Zum Auftakt der Internationalen Theatertage:Auf der Suche nach Glück

Die Theatergruppe des Schönbrunner Franziskuswerks beeindruckt mit ihrem selbst verfassten Stück "Gewaltige Liebe" das Publikum. Sie überzeugt mit erfrischendem Spiel und Kreativität

Von Petra Neumeier, Dachau

"Gewaltig", wie sie sich verändert haben, die jungen Männer und Frauen aus Schönbrunn. Selbstbewusst stehen sie in der Manege des kleinen Theaterzeltes auf der Postschulwiese, aufrecht, den Blick nach vorn gerichtet. Die Bewegungen sind sicher. Die Stimmen kräftig. Improvisationen, die überwiegend der winzigen Bühne geschuldet sind, sind als solche kaum erkennbar. "Die Gangster", die mit ihrem selbst verfassten und selbst inszenierten Stück "Gewaltige Liebe" bereits vor knapp eineinhalb Jahren einen großen Erfolg feierten, beeindruckten einmal mehr - und wieder neu zum vorgezogenen Auftakt der Internationalen Theatertage.

Gewaltige Liebe

Auf dass er die richtige Frau finden möge: Franz und sein Freund prosten sich in einer Bar zu.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Themen "Einsamkeit", "Liebe", "Glück" und "Loslassen" sind nicht neu. Sie sind so alltäglich, dass sie fast banal wären, würde die Truppe um die Theaterpädagogen Ira Maier und Heikki Lemberg sie nicht neu und auf ihre eindringliche, weil einfache Art erzählen. In einem Stück, das in der Anonymität beginnt. Wo Menschen einheitlich schwarz gekleidet über die Bühne rennen. Gehetzt, getrieben, jeder für sich und ohne Start und Ziel. Mit dem Stopp der Musik stehen sie dann still, streifen sich mit andersfarbigen Oberteilen ihre Persönlichkeit über. Und hier beginnen auch die Geschichten der Individuen. Wie die von Franz, der seit zwei Jahren auf der Suche nach einer bodenständigen Frau ist, der aber Angst hat an eine zu geraten, die ihn ausnutzt.

Wiederfinden im Tanz

Die Zeit rennt davon. Auch ihm, dem Protagonisten, bis sie erneut zum Stillstand kommt. Für einen Moment, wo sich die beweglichen Kulissenteile öffnen und den Barmann zeigen, der stumm und mit Hilfe einer Frau und eines Mannes die Gläser trocknet. In dieser Bar wird später Sandra Franz treffen, die ebenfalls nach einer Enttäuschung der Liebe nicht mehr traut. Nur langsam, scheu und ängstlich werden sich ihre Blicke begegnen und nur durch das Zutun der Freundinnen und des Freundes von Franz werden sie sich im Tanz finden. Und andere auch: Männer und Frauen, die sich in einer gemeinsamen und doch räumlich getrennten Tanzformation und zu Marylin Monroes "I wanna be loved by you" ihre unterschiedlichen Vorstellungen über Liebe zeigen. Obwohl sie doch eigentlich die gleichen Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit, Liebe und Respekt haben.

Gewaltige Liebe

"Gangster", die gute Laune verbreiten: Die Mitglieder der Schönbrunner Gruppe zeigen auf der Bühne, dass sie mit viel Freude und großer Leidenschaft Theater machen. Im kommenden Jahr ist eine neue Inszenierung mit neuen Schauspielern geplant.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Ernst geht es weiter, mit Marthas Albtraum von Monstern, die sie verfolgen. Und dem leidigen Alltag des Lokführers, dem Pascha, der sich seines Thrones enthoben fühlt, als seine Tochter ihre Selbständigkeit erklärt und mit ihrem Freund zusammenziehen möchte. Sich in Selbstmitleid suhlend muss er doch loslassen. Nicht einfach hat es auch Denis, der seinen Traum, Lokführer zu werden und die Welt zu bereisen, aufgegeben hat und ein Restaurant eröffnen will. Die Szenen seiner Ehe scheinen im Publikum einige bekannte Muster aufzudecken.

Grenzgänger Theatertage

Viel zu schnell sind die Stücke vorbei, noch lange hätte man der erfrischenden Spielweise, der Kreativität und Authentizität zusehen können. Zum Glück geht es weiter. Nach bereits mehreren Aufführungen in diesem Jahr und der Bewerbung für die "Grenzgänger Theatertage" in München im kommenden Jahr planen die Theaterpädagogen eine neue Inszenierung - und mit neuen Schauspielern. Denn die Nachfrage ist groß. Und letztendlich zeigt das Projekt, das eigentlich aus einer gewalttätigen Auseinandersetzung der Protagonisten geboren wurde und zu einem einzigartig harmonischen Miteinander wurde, welches Potenzial in den jungen, "behinderten" Menschen steckt. Wie zum Beispiel auch in Benjamin Lechner, der sich zu einem kreativen und alles im Blick habenden Regisseur entwickelt hat und der ob des Lobes jetzt heller strahlt als die Scheinwerfer. Stolz auf ihre Leistungen sind aber auch seine anderen zehn Mitspieler - die sich auf weitere Aufführungen mit ganz viel Publikum freuen. Auch weil sie dann beweisen können, dass sie in ihrem nicht einfachen Leben wirklich "gewaltig" was drauf haben.

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