Zwist um Helfergruppe:"Das Team wurde allein gelassen"

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Robert Denk von den Peterhausenern "Helfern vor Ort" packt ein. (Foto: privat)

Bei Notfällen leisten die "Helfer vor Ort" die Erstversorgung, bis der Krankenwagen eintrifft. In Petershausen haben die Ehrenamtlichen nun hingeschmissen. Sie fühlen sich vom BRK nicht ausreichend wertgeschätzt

Von Eva Waltl, Petershausen

Zwölf Minuten, umgerechnet 720 Sekunden - diese Zeit benötigt ein Rettungsdienst im Durchschnitt, bis er einen Unfallort in der Gemeinde Petershausen erreicht. Im Notfall könnten das einige Sekunden zu viel sein. Um diese kritische Phase zu überbrücken, gibt es seit 1993 die "Helfer vor Ort" (HvO). Sie kümmern sich um die Patienten und leisten die Erstversorgung, bis die Einsatzkräfte eintreffen. Die Helfer arbeiten Hand in Hand mit dem BRK - unentgeltlich, engagiert, qualifiziert. Doch in der Gemeinde Petershausen haben die Ehrenamtlichen vor einigen Wochen hingeschmissen. Ein neues Team hat die Aufgabe übernommen. Doch die Debatte ist damit offenbar nicht zu Ende.

Stefan Strehlow war mehr als fünf Jahre als Helfer tätig und verließ im Mai dieses Jahres gemeinsam mit weiteren Kollegen das Team der HvO Petershausen. Schweren Herzens, wie er selbst sagt, immerhin leitete er den Helferkreis in der Gemeinde persönlich. Sie seien ausgeschieden, "weil man unter diesen Umständen nicht mehr arbeiten möchte". Seine Kritik richtet sich an das BRK Dachau. Kommunikation sowie Ausstattung durch die Organisation seien unzureichend gewesen, findet er. "Das Team wurde lange Zeit allein gelassen." Auch habe es an Wertschätzung des BRK für die Ehrenamtlichen gemangelt. Johannes Rupp, Helfer des HvO Pfaffenhofen an der Glonn, teilt diesen Eindruck und spricht unverblümt von "abwertendem Verhalten einzelner Besatzungen des BRK Dachau gegenüber den Helfern". Diesen Vorwürfen widerspricht das Rote Kreuz in Dachau vehement. An Wertschätzung habe es nicht gefehlt, erklärt Bernhard Seidenath, CSU-Landtagsabgeordneter und Vorstand des BRK-Kreisverbands Dachau.

Ein weiterer Kritikpunkt, den Strehlow in einem Schreiben an die SZ anführt, ist die Ausstattung: Lange Zeit hätten für das Fahrzeug der Freiwilligen Winterreifen gefehlt. Erst nachdem es zu einem kleinen Unfall während eines Einsatzes gekommen war, hätten die Helfer die angeforderten Reifen erhalten, so Strehlow. Seidenath reagiert auf diesen Vorwurf aufgebracht. Darüber habe es ausgiebige Gespräche gegeben, empört er sich. "Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, wenn die Helfer etwas gesagt hätten!"

Um die Unstimmigkeiten zwischen beiden Parteien aus dem Weg zu räumen, folgten Gesprächsrunden, an denen die Ehrenamtlichen, Verantwortliche des BRK und Petershausens Bürgermeister Marcel Fath (Freie Wähler) teilnahmen. Man habe sich ausgesprochen, so Seidenath. Allerdings mit dem Resultat, dass im weiteren Verlauf langjährige Helfer ihren Dienst quittierten. Die Vorwürfe Strehlows habe er alle ausräumen können, behauptet Seidenath. Den Abgang bedaure er sehr.

Bürgermeister Fath verfolgt die "großen Differenzen" mit Sorge. Ihm liege in erster Linie die Versorgung seiner Bürger am Herzen, sagt er, und dafür habe das ehemalige Helfer-Team eine "ganz besonders wichtige Rolle gespielt". Für die Gemeinde Petershausen seien die Ehrenamtlichen eminent wichtig. "Wir hatten eine ausgesprochen schlechte Grundversorgung mit Rettungsdiensten." Diese entspreche nicht den bayerischen Standards. Auch das BRK Dachau bestätigt, dass die Abdeckung in Petershausen in der Vergangenheit nicht ideal gewesen sei. Fath berichtet, man habe "durchaus auch mal eine Dreiviertelstunde warten müssen, bis jemand gekommen ist." Die ehrenamtlichen Helfer der Gemeinde leisteten einen "wertvollen Dienst". Das sagt übrigens auch Dennis Behrendt, der stellvertretende Kreisgeschäftsführer des BRK-Kreisverbands Dachau.

Umso größer ist das Unverständnis des Bürgermeisters für die jüngsten Geschehnisse: "Was ich fürchterlich schlimm finde: Ich habe bei einigen vom Roten Kreuz keinerlei Willen zur Klärung der Streitpunkte gesehen." Wobei er den "sehr engagierten Mitarbeitern der Rettungsstelle in Dachau" ausdrücklich ein großes Lob ausspricht. "Aber manchmal funktioniert es nicht gut, und dann muss man den Finger in die Wunde legen dürfen", findet Fath.

Glaubt man Dennis Behrendt, ist nun alles wieder gut, vielleicht sogar noch besser: Ein neues Team sorge nun für eine reibungslose Rettungskette in Petershausen. "Die Gruppe läuft stabil." Und Seidenath ergänzt: "Wir haben nun eine stärkere Gruppe als zuvor." Im Petershausener Rathaus scheint man allerdings einen anderen Eindruck zu haben. Bürgermeister Fath bemängelt den fehlenden Austausch mit dem neuen Team. "Die Zusammenarbeit ist nicht mehr existent." Fath bedauert das, denn alle Parteien verfolgten dasselbe Ziel: die optimale Gesundheitsversorgung der Bürger. "Das Rote Kreuz und die Gemeinde können das nicht alleine auf den Weg bringen", mahnt er. "Es braucht Engagement und Gemeinschaft."

© SZ vom 12.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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