Wohnungsmarkt:"Wir brauchen einen Mietstopp"

80. Geburtstag

Thomas Heckenstaller, der Ehrenvorsitzende des Mietervereins, sieht im aktuellen Mietgesetz zu viele Lücken.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Thomas Heckenstaller, Mitbegründer des Dachauer Mietervereins und Ehrenvorsitzender, sieht nur eine Chance für bezahlbaren Wohnraum: Preise per Gesetz eindämmen

Von Petra Schafflik, Dachau

Das Thema Wohnen ist im Landkreis wie in der gesamten Boomregion München die dominierende soziale Frage. Eine Analyse, in der sich Mieterverein, Kommunalpolitiker und der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi durchaus einig sind. Auch gibt es auf allen Ebenen nun Gegenstrategien. So verwies Landrat Stefan Löwl (CSU) am Freitag bei der Jahresversammlung des Mietervereins darauf, dass sich die ländlichen Gemeinden zunehmend im sozialen Wohnungsbau engagierten. Dachaus zweiter Bürgermeister Kai Kühnel (Bündnis für Dachau) nannte das ambitionierte Sozialbau-Programm der Stadt und setzt Hoffnungen auf die Dachauer Grundsätze zur Bodenpolitik. Über bundespolitische Ansätze, vom neuen Mietrecht bis zum Baukindergeld, informierte Michael Schrodi (SPD) in einem Gastreferat.

Das reicht nicht, sagte Thomas Heckenstaller, der als Mitgründer, langjährige Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Dachauer Mietervereins noch immer einmal die Woche im Büro mithilft. Seine Forderung: "Wir brauchen einen Mietstopp." Alles andere bringe nichts. "Denn das aktuelle Mietgesetz hat zu viele Lücken. Die Entwicklung geht so weiter wie bisher."

Die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt ist durchaus auch auf ein Versagen des Staates zurückzuführen, das räumte der Bundestagsabgeordnete ein. Zu lange habe die Politik beim Thema Wohnen auf die Kräfte des Markts vertraut. Zu Unrecht. "Der Markt regelt es schon, aber zu Ungunsten der Menschen", sagte Schrodi. Um gegenzusteuern, gelte es nun, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und neu zu schaffen. Schrodi erläuterte den 25 Mietervereins-Mitgliedern, die zur Nachmittagsveranstaltung mit Kaffee und Kuchen ins Adolf-Hölzel-Haus gekommen waren, die jüngsten Pläne der großen Koalition: Die Mietpreisbremse werde verschärft, die Modernisierungsumlage stärker reguliert. Die SPD will sich für eine Modifikation der Mietspiegel einsetzen, so dass auch Bestandsmieten einfließen und dämpfend auf die Statistik wirken. Damit mehr gebaut wird, hat der Bund eine Sonderabschreibung für Mietwohnungsbau aufgelegt. "Leider wurde keine Mietobergrenzen festgelegt", räumte Schrodi ein. Doch in Zukunft gelte es, das Thema grundlegender anzugehen, das Bodenrecht zu reformieren. Grundeigentümer sollen nicht länger die Wertsteigerung abschöpfen, die sich allein durch die explodierenden Preise auf dem Immobilienmarkt, also völlig ohne Zutun des Grundeigentümers ergeben, fordert Schrodi.

Nicht nur in Berlin steht das Thema Wohnen auf der Agenda, auch der Koalitionsvertrag der neuen bayerischen Regierung schreibt einige Veränderungen fest. Wie die längere Bindung für Sozialmieten, den Bau von 10 000 preiswerten Wohnungen bis 2025 oder eine Landeszuschlag zum Baukindergeld. Doch die Geschäftsführerin des Landesverbands Bayern im Deutschen Mieterbund, Monika Schmid-Balzert, findet für dieses Konzept kein gutes Wort. Die Vorschläge seien teilweise nicht neu oder ineffektiv. Fazit: "Kein großer Wurf für Bayerns Mieter."

Konkreter gehen Stadt und Kreisgemeinden daran, die Wohnungsnot einzudämmen. Bürgermeister Kühnel verwies auf das Bauprogramm der Stadt, das in den kommenden Jahren 200 günstige Sozialwohnungen schaffen wird. Und zum Glück gebe es in der Stadt auch noch "Vermieter mit Herz, die nicht verlangen, was der Markt hergibt."

Für preiswerten Wohnraum engagieren sich jetzt auch einige kleinere Gemeinden, informierte Landrat Stefan Löwl. In Projekten der Kreiswohnbau werden allein 2019 bereits über 100 Sozialwohnungen in Vierkirchen, Röhrmoos, Karlsfeld und Markt Indersdorf bezugsfertig.

Und der Mieterverein? Welche Rolle spielt diese Interessenvertretung, wenn der Mietmarkt so unter Druck ist? Gerade in diesen schwierigen Zeiten für Mieter habe der Verein "große Wertschätzung verdient", betonte Kai Kühnel. Weil er mit Kompetenz und Engagement die Menschen schütze und unterstütze, die unter den steigenden Immobilienpreisen am meisten zu leiden hätten. Und so wesentlich beitrage zum sozialen Frieden in der Stadt. Ein Lob, dem sich Landrat Löwl anschloss, der explizit auch die Lobby-Arbeit des Vereins für Mieterinteressen in den städtischen und landkreisweiten Netzwerken begrüßte.

Doch wo die Kommunalpolitiker ausdrücklich die Bedeutung des Mietervereins betonen, sieht sich Vorsitzender Wolfgang Winter erstmals seit langem mit stagnierenden Mitgliederzahlen konfrontiert. Tendenz eher sinkend. Weil offenbar viele Mieter sich Informationen lieber kostenlos im Internet besorgen, als einen Mitgliedsbeitrag zu zahlen. "Aber kein Portal kann die persönliche Beratung ersetzen", so Winter. Denn immer gehe es um konkrete Lebenssituationen, die individuelle Lösungsansätze erforderten. Ganz in Vergessenheit geraten ist diese besondere Stärke des Mietervereins aber offenbar nicht. Jedenfalls nicht bei den 3150 Mitgliedern, die sich immer mal wieder Unterstützung holen. Die Beratungsstunden, die im Büro in Dachau und auch in Karlsfeld angeboten werden, sind dadurch stets ausgebucht. Winter ist zuversichtlich: "Persönliche Beratung bleibt der Kern unserer Tätigkeit."

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