Süddeutsche Zeitung

Würzburg/Dachau:Märtyrer von Dachau

Pater Engelmar Unzeitig pflegte im KZ Typhuskranke bis er selbst starb. Nun wird er selig gesprochen

Von Christian Feldmann/epd, Würzburg/Dachau

Der Würzburger Pater Engelmar Unzeitig half im Konzentrationslager Dachau Typhuskranken. Jedoch erkrankte er selbst und starb im Alter von nur 34 Jahren am 2. März 1945. Im Januar nun, 71 Jahre nach seinem Tod, wurde Engelmar Unzeitig von Papst Franziskus zum Märtyrer ernannt. Am 24. September soll er im Würzburger Kiliansdom seliggesprochen werden.

Nicht nur seines Namens wegen wurde der junge Geistliche als "Engel von Dachau" bekannt. Als 30-jähriger Ordenspriester kommt Unzeitig am 3. Juni 1941 nach Dachau, ein begeisterter Seelsorger voller Ideale, ein bescheidener Mensch, aber nicht bereit, sich den Mund verbieten oder den Charakter verbiegen zu lassen. Der hochintelligente Bauernsohn aus Böhmen hat bei den Mariannhiller Missionaren in Würzburg Fremdsprachen gelernt. Auf seiner ersten Seelsorgestelle kümmert er sich trotz eines Verbots intensiv um französische Kriegsgefangene.

Keine zwei Jahre nach seiner Priesterweihe wird Unzeitig verhaftet und wegen "heimtückischer Äußerungen" und "Verteidigung der Juden" in Predigt und Unterricht angeklagt. Hitlerjungen haben den Religionslehrer angezeigt. Im KZ Dachau wird er im sogenannten Kräutergarten und bei den Esskübeltransporten eingesetzt. Jeweils zwei Priester müssen die bis zu 75 Kilo schweren Suppenkübel durch das ganze Lager schleppen, angetrieben von prügelnden SS-Leuten. Die Geistlichen erleiden schwere Schikanen: Am Karfreitag 1940 werden 60 Geistliche "gekreuzigt", das heißt mit auf den Rücken gefesselten Händen an Bäumen hochgezogen. Eine Stunde lang bleiben sie so hängen, die Fersen knapp über dem Boden. Nicht alle überleben die Tortur.

Pater Engelmar aber schreibt aus Dachau gelassen nach Hause, es gehe ihm eigentlich ganz gut: "Wie vieles lernt der Mensch erst durch die Erfahrung in der Schule des Lebens." Wenn ein Paket von seinen Angehörigen kommt, was selten genug erlaubt wird, verschenkt er die kostbaren Esswaren an kranke Mithäftlinge. Unzeitig lernt Russisch und führt lange Glaubensgespräche mit Kriegsgefangenen, ja sogar mit einem nachdenklichen Unterscharführer von der Besoldungsstelle der Waffen-SS. Gemeinsam mit anderen Geistlichen übersetzt er Bibeltexte und Katechismus-Abschnitte ins Russische. Jeden Morgen freut er sich auf den Gottesdienst mit einem Altar aus Brettern, der Tabernakel besteht aus Konservendosen. Vor dem Morgenappell um sechs Uhr muss die Messfeier beendet sein, oft wird sie von grölenden SS-Bewachern gestört.

Im Dezember 1944 bricht eine verheerende Typhus-Epidemie in Dachau aus, innerhalb eines Monats sterben 2800 Häftlinge. Jetzt kommen die SS-Gewaltigen plötzlich mit einer Bitte zu den ihnen verhassten Geistlichen: Sie sollen Pflegerdienste in den verseuchten Baracken übernehmen. Unter den 20, die sich freiwillig melden - es sind zehn Deutsche und zehn Polen - ist auch Pater Engelmar. Andere Geistliche sparen sich Lebensmittel und Obst von ihren Hungerrationen für die Kranken ab oder melden sich als Blutspender. In den Typhusbaracken herrscht Chaos. Die vor Schmerz schreienden, im Delirium fantasierenden Kranken wälzen sich in ihrem eigenen Kot auf blanken Brettern, bei eisiger Kälte. Bettwäsche und Matratzen gibt es nicht. Die Lumpen auf den ausgezehrten Körpern wimmeln von Läusen und Flöhen.

Pater Engelmar wäscht die zu Skeletten abgemagerten Menschen und ihre Lagerstätten, tröstet, spricht in der letzten Stunde Mut zu. "Das ist er gewesen: Liebe", weiß ein mitgefangener Pfarrer zu berichten. Und in seinem letzten Brief nach Hause erklärt Engelmar Unzeitig unbeirrt, das Gute sei unsterblich, "wenn es uns auch manchmal nutzlos erscheint, die Liebe zu verbreiten in der Welt". Am 2. März 1945, einen Tag nach seinem 34. Geburtstag, stirbt Engelmar Unzeitig an Typhus. Freunde schmuggeln seine aus dem Krematorium gerettete Asche aus dem Lager.

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SZ vom 16.02.2016
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