Eine Pandemie - das wäre doch früher die Stunde der Kirche gewesen, gerade in Bayern. Jahrhundertelang war die katholische Kirche die zentrale Institution für Orientierung, Einkehr und Trost, gerade in Krisenzeiten. Jetzt aber ist sie verblüffend still. Und auch als moderner Mensch, der die strikte Trennung von Kirche und Staat für selbstverständlich und richtig hält, selbst noch als Agnostiker kann man es bedauerlich finden, dass diese Stimme bei den wichtigsten sozialen Fragen so verstummt ist. Bei der Entsolidarisierung und Vereinzelung der Gesellschaft, bei der wachsenden Kluft zwischen Reich und Arm, alles von Corona noch verschärft und angeheizt.
Stattdessen scheint die katholische Kirche zusehends mit sich selbst beschäftigt zu sein, mit der Aufarbeitung ihrer Missbrauchsskandale, mit den überfälligen Reformen, was ihr Verhältnis zu Laienamt oder Frauen angeht, mit den eigenen Hierarchien. In der Corona-Krise konnte man bislang den Eindruck gewinnen, dass ihr vorrangiges Interesse darin bestand, die Aufrechterhaltung des Gottesdienstbetriebs zu verteidigen. Das zumindest ist ihr gelungen. Aber was machen die gut 750 Pfarreien im Erzbistum München und Freising und all die anderen in Bayern daraus? Über die übliche Liturgie und Litanei hinaus herzlich wenig.
Doch halt, es gibt Hoffnung, ein wenig ist man an Asterix und das kleine Dorf erinnert, das "nicht aufhört, Widerstand zu leisten". Das kleine Dorf heißt hier St. Maximilian, die Münchner Kirche, die mit Rainer Maria Schießler bekanntermaßen einen der modernsten, weltoffensten und umtriebigsten Pfarrer weit und breit hat. Der nutzt nun mit einigen gleichgesinnten Galliern wie seinem Kirchenpfleger Stefan Alof oder dem theater- und kunstsinnigen Monsignore Siegfried Kneissl das Gottesdienst-Privileg, um ganz im christlichen Sinn und Auftrag den Schwachen zu helfen.
Die Schwachen, das sind im Augenblick die sogenannten Soloselbstständigen, allen voran die Musiker. Sie, ob aus der Klassik, der Volksmusik oder vom Jazz kommend, dürfen in der ansonsten auftrittslosen Zeit mindestens bis zum 6. Januar alle Gottesdienste umrahmen und beleben. Bekommen wieder Publikum, Anerkennung und eine vernünftige Gage. Als Virologe darf man angesichts nötiger weiterer Kontakteinschränkungen Bedenken haben, als mit dem Corona-Blues lebender Musikfreund denkt man, dass bei den sorgfältigen Einlass- und Hygieneregelungen in Münchens drittgrößter Kirche schon nichts passieren wird, wenn jeder auch beim Hin- und Rückweg aufpasst. Dafür kann man, das haben die bisherigen Musikgottesdienste schon bewiesen, eine wirklich zu Herzen gehende "Advent Culture" erleben. Und das ist schön.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung war irrtümlich von "750 Pfarreien in Bayern" die Rede. Gemeint war das Erzbistum München und Freising, wo es alleine bereits 747 Pfarreien gibt.