Süddeutsche Zeitung

Wohnungsknappheit:Ferienort Dachau

Das Bündnis für Dachau möchte Nutzungsänderungen von Wohnungen untersagen. Zu viel Fläche werde für Touristen oder Arbeiterunterkünfte genutzt und so dem Mietmarkt entzogen

Von Christiane Bracht, Dachau

Das Bündnis für Dachau will dem Gewinnstreben einzelner Wohnungseigentümer Einhalt gebieten. "Bei der Suche nach einer Ferienwohnung für einen Bekannten, bin ich erschrocken, wie viele Ferienwohnungen es im Stadtgebiet Dachau gibt", erzählt Vizebürgermeister Kai Kühnel, der zugleich auch Fraktionschef des Bündnisses für Dachau ist. Auf Nachfrage habe ihm ein Vermieter erklärt, die Verwaltung habe dies genehmigt. "Die Situation ist unmöglich", erzürnt er sich. "Während die Stadt Dachau fraktionsübergreifend große Anstrengungen unternimmt, um für Normalverdiener Wohnungen zu schaffen, wird der Bestand an Wohnungen durch Umwandlung in Ferienwohnungen oder Arbeiterwohnheime dezimiert." Das will er nun ändern. Kühnel hat im Namen seiner Fraktion den Antrag gestellt, Nutzungsänderungen bis auf weiteres in Dachau nicht mehr zu genehmigen.

Solange es in Dachau Familien mit Kindern gebe, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, sei es nicht nachvollziehbar, warum Nutzungsänderungen von Wohnungen genehmigt werden sollen, sagt Kai Kühnel. In der Stadt gibt es immerhin 153 Menschen ohne festen Wohnsitz, davon sind 47 Kinder, so der Jahresbericht von 2018. Als Rechtsgrundlage für das Wandlungsverbot könne eine Novelle des Baurechts dienen, schlägt Kühnel vor. Danach dürften Kommunen einen Genehmigungsvorbehalt aussprechen. Außerdem seien nur in Sondergebieten Ferien- und Dauerwohnungen nebeneinander als Regelnutzung zugelassen, erklärt der Antragsteller.

In Lindau habe man das Wandlungsverbot bereits beschlossen, berichtet Kühnel. Auf der Bodenseeinsel sind die Ausmaße allerdings weitaus deutlicher zu spüren: Außerhalb der Saison sind inzwischen ganze Straßenzüge tot, weil dort keiner mehr lebt. Außerdem durften sieben von 30 Stadträten bei dem Beschluss nicht mitstimmen, weil sie selbst betroffen waren. "So wird das in Dachau nicht sein", gibt Kühnel zu. "Aber es ist zu befürchten, dass dies Schule macht." Die Umwandlung von Wohnungen in Feriendomizile oder Arbeiterunterkünfte zieht immerhin "exorbitante Einnahmesteigerungen" für die Vermieter nach sich, von denen aber die Stadt keinen Nutzen hat.

Als Beispiel führt Kühnel an: "Eine 88-Quadratmeter-Wohnung in Bahnhofsnähe wird für 93 Euro pro Nacht vermietet. Das entspricht bei 75 Prozent Auslastung einer Nettomiete von etwa 24 Euro pro Quadratmeter, bei hundertprozentiger Belegung einer Nettomiete von 32 Euro pro Quadratmeter." Ähnlich verhalte es sich bei Arbeiterwohnheimen. "Weder gehen damit Steuereinnahmen einher, noch sind diese Anlagen zum Leidwesen der Nachbarn mit ausreichend Stellplätzen versehen", beklagt Kühnel.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) erklärt dazu auf Nachfrage, dass es immer wieder Hinweise aus der Bevölkerung gebe. "Da wohnen dann plötzlich in einem Haus, in dem zwei Familien wohnen könnten, 20 Leute. Wir schreiten dann ein, so weit es geht, schicken Baukontrolleure und unterbinden das ganze", sagt Hartmann. Wie viele Wohnungen derart zweckentfremdet sind, müsse die Verwaltung jetzt erst prüfen. Die Stadt brauche "schnelle und effektive Maßnahmen gegen die weitere Verknappung von Wohnraum", fordert indes Kühnel. Das Wandlungsverbot sei eine davon. Der Vorteil: Es koste die Stadt nichts und die Verwaltung spart Zeit, weil sie keine Genehmigungsverfahren mehr machen müssen. Außerdem fordert das Bündnis, alle Bauanträge zu Ferienhäusern oder Ferienwohnungen, auch zu Arbeiterwohnheimen sollten künftig nur noch vom Bauausschuss genehmigt werden, falls überhaupt.

Oberbürgermeister Hartmann findet es grundsätzlich richtig, dass man alles versuche, damit der vorhandene Wohnraum langfristig vermietet wird, speziell wenn Wohnungsmangel herrscht. Doch um sich ein abschließendes Urteil zu erlauben, wolle er erst die Fakten kennen, die die Verwaltung derzeit zusammenträgt. Bislang weiß niemand so genau, wie viele Umnutzungen tatsächlich pro Jahr genehmigt werden und wie viele illegale entdeckt werden. Das Stadtbauamt hüllt sich in Schweigen. Man müsse erst alles prüfen, heißt es auf Nachfrage.

Die fehlenden Zahlen bemängelt auch der CSU-Fraktionschef Florian Schiller. "Dass alle Umnutzungen künftig vom Bauausschuss genehmigt werden müssen, finde ich gut", sagt er spontan. "Das bringt das Thema auf die politische Bühne." Doch hinsichtlich des Verbots ist er eher zurückhaltend. "Es ist sinnvoll bei unserem angespannten Wohnungsmarkt möglichst alle Register zu ziehen, um Druck aus dem Kessel zu nehmen. Aber wenn wir etwas beschließen, soll es einen Effekt haben und nicht nur gut auf dem Papier ausschauen", sagt Schiller. Deshalb will er lediglich dann für das Verbot stimmen, wenn die Umnutzungsgenehmigungen von der Verwaltung oft erteilt werden und deshalb ein Problem darstellen.

"Aber das wird nicht helfen, das Problem zu lindern", da ist sich der CSU-Stadtrat ziemlich sicher. "Wir helfen nur, wenn wir Obdachlosenunterkünfte bauen, beispielsweise auf einem Grundstück der MD-Villa. Aber dafür fehlt es noch an Planung und Umsetzung." Auch der soziale Wohnungsbau müsse dringend realisiert werden. Im November 2015 hatte der Stadtrat beschlossen, 100 Sozialwohnungen zu bauen, im April darauf wurde dann eine Zahl von 188 beschlossen. Schiller geht es damit zu langsam voran. Die Stadtbau GmbH derzeit am Amperweg tätig, in Dachau Ost wird weiter gebaut, es folgt eine Anlage in Dachau Süd sowie an der ehemaligen griechischen Schule.

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SZ vom 21.06.2019
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