Zum 50. Todestag:Rebell und liebender Sohn

Oskar Maria Graf

Oskar Maria Graf.

(Foto: SZ)

Kult A 8 erinnert mit einer Lesung an den Literaten Oskar Maria Graf

Von Renate Zauscher, Odelzhausen

Vor fünfzig Jahren, im Jahr 1967, ist Oskar Maria Graf gestorben. Im Literaturhaus in München wurde aus diesem Anlass mit einer großen Ausstellung an die langen Jahre im amerikanischen Exil des im besten Sinne "bayerischen" Schriftstellers und Dichters erinnert. Mit einer Lesung aus einem der wichtigsten Werke von Graf, der Biografie "Das Leben meiner Mutter", hat jetzt auch Kult A 8, der Kultur-Verbund im westlichen Landkreis, an das Datum von Grafs Todesjahr angeknüpft. Die Schauspielerin Monika Manz trug in der Malztenne des Schlossguts Odelzhausen Passagen aus dem Buch vor. Die Sängerin und Harfenistin Susanne Weinhöppel griff die Themen der ausgewählten Texte auf, entwickelte sie musikalisch weiter oder setzte gelegentlich auch kontrapunktisch neue Akzente.

Es dürfte kaum Zufall gewesen sein, dass Oskar Maria Graf die Biografie seiner Mutter zu einer Zeit schrieb, als er im Begriff war, seine Heimat zu verlieren: 1938 auf der Flucht vor Hitler in Brünn und zwei Jahre später im Exil in New York. In Deutschland ist das Buch erst Jahre später, 1960, erschienen - vielleicht deshalb, weil man hierzulande lange ein zwiespältiges Verhältnis zu Graf, dem Rebellen mit kommunistischen Ideen und Neigungen, hatte? Die Verbindung Grafs mit seiner Mutter muss sehr eng gewesen sein. Wie anders wäre es zu erklären, dass er 1934, in Tiflis, weit weg von der Heimat, intensiv an seine Mutter dachte und sie mit seinen Gastgebern in Trinksprüchen hochleben ließ - just in der Nacht, in der sie starb?

Graf schildert die 1857 geborene Mutter, Tochter von Bauersleuten in Aufhausen bei Berg am Starnberger See, als geraden, unglaublich arbeitsamen, auch derben Menschen, der das Leben so nahm, wie es war: keineswegs immer leicht mit einem Mann, den der Sohn als "übellaunigen, rechthaberischen Raunzer" beschreibt, als jemand, der "an sich selber und seinem störrischen Eigensinn litt", der "unfähig war, jemals aus dem Vollen zu lieben". Die Mutter habe sich in dieser Ehe, in der elf Kinder geboren wurden und drei früh starben, "den Glauben an die Menschen abgewöhnt", sich dabei aber ihre "nüchterne, natürliche Derbheit" bewahrt, auch ihre Frömmigkeit - und eine ihr eigene Art des Humors. Noch als ältere Frau, "dünn, grauhaarig, knochig", konnte sie sich am Kaffeetisch im Garten köstlich bei anzüglichen Gesprächen mit einem Verehrer aus der Jugendzeit unterhalten: "Je drastischer es zuging, umso fideler wurde sie."

Graf schildert seine Eltern, die Bäckersleute in Berg, und das sie umgebende Milieu mit klarsichtiger Nüchternheit, gleichzeitig aber auch mit großer Empathie und, im Fall der Mutter, mit großer Zärtlichkeit. Monika Manz gelingt es, diese Gefühle spürbar und miterlebbar zu machen. In der Malztenne "las" sie die ausgesuchten Passagen nicht nur, sie schuf aus ihnen lebendige Szenen. Susanne Weinhöppel begnügte sich ihrerseits nicht etwa mit einer musikalischen Untermalung der Texte. Sie ergänzte und kommentierte sie vielmehr mit ausgewählten Musikstücken: mal mit einer Melodie aus Mozarts "Figaro", mal mit einem Song von Wolf Biermann oder von verschiedenen Komponisten musikalisch umgesetzten Gedichten von Tucholsky, Wedekind oder Erich Fried. Eine Reihe von Grafs eigenen Gedichten hat Weinhöppel selber vertont, darunter das mit dem Titel "Fremde Stadt", in der Graf New York als Stadt beschreibt, "die keine Jahreszeiten kennt".

Die Zuhörer in der Odelzhausener Malztenne waren sichtlich beeindruckt: Es gab viel Applaus für die beiden Künstlerinnen. Bedauerlich nur, dass nicht allzu viele Menschen den Weg hinauf zum Schlossgut gefunden hatten: Die Veranstaltungen von Kult A 8 hätten regelmäßig ein viel größeres Publikum verdient. "Wir machen trotzdem weiter", sagt Paul Schmid vom Veranstaltungsteam.

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