Zu wenig Plätze:Frauenhaus: "Ständig müssen wir Betroffene abweisen"

Frauenhaus Herne

Nur jede zweite Frau, die in Bayern Hilfe sucht, bekommt im Frauenhaus ein Zimmer.

(Foto: Maja Hitij/dpa)

24 Millionen Euro für die Einrichtungen im Freistaat klingen gut, lösen aber das Problem nicht: Jede zweite Frau wird abgewiesen. Auch in Dachau gibt es zu wenig Platz.

Von Helmut Zeller, Dachau

Die Pressemitteilung aus dem bayerischen Familienministerium klingt zunächst gut: 24 Millionen Euro für die Frauenhäuser im Freistaat. "Das heißt mehr Plätze, aber auch mehr Qualität", teilt Staatsministerin Kerstin Schreyer (CSU) mit. Genau das braucht das Frauenhaus Dachau dringend. Denn die Einrichtung bietet Platz für nur fünf Frauen und sechs Kinder - allein im Jahr 2017 aber suchten 173 misshandelte Frauen Schutz vor Gewalt.

Ob das Frauenhaus in Dachau überhaupt in den Genuss einer Förderung kommt, ist aber unklar. Darüber wird erst noch entschieden, wenn der Doppelhaushalt 2019/2020 im Landtag abgesegnet worden ist. Schreyers fulminante Ankündigung wird in Dachau ohnehin zurückhaltend aufgenommen. Die wesentlichen Punkte seien damit noch nicht gelöst, sagt Oskar Krahmer, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Landkreis Dachau.

"Ständig müssen wir Betroffene abweisen"

Oskar Krahmer rechnet nach: Zwölf Millionen Euro für knapp 50 Frauenhäuser in Bayern im Jahr 2019 - damit erhielte bei einer Verteilung vermutlich nach dem üblichen Gießkannenprinzip jedes Frauenhaus nur 240 000 Euro. Diese Summe dämpft die Freude erheblich, auch wenn jede Unterstützung willkommen ist. "Wir werden die Verbesserungen im Bereich der Frauenhäuser mit den zuständigen Kommunen abstimmen", betont Ministerin Schreyer; also im Falle Dachaus mit dem Landkreis. Dabei würden regionale Strukturen und Gegebenheiten berücksichtigt. "Ständig müssen wir Betroffene abweisen", erklärt Oskar Krahmer die Gegebenheiten kurz. 2017 hat das Frauenhaus zwölf Frauen und 14 Kinder aufgenommen. Es kamen aber 36 Anfragen aus Dachau, 33 aus dem Landkreis, 46 aus München, 35 aus dem restlichen Bayern, 22 aus anderen Bundesländern und eine aus dem Ausland. Tendenz steigend.

In den 20 Jahren seit der Gründung des Frauenhauses durch Oskar Krahmer hat sich der weibliche Bevölkerungsanteil zwischen 18 und 60 Jahren im Landkreis verdoppelt. Das Dachauer Frauenhaus braucht mindestens doppelt so viele Plätze und weitaus mehr Personal, sagt er. Wie sollen 2,5 Fachkräfte für die Frauen und eine 0,75-Stelle für die Kinder das ganze Aufgabenspektrum bewältigen? Das engagierte Team schafft es irgendwie, aber es geht nicht nur um Unterbringung und Betreuung von Frauen und Kindern, die Gewalt erfahren haben. Das Personal muss auch eine ambulante telefonische oder persönliche Beratung von Betroffenen leisten, ihnen bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche, beim Umgang mit Behörden sowie bei medizinischen und rechtlichen Fragen zur Seite stehen.

Die Förderrichtlinien des Freistaats stammen aus dem Jahr 1993

Am meisten aber wurmt den Awo-Vorsitzenden das grundsätzliche Problem, das die Politik, wie er sagt, einfach nicht angehen will. "Seit mehr als 20 Jahren warten wir darauf, dass sich etwas verändert." Die Förderrichtlinien des Freistaats stammen aus dem Jahr 1993 - sind also hoffnungslos veraltet, wie eine Studie des Instituts für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg belegt. Demnach müsste die Regelverweildauer von bisher sechs Wochen auf drei Monate erhöht werden.

Es ist kein lokales Problem: Alle staatlich geförderten Frauenhäuser in Bayern bieten insgesamt 339 Plätze für misshandelte Frauen und 400 Kinder an. Das heißt, jede zweite Frau muss abgewiesen werden, wie die Träger der Freien Wohlfahrtspflege errechnet haben. Laut Studie braucht es viel mehr Plätze, mehr Personal und vor allem eine einheitliche, klare Finanzierung.

"Wir werden ständig nur vertröstet"

Das ist auch das zentrale Anliegen Krahmers, für das er seit Jahren kämpft. Im September 2018 schrieb er an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit der dringenden Bitte, dass er im Bundesrat den Rechtsanspruch von betroffenen Frauen und Kindern durchsetze. Die Bundesländer Niedersachsen und Hessen hatten entsprechende Anträge formuliert. Die Antwort fiel enttäuschend aus: Das lapidare Schreiben ging noch nicht einmal auf die konkrete Situation in Dachau und die Forderungen Krahmers ein.

"Wir werden ständig nur vertröstet", erklärt der Awo-Vorsitzende - und dazu rechnet er auch die Ankündigung aus dem Familienministerium. "Um Frauen vor akuten Übergriffen von häuslicher und sexualisierter Gewalt zu schützen, ist eine bessere Ausstattung von Frauenhäusern in Bayern notwendig", heißt es. Nun soll also der qualitative und quantitative Ausbau der Frauenhäuser erfolgen, als zweite Stufe des sogenannten Drei-Stufen-Plans der Ministerin zum Gewaltschutz.

Die Kernfrage bleibt ungelöst

In der nächsten Phase werde dann ein umfassendes Programm zur Gewaltprävention erarbeitet, das sich nicht nur auf körperliche und sexualisierte Gewalt gegen Frauen beschränke, sondern auch seelischer und digitaler Gewalt entgegensteuere. Das klingt in den Ohren Krahmers schön und gut, aber die Kernfrage einer künftig einheitlichen Finanzierung, einer Überarbeitung der Förderrichtlinien bleibt ungelöst. Zur 20-Jahr-Feier des Frauenhauses habe Krahmer einer Vertreterin des Ministeriums ein Forderungspapier mitgegeben - aber später wieder nur eine lapidare Antwort erhalten.

Der Ministerrat hat die 24 Millionen Euro für Frauenhäuser abgesegnet, voraussichtlich Mitte März wird der Bayerische Landtag über den Doppelhaushalt abstimmen. Das Kernanliegen der Frauenhäuser, so Oskar Krahmer, wird wieder mal nicht zur Sprache kommen.

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