Zusatzvorstellungen am Hoftheater:Die feministische Version

Den "Schöller-Sisters" gelingt im Bergkirchener Theatersommer eine eindrucksvolle Version des Lieds "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da". Damit prägen Annalena Lipp, Helena Schneider und Mona Weiblen die Inszenierung

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Die "Schöller-Sisters" skandieren in stahlblauen Glitzerkostümen mit beinharten Stimmen in den Pension-Schöller-Aufführungen: "Die Nacht legt ihr finsteres Kleid über unsere Stadt" und lassen die Spießer "von Sachen träumen, die sie heimlich machen würden. Wir machen diese Sachen". Sie zeigen die dunkle Seite des schönen Scheins, Not, Wut, Verzweiflung. Da geht es nicht nur - wie in den Adaptionen von Udo Lindenberg, Max Raabe oder Ulrich Tukur - um Sex, Drugs and Rock'n'Roll - sondern um "Amnestie, Amnestie allen armen Sündern". Denn für Annalena Lipp, Helena Schneider und Mona Weiblen sind nicht Männer, die sich heimlich in den Puff schleichen, die armen Sünder, sondern die Frauen, die sich aus schierer Not mehr oder weniger verkaufen mussten und müssen. "Wir wollen zeigen, was das mit den Frauen macht", sagt Annalena Lipp. So kann also das berühmte Lied aus dem Gründgens-Film "Tanz auf dem Vulkan" auch klingen. Die feministische Version prägt regelrecht den Theatersommer in Bergkirchen mit der Komödie "Pension Schöller", auch weil die Inszenierung die Klamotte zu einem musik- und kulturgeschichtlichen Kaleidoskop ausbeitet.

Annalena Lipp, Helena Schneider und Mona Weiblen sind derzeit in ihrem Element. Die drei ausgebildeten Musicaldarstellerinnen singen, tanzen und spielen die "Schöller Sisters" in der Theatersommer-Revue des Hoftheaters Bergkirchen. Sie gehören zum Ensemble des Hoftheaters, haben dort schon unterschiedliche Rollen übernommen. So hat Annalena Lipp bereits in Bertolt Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" und in Michael Endes "Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch" mitgespielt. Helena Schneider war während ihres Studiums in Emmerich Kálmáns Operette "Die Csárdásfürstin" und Ralph Benatzkys "Im Weißen Rössl" und anderen Hoftheater-Produktionen zu sehen. Das gilt auch für Mona Weiblen. Auch in der kommenden Saison wird man die drei Musical-Darstellerinnen in verschiedenen Rollen im Hoftheater erleben können. Dennoch ist "Pension Schöller" für das Trio eine echte Premiere. Denn erstmals haben die Absolventinnen der Münchner Abraxas Musical Akademie die Choreografie für ihre Auftritte selbst entwickelt - und setzen sie in unterschiedlicher Besetzung gekonnt um.

Zusatzvorstellungen am Hoftheater: Mona Weiblen und Helena Schneider erfüllen als Revuegirls in der Komödie "Pension Schöller" nur vordergründig das Klischee der Verführerin.

Mona Weiblen und Helena Schneider erfüllen als Revuegirls in der Komödie "Pension Schöller" nur vordergründig das Klischee der Verführerin.

(Foto: Toni Heigl)

Das sei eine echte Herausforderung gewesen, erzählt Helena Schneider. "Vorher hatten wir Angst, das nicht zu schaffen, aber wir haben uns gegenseitig inspiriert." Schließlich bedeute Choreografie mehr als Positionen, Haltung und Bewegungsabläufe einzustudieren. "Wir haben uns auf die zwanziger und dreißiger Jahre eingelassen." In dieser Zeit spielt die Komödie "Pension Schöller" schließlich.

