Zuzug und Geburtenzuwachs:Karlsfeld braucht mehr Hortplätze

Zuzug und Geburtenzuwachs: Schulleiterin Ursula Weber, die für die CSU im Gemeinderat sitzt, spricht von einer "prekären Situation".

Schulleiterin Ursula Weber, die für die CSU im Gemeinderat sitzt, spricht von einer "prekären Situation".

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Schock nach der Sitzungspause: Nach Prognosen wird die Zahl der Kinder an der Verbandsgrundschule auf 570 steigen. Das neue Haus kostet die Kommune drei Millionen Euro

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Die Gemeinde Karlsfeld muss erneut einen Kraftakt für den Ausbau der Kinderbetreuung leisten. Nach den neuesten Prognosen wird die Zahl der Kinder an der Verbandsgrundschule München-Karlsfeld von derzeit etwa 360 auf knapp 570 im Schuljahr 2020/21 steigen. "Wir haben viel zu wenige Hortplätze", teilte die im Rathaus zuständige Sachbearbeiterin Gabriele Mader den Gemeinderäten am Dienstagabend mit. Deshalb soll an der Allacher Straße, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Verbandsgrundschule, ein provisorisches Gebäude errichtet werden, das acht Gruppen Platz bietet. Bauamtsleiter Günter Endres hatte auch schon eine ganz vorsichtige Kostenschätzung mitgebracht: 2,8 bis 3 Millionen Euro sind veranschlagt.

"Da kommen wir ganz entspannt aus dem Urlaub, und schon werden wir wieder geschockt", seufzte Finanzreferent Holger Linde (CSU). "Wir wollen den Eltern und Kindern ja was bieten, aber irgendwann sehe ich die Grenze des Machbaren gekommen." Karlsfeld gibt jedes Jahr mehrere Millionen Euro für Kinderbetreuung aus, und jedes Jahr steigt die Summe. Vor allem bei der Betreuung der Kleinsten stand die Gemeinde enorm unter Druck. Erst durch eine unkonventionelle Maßnahme, die Einrichtung der Kita "Schatzinsel" im Gewerbegebiet, war es ihr 2016 gelungen, das Problem bis auf weiteres zu entschärften.

Nun setzt sich das Problem bei den Grundschulkindern fort: Schulleiterin Ursula Weber, die zugleich für die CSU im Gemeinderat sitzt, bestätigte, dass es bei der Nachmittagsbetreuung an ihrer Schule eine "prekäre Situation" gebe. "Der Bedarf ist stetig steigend." Zwar gibt es, anders als bei den Null-bis-Dreijährigen, keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Betreuung von Grundschulkindern, aber Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) kennt den Alltag der jungen Familien: In den vergangenen Jahren sind viele neu nach Karlsfeld gezogen, die meisten haben sich ein Haus in dem rund 15 Hektar großen Neubaugebiet westlich der Bahn gekauft, für manche muss man dort mehr als eine Million Euro hinlegen. Bei solchen finanziellen Belastungen bleibt den Eltern gar nichts anderes übrig, als Vollzeit zu arbeiten - und zwar beide. Diese jungen Familien will die Gemeinde nicht im Regen stehen lassen. "Es ist ja auch schön, dass wir in Karlsfeld bei den Familien so einen Zuspruch haben", sagte Jugendreferentin Venera Sansone (SPD). Wären da nicht die "enormen Herausforderungen", die Rathausverwaltung und Gemeinderäte immer wieder in Nöte bringen.

Nur dank des Einsatzes des Fördervereins der Verbandsgrundschule München-Karlsfeld unter Uwe Hera war es gelungen, für das beginnende Schuljahr ein ausreichendes Betreuungsangebot für die Kinder der Verbandsgrundschule sicherzustellen. Er bietet zwar keine Hortgruppen an - dafür bräuchte man pädagogisch geschultes Personal - aber eine Nachmittagsbetreuung mit Ehrenamtlichen. Das Angebot hat Hera kurzerhand von zwei auf vier Gruppen aufgestockt und die Dauer der Betreuung von 14 auf 16 Uhr verlängert. "Herr Doktor Hera hat hervorragende Arbeit geleistet", sagte Bürgermeister Kolbe. Bereits von mehreren Gemeinderäten wurde Hera für die Verleihung der Karlsfelder Bürgermedaille vorgeschlagen.

Der Gemeinde und dem beauftragten Münchner Architekturbüro Meissler bleiben nun ein Jahr, um den Hort festigzustellen. Die marode Verbandsgrundschule München-Karlsfeld wird abgerissen, die Landeshauptstadt München errichtet auf Karlsfelder Grund dann einen neuen, größeren und hochmodernen Gebäudekomplex. Allerdings fällt den Bauarbeiten auch der Pavillon zum Opfer, in dem derzeit die Nachmittagsbetreuung des Fördervereins stattfindet. Die vier Gruppen sollen 2018 in den neuen Hort umziehen, der Platz für acht Gruppen bieten soll. Die Bruttogeschossfläche des Bauwerks beträgt 1500 Quadratmeter. Unklar ist noch, inwieweit die Gemeinde auf staatliche Zuschüsse zählen kann. Das wird erst noch geklärt.

Mehr Sorgen macht dem Rathauschef die Frage, wo er das Personal für den Hort hernehmen soll. "Der Markt ist tot. Wir schreiben permanent Stellen aus, aber es ist ganz schwierig." Und obwohl sich die Gemeinde vorgenommen hat, ihr Angebot "nicht auf Kante zu nähen", scheinen bereits Zweifel durch, ob das, was man auf den Weg gebracht hat, auf Dauer ausreicht. Derzeit beträgt die Betreuungsquote für Grundschulkinder in Karlsfeld 65 Prozent. In den vergangenen Jahren ist dieser Wert immer weiter gestiegen. Und selbst die Prognosen des enormen Schülerzuwachses könnten noch deutlich übertroffen werden: Sie berücksichtigen nämlich nicht den Zuzug, der durch Nachverdichtung stattfindet - Karlsfeld hat gerade dadurch in den vergangenen Jahren viele neue junge Familien bekommen - und was völlig ausgeblendet wurde, ist die Entwicklung auf Münchner Seite. Dort entstehen gerade mehrere große Wohngebiete, etwa in der Gerberau, die auch zum Einzugsgebiet der Verbandsgrundschule gehört.

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