Das ist schön:Hereinspaziert

Die Theater öffnen sich - trotz Lockdown

Von Yvonne Poppek

Von der Hauptspielstätte des Augsburger Staatstheaters lässt sich gerade mit Fug und Recht behaupten, dass das Publikum da nicht rein sollte. Und das nicht wegen Covid-19. Das Gebäude ist eine riesige Baustelle, Risse durchziehen die Wände, es staubt, Gräben tun sich auf, keine Stuhlreihe nirgends. So hat das Haus sich soeben in seiner sehenswerten VR-Brillen-Produktion "14 Vorhänge" gezeigt. Für den VR-Zuschauer fühlt es sich ein bisschen so an, als würde im Augsburger Theater gespielt - während er dabei ist. Man hat das Publikum sozusagen hereingelassen. Tür auf, rein ins Haus.

Die Idee dieser Öffnung treibt nicht nur das Augsburger Theater um. Viele Bühnen haben ihre Streams weiterentwickelt, von den abgefilmten Produktionen hin zu kommunikativeren Zoom-Meetings. Und dann kommen neue Formate hinzu, für die sich die Theater noch mehr öffnen. In denen es über einen Stream-Theater-Abend hinaus darum geht, was jenseits der Bühne passiert. Das Regensburger Theater etwa hat seine Zuschauer eingeladen, Fragen zu stellen. 16 davon hat es herausgesucht und in kurzen Videos beantwortet. Gab es ein Stück, das keinen Applaus bekam? Woraus besteht Bühnennebel? Wie hält sich die Tanzcompany momentan fit? Sehr Unterschiedliches ist hier von Interesse gewesen, charmant hat das Ensemble darauf geantwortet.

Das Residenztheater München führt an diesem Sonntag (28. 2., 19 Uhr) auf seiner Website ebenfalls hinter die Kulissen: Filmemacher Alexander Hector hat die letzten Probentage von Thom Luz' Inszenierung "Die Wolken, die Vögel, der Reichtum" begleitet, deren Premiere für Januar angesetzt war. In der Dokumentation will er zeigen, wie unter den geltenden Hygienebestimmungen geprobt wird. Und natürlich auch, wie ein Stück entsteht, das erst einmal nicht auf die Bühne kommt.

An den Kammerspielen kann das Publikum auch bei Proben zuschauen, virtuell natürlich. Doch für das Theater an der Maximilianstraße ist das noch nicht genug Nähe zum Publikum. Die Kammerspiele seien in der absurden Situation, schon ein halbes Jahr unter der neuen Intendanz von Barbara Mundel in München zu arbeiten, aber mit dem Publikum kaum in Kontakt gekommen zu sein, sagt Tobias Schuster. Der Dramaturg erzählt einem das am Telefon, bei einem Termin der Kammerspiel-Aktion "Auf ein Wort". 20-minütige Telefonate kann jeder hier vereinbaren, der das möchte. Zum ausgewählten Zeitpunkt ruft jemand von den Kammerspielen an - von der Schreinerei, der Maske, der künstlerischen Leitung, aus dem Ensemble. Themen gibt es genug: Was macht ein Theater ohne Live-Publikum? Wie viele neue Produktionen stehen fertig im Regal? Und überhaupt: Wie geht's? So ergibt sich ein wunderbares Gespräch, das einem die Tür zum derzeit geschlossenen Theater öffnet. Ein bisschen so, als stünde man zum Pausenplausch im Foyer. Und das ist schön.

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