Die Entscheidung zwischen gesund und gesund fällt schwer im Daddy Longlegs. Sollen Granatapfelkerne oder doch lieber Cranberries als Topping auf die Açai-Bowl? Eine junge Frau tippt am Tresen des Cafés in der Barerstraße ein wenig unschlüssig auf ihren Geldbeutel aus mit Sicherheit recyceltem Plastik. Eine Packung Dinkelzwieback lugt aus dem Jutebeutel über ihrer Schulter. Auf der anderen Seite des Tresens wiederum wartet die Kellnerin geduldig auf die Entscheidung der Kundin. Erklären, was eine Açai-Bowl ist, muss sie ihr nicht.
Vor vier Jahren wäre das vermutlich anders gewesen. Maren Weiss, Eigentümerin des Daddy Longlegs, erinnert sich noch gut an die Zeit kurz nach der Eröffnung ihres Cafés in der Barerstraße gegenüber der Alten Pinakothek. Damals musste sie noch Überzeugungsarbeit leisten, wenn Leute, die zufällig vorbeikamen, von den gemütlich aussehenden Sitzbänken ins Innere gelockt wurden, dann allerdings noch nie etwas von Açai gehört hatten und deshalb oft gleich wieder gehen wollten.
Beim Namen fängt es ja schon an. "Assaiiii", sagt Maren Weiss, so wird das richtig ausgesprochen. Mit "s" und Betonung auf dem "i". Nicht "Akai", nicht "Atsai" und auch nicht "Atschai". Sie muss es wissen, sie war die erste, die dieses "Superfood" in München angeboten hat. Neun Jahre ist es her, dass sie ihren Freund während seines Auslandsemesters in Kalifornien besuchte, ihre erste "Bowl" aß und sich sofort in das bunt angerichtete Frühstück verliebte.
So gesund, dass Avocado und Süßkartoffeln daneben wie einfaches Gemüse wirken
Açai ist eine Beerenart aus Brasilien. Surfer entdeckten die Superfrucht bei den Ureinwohnern Brasiliens. Nach einem anstrengenden Surftag aßen sie das Fruchtfleisch oder tranken den Açaisaft, den die Küstenbewohner herstellten, so steht es auf Schautafeln im Daddy Longlegs. Die positive Wirkung wurde in der ganzen Sportszene Brasiliens bekannt, und irgendwann brachten Surfer sie an die Strände Kaliforniens.
Das Fruchtfleisch muss von einem relativ großen Kern gepult werden, erklärt Weiss, um anschließend getrocknet und gepresst werden zu können. Die Beeren an sich schmecken nämlich eher erdig. Mixt man sie jedoch mit Banane, entsteht ein süßes, dunkelviolettes Mus, das dann in einer Schüssel, der Bowl, mit verschiedenen Früchten, Nüssen und Müsli kombiniert wird. Und das ist so gesund, dass selbst Avocados, Süßkartoffeln und Chia-Samen daneben nur noch wie ganz normales Gemüse wirken.
"Superfood", "Bowls", "Smoothies", "Clean Eating", "Healthy Diet" - noch nie war gesundes Essen in München so in, so hip, so wichtig. Auch normale Cafés und Restaurants, wie die LAX Eatery in Schwabing oder das Hungrige Herz im Glockenbachviertel haben Açai- und andere Bowls in ihre Speisekarten aufgenommen, bieten aber auch weiterhin völlig unbeschwert American Pancakes und deftige Burger an.
Es eröffnen beachtliche viele Läden und Ketten, die ausschließlich auf "Superfood" spezialisiert sind. Bei Bowls und Blenders in der Maxvorstadt beispielsweise gibt es süße und salzige Bowls (die salzigen dann auf Quinoa-Basis) und als Nachtisch Chia-Pudding. Bei Bite Delite, mit mittlerweile vier Läden in München vertreten, befindet sich in jedem Gericht mindestens ein "Powerfood".