Das ist schön:Zweng Corona, der bleedn Sau

Der Autor Fritz Eckenga dichtet zur Absage der Passionsspiele

Kolumne von Christiane Lutz, Dortmund

Es braucht schon einen drastischen Anlass, damit sich ein westfälischer Lyriker bemüßigt fühlt, seine heimischen mundartlichen Gefilde zu verlassen und in einem vollkommen anderen Dialekt zu dichten. In diesem Fall auf Bairisch. Fritz Eckenga aber hat das nun gemacht. Er ist Kabarettist und Autor, ist in Bochum geboren, hat eine Dauerkarte für den BVB und lebt in Dortmund, wo man statt "Manfred" gern mal "Mampfred" sagt. Oder statt "Infektion" "Impfektion". Eben so eine drohende Impfektion hat Eckenga nun zu dem Gedicht "'s is a Kreiz" inspiriert, das auf der Webseite des Verlag Antje Kunstmann veröffentlicht ist. In vierhebigen Jamben beklagt er leidenschaftlich die kürzlich verkündete Absage der Passionsspiele in Oberammergau. Er schreibt etwa: "Sonst schaugt a hoibate Million, Besucha zua bei der Passion, wo unser Jesus, kolossal, live und mehr wia hundert Mal, an Kreiztod stirbt und dann konkret, oiwei wiada aufersteht." Und am Ende reimt er recht unverschnörkelt: "Des wunderscheene Ammertal, ist jetz a greisligs Jammertal. Mia derfa do in Oberbayern, heuer nicht das Leiden feiern. Das ist der OberammerGAU! Zweng Corona, der bleedn Sau."

Er war selbst noch nie in Oberammergau, sagt Eckenga, aber die Geschichte der Passionsspiele, die alle zehn Jahre stattfinden und für die wirklich eine halbe Million Zuschauer angekündigt waren, fasziniert ihn in ihrer Skurrilität und Besonderheit. Als er nun las, dass die Passion, die im Mai 2020 wieder angefangen hätte, nun wegen Corona auf 2022 verschoben werden musste, habe ihm das richtig leid getan für das Dorf. "Ich bin ja immer auf der Suche nach Themen und Reimen", sagt er, "wenn man so viel schreibt, hat man oft das Gefühl, das, was man schreibt, schon mal geschrieben zu haben". Also dichtete er drauf los - "Ich hab zwei Tage dran geschraubt. Das ist dann auch wie Sport" - und siehe da, es schlich sich das ein oder andere bairische Wörtchen rein.

Angefixt von der Idee, im Dialekt weiter zu dichten, konsultierte er diverse bairische Übersetzungsseiten im Internet, was gut, aber nicht gut genug funktionierte. Versuche, das Gedicht laut in seinem Dortmunder Home-Office vorzulesen, ließ Eckenga auch schnell wieder bleiben. So bat er irgendwann seinen Freund Hans Well um Hilfe, der das Gedicht daraufhin dialektal veredelte. Zum Beispiel hatte Fritz Eckenga im ersten Vers von "a hoibe Million" gesprochen, Well korrigierte das und schrieb um ins melodischere "a hoibate Million". Herausgekommen ist nun ein aufrichtig wütendes, herrlich lustiges und astrein bairisches Gedicht. Mehr davon bitte, liebe Lyriker, denn diese Art von Krisenliteratur ist wirklich sehr schön.

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