Zum Tod von Uri Chanoch:Ein Mann mit einem Augenzwinkern

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Uri Chanoch, hier bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2009, setzte sich als KZ-Überlebender unermüdlich für das Gedenken an die Schoa ein. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Er warb mit Charme für das Gedenken: Uri Chanoch, Häftling in einem Außenlager des KZ Dachau und später Sprecher der Überlebenden, ist gestorben.

Nachruf von Viktoria Großmann, Dachau

Im Mai spazierte Uri Chanoch über die Münchner Maximilianstraße und scherzte mit seinem Freund Abba Naor. Beide waren sie nach Deutschland gereist, um an den Feiern zum Gedenken an die Befreiung des KZ Dachau vor 70 Jahren teilzunehmen. Abba Naor hatte kurz darauf auf dem Podium eines SZ-Forums mit der ungarischen Holocaust-Überlebenden Ágnes Heller herumgealbert, und Chanoch nahm das zum Anlass, seinen Freund aufzuziehen. Den langen schlaksigen Chanoch und den um gut zwei Köpfe kleineren Naor verband eine lebenslange Freundschaft. Kennen gelernt hatten sie sich als 13-Jährige. Allerdings nicht, wie es sich gehört, in der Schule. Sondern im Ghetto von Kovno in Litauen.

Gemeinsam hatten sie dann als Jugendliche in Kaufering Zwangsarbeit leisten müssen, in der "Hölle von Moll", wie die Häftlinge sie nannten. Als Vorsitzender der Vereinigung der Überlebenden der KZ-Außenlager Dachau setzte sich Chanoch für ein sichtbares Gedenken an die Zwangsarbeitslager und die Erhaltung als Erinnerungsorte ein. Vor fünf Jahren brachte die Stiftung Bayerische Gedenkstätten immerhin einige Erinnerungstafeln an. Das war nicht ganz das, was sich das Mitglied des Rates ebenjener Stiftung vorgestellt hatte. Chanoch schwebten bis zu 20 Meter hohe Obelisken vor, elf an der Zahl, eines für jedes der Außenlager um Landsberg und Kaufering. "Sie haben uns alles genommen. Auch die Seele. Kaufering I war das schlimmste Lager", sagte Chanoch.

Chanoch, 1928 in Kovno geboren, verlor im Holocaust seine Eltern und seine Schwester. Seine Mutter hatte geahnt, wie schlimm es kommen würde. Eine ihrer Maßnahmen dagegen war Lebertran. Die Kinder sollten gestärkt sein. Chanoch war überzeugt, dass ihn das gerettet hat. Von Kovno war er ins KZ Stutthof und schließlich weiter nach Kaufering deportiert worden. Seinen jüngeren Bruder fand er nach dem Krieg zufällig in Bologna wieder. Gemeinsam wanderten sie nach Israel aus. Chanoch kämpfte im israelischen Unabhängigkeitskrieg, gründete eine Familie - er hatte zwei Töchter, einen Sohn und mittlerweile viele Enkel und Urenkel - und führte ein Unternehmen. Vor allem aber setzte er sich unermüdlich für das Gedenken an die Schoa ein.

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Als Sprecher der Holocaust-Überlebenden in Israel war er ständiger Gast in der Knesset. Als Vertreter der Jewish Claims Conference stritt er um Entschädigungen. Wobei streiten gar nicht das richtige Wort ist. Chanoch war ein Charmeur, ein Mann mit einem Augenzwinkern. Wenn er sich einsetzte, dann so konsequent wie höflich. Vor drei Jahren, 67 Jahre nach Kriegsende, flog Chanoch nach Berlin, um dort vor dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zu sprechen. Es ging um Renten für Zwangsarbeiter - die an viel zu wenige Opfer ausgezahlt wurden. Chanoch sagte: "Seid so gut und beschließt, das zu ändern. Ich bitte Euch." Nur bei Richard Wagner kannte Chanoch kein Pardon: So lange er lebe, werde er sich dafür einsetzen, dass die Opern des Romantikers in Israel nicht aufgeführt würden, sagte er einmal.

Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) bezeichnet es als "unverdiente Gunst", Chanoch als Ratgeber an seiner Seite zu wissen, Landtagspräsidentin Barbara Stamm erinnert sich beeindruckt daran, dass Chanoch immer "ein positives Menschenbild behalten" habe. Vor wenigen Wochen hatte er die Diagnose Krebs erhalten. Uri Chanoch starb am Abend des 1. September in Israel. Er wurde 87 Jahre alt.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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