie bei Peter Kraus. "Wer übernimmt da mal eine Verantwortung?", fragt der 51-Jährige. Er ist am Morgen mit dem blauen Volvo seiner Frau von Pegnitz in Oberfranken nach Aschheim gefahren, um den Diesel mit seinen 250 000 Kilometern an einen der ganz überwiegend männlichen Käufer zu bringen.

Für 7000 Euro, so sein Wunsch. Die Kunden hätten sich schließlich auf die Emissionswerte der Hersteller verlassen, die sich jetzt als viel zu niedrig herausgestellt haben, klagt Kraus. Er ist seit Jahren in der Reifenbranche tätig, und die Art und Weise, wie die Verbotsdiskussion seit Jahren geführt werde, nervt ihn: "Das Einzige, was wirklich helfen würde, wäre, Verbrennungsmotoren komplett zu verbieten", spöttelt er. Kraus hat eigentlich großes Verständnis für das Anliegen, die Luftqualität zu verbessern, wie er sagt. "Aber dann muss es gerecht zugehen."

Und er hat dazu auch gleich einen Vorschlag parat: "Intelligente Leitsysteme würden viel mehr helfen." Der Individualverkehr könne dadurch entzerrt, die Schadstoffbelastung reduziert werden. Persönlich sieht Kraus die Diskussion über Fahrverbote in Großstädten aber eher gelassen: "Wenn das wirklich kommt, kaufe ich mir halt einen Benziner."

Engelbert Stengel ist da schon weiter: Er hat sich bereits ein neues Auto gekauft. Einen Benziner natürlich. Hat er noch Hoffnung, heute seinen Diesel-SUV loszuwerden? Der 68-Jährige schüttelt den Kopf und sucht zum Abschied Zuflucht im Humor: Die aktuelle Diesel-Debatte erinnert ihn an den schalkhaften Vorschlag eines berühmten Münchner Komikers. Jahrzehnte her, aber für Stengel trifft es die Gegenwart genau: "Das ist ja wie beim Karl Valentin. An geraden Tagen fahren dann in Zukunft nur noch Benziner und an ungeraden Tagen nur noch Fahrräder."

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