Das ist schön:Chor des Monats

Wie die Camerata Vocale den widrigen Umständen trotzt

Kolumne von Egbert Tholl

Musiker sind faszinierende Menschen. Sie können abgehoben realitätsfern und hemdsärmelig praktisch in einem sein. Auch die Spitzentierchen dieser Zunft greifen hin und wieder an den widrigsten Orten und unter seltsamsten Umständen zu ihrem Instrument, weil sie Musik machen wollen, egal wie.

Sängerinnen und Sänger haben es in dieser Hinsicht ein wenig leichter, sie haben ihr Instrument immer dabei. Und können es an Orten auspacken, an denen man dies bislang nicht erlebt und noch nie erwartet hat. Am vergangenen Wochenende stand nun ein Fahrrad im Apothekerhof der Münchner Residenz, genauer, vor der Durchfahrt zum Marstallplatz, in welcher seit Urzeiten ein offenbar liegen gebliebener Lastwagenanhänger steht. An dem Fahrrad hing ein Schild: "Achtung! Hier probt die Camerata Vocale München mit Duldung der Residenzverwaltung. Sie dürfen gerne jederzeit passieren! Wenn Sie uns zuhören wollen, halten Sie bitte die Abstandsregeln und die Maskenpflicht ein."

Die Camerata Vocale gibt es seit 2016, Clayton Bowman leitet sie, am 20. Juni gibt sie ein Konzert im Herkulessaal und singt dort Musik von Schütz und Monteverdi, aber auch Zeitgenössisches von Knut Nystedt und John Tavener. Wenn man auftreten will, muss man vorher proben, und das war für einen 20-köpfigen Chor zuletzt nicht einfach. Ging nur an der frischen Luft. Also wurden diverse Orte ausprobiert, der Hofgarten, vor der Staatskanzlei, am Salvatorplatz. Nichts passte, bis sie den Durchgang entdeckten. Der hat eine steinerne Kassettendecke, der klingt sogar gut. Bei der letzten Probe schien vorne die Sonne, hinten donnerte es, und eine ältere Dame blieb stehen. Die Musiker bedeuteten ihr, dass sie gerne durchgehen dürfe. Aber nein, antwortete die Dame, sie höre so gerne zu. Dem "Paradisi Gloria" aus Nystedts "Stabat Mater". Gesang, der von Herrlichkeit kündet. Und das ist schön.

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