Ist das nicht eine sehr ferne Epoche für Darstellerinnen, die sich dem modernen Musical-Metier verschrieben haben? "Ja, aber das war auch eine aufregende Zeit. Die Frauen haben begonnen, sich zu emanzipieren, die Gesellschaft hat sich total verändert. Das wollten wir rüberbringen", beschreibt Helena Schneider ihre Intentionen. Was sie außerdem inspiriert habe, sei der Tanzstil jener Zeit. Der hat es den jungen Frauen angetan. War doch Tanz einer der Gründe, warum sie sich fürs Musical und nicht für die klassische Sängerinnen-Laufbahn entschieden haben.

"Wir wollten das so. Unser Herz hat gesagt, es geht nicht anders", sagt Mona Weiblen. Dafür nehmen sie eine eher ungesicherte Existenz in Kauf, jobben neben ihren Engagements in unterschiedlichen Bereichen. Und finden in ihrer Choreografie Parallelen zur vielfach ungesicherten Existenz von Frauen aus den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts. "Mysteriös, gruselig, provokant", soll ihre Version des berühmten "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da" sein, sagt Annalena Lipp. Das ist gelungen.

Pension Schöller

Eher werden die Herren (im Bild Herbert Müller als lüsterner Herr Klapproth mit Annalena Lipp, rechts) zur Lachnummer. Die drei jungen Künstlerinnen ergänzen künftig das Ensemble des Hoftheaters in Bergkirchen.

(Foto: Hoftheater/OH)

Wo das unvergängliche und topaktuelle Lied von Theo Mackeben aus dem Film "Tanz auf dem Vulkan" von 1938 vordergründig das ungebremste Amüsement preist, vergegenwärtigen die drei Künstlerinnen die Opfer. Im Film tanzt der ebenso geniale wie umstrittene Gustaf Gründgens als Filmheld Jean-Gaspard Debureau gleich in mehrfacher Hinsicht auf dem Vulkan: Er ruft im Paris von 1830 in seinem Theater zum Sturz des despotischen französischen König Karl X. auf und verliebt sich in die Gräfin Héloise, die unglücklicherweise auch das Objekt royaler Begierde ist. Hintergrund des Films sind die Ambitionen Karls X., der das Parlament auflösen und die Vorherrschaft des Adels wiederherstellen wollte. "Rebellion, Rebellion in den Katakomben", fordert deshalb Untergrund-Kämpfer Debureau im Film mit Songs und Flugblättern. Filmisch wird er so zum Helden der (realen) Juli-Revolution von 1830, die letztendlich 1848 zum Sturz der Bourbonen und damit zur Entwicklung demokratischer Strukturen in Europa führte. Im wirklichen Leben war Debureau (1796-1846) ein Superstar der Pariser Theaterszene.

Den Nazis lag dieser Plot trotz ihrer Vorliebe für pompöse Ausstattungsfilme schwer im Magen. Das war ihnen zu viel "Tanz auf dem Vulkan". Film und Schallplattenaufnahmen wurden streng zensiert. Heute mag man angesichts der Exzesse diverser Möchtegern- und real existierender Diktatoren mit Gustaf Gründgens wünschen: "Lasst den alten Narren flieh'n, der sich selbst gerichtet, in die Zukunft woll'n wir zieh'n, die auf ihn verzichtet, doch wir woll'n im Siegeslauf immer memorieren: Augen auf! Augen auf! Dann kann nichts passieren." Glücklicherweise richten die drei Frauen die Augen auf die richtige Perspektive. Sie lassen diese Männer-Romantik mit den Frauen als Staffage nicht mehr zu.

Für die Zusatzvorstellungen von "Pension Schöller" im Hoftheater Bergkirchen gibt es noch Karten, weil das Hoftheater die Komödie ins Herbstprogramm aufgenommen hat. Die Termine sind Freitag, Samstag, Sonntag, 15. bis 17. September sowie 22. bis 24. September jeweils um 20 Uhr. Telefon: 08131/32 64 00.

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