Das Statistische Amt bittet zur Umfrage:"Haben Sie davon schon mal gehört?"

Coronavirus - München

Konflikte bei großen Bauprojekten: Die Stadt will durch die Befragung herausfinden, wie sie Anwohner sinnvoll informieren kann.

(Foto: Felix Hörhager/dpa)

Nach dem Zufallsprinzip befragt die Stadt 8000 Münchner zur Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 nach Pasing

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Ein Brief vom Direktorium der Stadt, Statistisches Amt. Man ist (Sehr geehrte*r...) per Zufallsprinzip ausgewählt worden, freiwillig an einer Online-Befragung zur anstehenden Verlängerung der U 5 im Münchner Westen teilzunehmen. Ein Link, ein fünfstelliger Zugangscode. Und jede Menge Versicherungen zum Datenschutz: Dass die eigene Adresse ausschließlich "für dieses Anschreiben" verwendet worden sei, dass das Kreisverwaltungsreferat die Meldedaten ausschließlich zu diesem Zweck übermittelt habe, dass von den späteren Umfrage-Antworten und dem Zugangscode keine Rückschlüsse auf den Teilnehmer gezogen werden und dass die Adressdaten nach Abschluss der Befragung gelöscht werden.

Nun gut. Wenn das so ist und man schon zum Kreis der auserwählten 8000 zählt, dann soll die Stadt ihre Antworten bekommen. Wer nicht fragt, bleibt schließlich dumm. Die Umfrage, mit der eine externe Agentur beauftragt ist, soll die Stadt am Ende schlauer machen, was "die Konzeption der zukünftigen projektspezifischen Anliegerinformation" angeht. Auf persönliche Befragung oder Befragung mittels Papierfragebögen hat die Stadt coronabedingt verzichtet. Als denn, klick, klick.

Das erste Fenster konfrontiert schon mal - zum Aufwärmen - mit einem düsteren Thema: Sparen. Von ihrer Bürgerin will die Stadt wissen, wo man am ehesten den Rotstift ansetzen kann, wo nicht und wo sogar mehr öffentliches Geld nötig wäre. Das kommt einem ziemlich rhetorisch vor. Wer will denn, dass bei Bildung, günstigem Wohnungsbau, Gesundheit, Kultur, Klimaschutz oder Mobilität gespart wird? Zumal München unaufhaltsam wächst und deshalb die Infrastruktur ausgebaut werden muss. Dazu gleich die nächste Frage: "Haben Sie davon schon mal etwas gehört? Ja? Nein?" Wohnungsnot, Neubaugebiete überall, Staus und volle S-Bahnen. Hallo? Wer das noch nicht bemerkt hat, muss die vergangenen zehn Jahre im mentalen Lockdown verbracht haben.

Bislang fühlt man sich von den Fragen etwas unterfordert, also Mausklick auf den Weiter-Button. Jetzt wird's schon ein wenig kniffliger. Welches Verkehrsmittel soll die Stadt mit welcher Priorität (höchste, hohe, geringe, geringste) fördern? Hm? Ist es unbescheiden, überall nur das Beste zu fordern, bei der Elektromobilität, bei Bussen, Trams, S-und U-Bahnen, dem Ausbau von Rad- oder Fußgängerwegen? Ok, zum Ausgleich kann der Autoverkehr ja ganz weit hinten anstehen. Behutsam also arbeitet sich der Fragebogen - Beantwortungsdauer geschätzte zehn Minuten - in Richtung U-Bahn-Bau vor. Und kommt gleich mit Brisantem um die Ecke: Woran mag es liegen, dass es bei Großprojekten wie dem Bau neuer U-Bahn-Linien zu Konflikten kommt? Die Ankreuz-Angebote scheinen ziemlich selbstkritisch, wenn es heißt: "Das offizielle Anhörungs- und Beteiligungsverfahren bei der Genehmigung ist so kompliziert, dass es für die Betroffenen sehr schwer ist, sich daran zu beteiligen." Oder: "Politik, Verwaltung und Bau-Unternehmen nehmen zu wenig Rücksicht auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort." Und dann ist man endlich bei der U-Bahn nach Pasing angekommen. Ob man davon schon gehört habe? "Ja, scho!".

Nun wird Zustimmung oder Ablehnung abgefragt: "Die Betroffenen vor Ort sind oft maßlos in ihren Forderungen." Wirklich? Oder: "Für die Menschen vor Ort ist die Bauphase oft schwierig. Der spätere Nutzen gleicht diese Mühen aber mehr als aus." Hoffen wir's. Auch um Glaubwürdigkeit geht es. Wem traut man über den Weg, was Aussagen über das U-Bahn-Projekt angeht, wollen die Statistiker gegen Ende wissen. Dem Stadtrat, der örtlichen Politik, der Bauverwaltung, Bau-Unternehmen, Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen, Medien? Zu einer Mischkalkulation würde man da wohl raten.

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