Das Wesen des Biergartens:Mia san Bier

Biergarten München

Na gut, ganz so urig geht's nicht immer in den Münchner Biergärten zu. Man trifft dort auch Menschen ohne Tracht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Weiß-blaues Tischtuch, mitgebrachte Brotzeit und Bier in Maßkrügen: Das Beisammensein im Biergarten folgt jahrhundertealten Traditionen und hat schon manche Mode überstanden. Was bleibt, ist das große Biergefühl.

Karl Forster

Es ist, letztendlich, dann doch ein schöner Satz geworden. Nicht unbedingt sprachlich, aber vom Inhalt her. "Kennzeichnend für den bayerischen Biergarten im Sinne der Verordnung sind vor allem zwei Merkmale: der Gartencharakter und die traditionelle Betriebsform, speziell die Möglichkeit, dort auch die mitgebrachte, eigene Brotzeit unentgeltlich verzehren zu können, was ihn von sonstigen Außengaststätten unterscheidet."

Ja, da haben sich die Verfasser der Bayerischen Biergartenverordnung anno 1999 schon was einfallen lassen, um diesen über die Jahrhunderte gewachsenen Brauch in eine vernünftige, juristisch haltbare Form zu gießen. Und so kommt man beim Räsonieren über die beste Art, in einem Biergarten zu speisen, nicht umhin, zu allererst auf eben jene hier festgeschriebene Verköstigungsform zu sprechen zu kommen.

Es ist, man sieht es in jedem Biergarten an jedem einigermaßen sonnigen Tag und lauschigen Abend, ein Ritual. Während die Männer schon ums Bier anstehen, holen die Frauen das weiß-blau gerautete Tischtuch aus dem Korb, breiten es, wenn vorhanden unter Mithilfe der voller Vorfreude eifrigen Kinder, sorgfältig überm Tisch aus, und stellen dann die Tupperware-Dosen mit den Köstlichkeiten mitten drauf.

Fleischpflanzl (die eigentlich -pfanzl heißen, was aber keiner mehr weiß und sagt), Kartoffelsalat (garantiert ohne Mayonnaise, dafür mit Brühe angemacht), fein geschnittenen Radi (Könner können meterlange Schleifen), Radieserl, ein paar Scheiben Leberkäs, Stinkekäse, und natürlich den unvermeidlichen Obatzdn (der im Nominativ Obatzda heißt und den Nichtbayern beim Deklinieren ähnlich verzweifeln lässt wie der Oachkatzlschwoaf).

Natürlich wehen durch den bayerischen Biergarten nicht nur Föhn und Abendwind, sondern auch zeitgeistliche Erscheinungen. So ist derzeit, nach Auskunft einer kundigen Biergartenspeisenfachfrau aus der Hollertau, frisch gepflückter Bärlauch fürs Butterbrot (Bauernkruste von der ortsansässigen Brotmanufaktur) angesagt, und wer besonders hip sein möchte, kredenzt auf dem Biertisch ein paar Stangerl Hopfenspargel.

Obatzda statt Hummer

Passé dagegen ist, anders als in den 80er und 90er Jahren, jeglicher griechischer Schnickschnack, möglichweise krisenbedingt, wahrscheinlich aber deswegen, weil man des Gyros, des Tsatsikis und der Souvlakispieße überdrüssig ist und es keiner mehr hören mag, wenn aus irgendwelchen Beschallungsanlagen - tarräng - der Alexis Zorbas springt.

Nun sind die Männer zurück mit Getränk und frischen, reschen Riesenbrezen. Es kann losgehen.

Nicht alle aber haben Zeit, Muße und Ehefrau für die selbst zubereitete Biergartenspeisung. Dafür gibt es eine gastronomische Versorgung von meist erträglicher Qualität am Selbstbedienungsstand. Die Standards sind bekannt: Schweinshaxe, respektive -braten, Wammerl, Grillhendl und die Armeleutespeis aus den amerikanischen Südstaaten: die Spareribs. Bei letzteren aber ist die Qualitätsfallhöhe schon recht groß, weil viele Biergartenköche zu faul sind, die Rippchen vor dem Grillen eine dreiviertel Stunde in Salzwasser zu kochen.

Und: Hier zeigt sich recht deutlich der Unterschied zwischen Biosau und konventionell gemästetem Schwein. Auch der Wurstsalat, dessen Zubereitung nicht gerade Schuhbecksche Kochqualitäten verlangt, ist ein Gradmesser für das Qualitätsbewusstsein der Gartenbetreiber. Hier ist's die Ware, vom Essig übers Öl bis zur Wurst, um die es geht.

Nun wird aber mit dem großen Biergartengefühl auch allerhand Schindluder getrieben, wobei dessen Darstellung in Werbeclips noch die am ehesten zu tolerierende ist. Wer möchte schon dem Japaner sein Recht auf Weißbier absprechen. Es geht eher um die Ableger des Biergartens, die, volksjuristisch gesehen, Wirtsgärten genannt werden und in denen manch sich für besonders findig haltender Wirt im Kastanienschatten und auf Holztischen Dinge serviert, die mit einem Biergarten so viel zu tun haben wie ein Leberkäs mit einem Hund.

Das Biergarten-Wir-Gefühl

Da gibt es schon mal Hummer auf amerikanisch oder Pekingente auf eben von da her. Was nicht heißen soll, dass so ein Pekinghummer nicht auch schmecken kann. Kann er. Doch diese biergärtlerische Zeitlosigkeit, dieses Sich-fallen-lassen in eine Gesellschaft, in der jeder mit jedem redet, in der sogar Sechziger- und Bayern-Fans miteinander anstoßen, dieses im besten Sinne "Prosit der Gemütlichkeit" funktioniert nur im Biergarten.

Leider gibt es, man kann es nicht hart genug anprangern, aber auch in manch noch so schönem Biergarten die Abteilung "Bedienbereich" oder "Ab hier mit Service". Es ist in der Tat ein Unding, eine Zweiklassengesellschaft solcher Art nebeneinanderhersaufen zu lassen. Als würde der Wirt nicht der Qualität seiner im Selbstbedienungsbereich angebotenen Speisen vertrauen!

Es kann aber gut sein, dass mancher Gast im Tischtuch-mit-Besteck-Open-Air-Loungebereich neidisch auf den eben noch nackten Biertisch jenseits der Schranke schaut: Wenn hier gerade eine wohl gelaunte Familie anfängt, das Tischtuch auszubreiten. Ein weiß-blaues natürlich.

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